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Berlin: Abrechnungsbetrug: Die meisten Verfahren gegen Ärzte eingestellt

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat weit mehr als die Hälfte aller Ermittlungsverfahren gegen Ärzte in der Stadt eingestellt. Offenbar hat sich bei den Strafverfolgern ein Großteil der Verdachtsfälle wegen Abrechnungsbetrugs als Fahrlässigkeit oder Abrechnungsfehler herausgestellt.

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat weit mehr als die Hälfte aller Ermittlungsverfahren gegen Ärzte in der Stadt eingestellt. Offenbar hat sich bei den Strafverfolgern ein Großteil der Verdachtsfälle wegen Abrechnungsbetrugs als Fahrlässigkeit oder Abrechnungsfehler herausgestellt. Zumindest führten die Verstöße nicht zu Anklagen. Die Staatsanwaltschaft hat von den 141 Verfahren jedenfalls rund 80 eingestellt, wie ein Sprecher gestern zum Tagesspiegel sagte.

Das kann mangels ausreichenden Tatverdachts geschehen, mangels Vorsatz oder auch nur wegen geringer Schuld. Die Tätigkeit der Ermittler führte bisher insgesamt nur zu vier Strafbefehlen und drei Anklagen. Von den 141 Verfahren sind nur noch 48 offen. In 32 von ihnen ermitteln die Spezialisten des Landeskriminalamtes.

Die Kooperation zwischen Ärzteschaft und Justiz laufe sehr gut, sagt Manfred Richter-Reichhelm, Präsident der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin (KV). Die KV verfolge Betrüger in den eigenen Reihen konsequent und zeige besonders krasse Betrugsfälle auch an. Dies sei in den letzten vier Jahren aber "in nur einer Handvoll Fälle" vorgekommen. Wenn die "Arbeitsgruppe Medicus" beim Landeskriminalamt ermittele, leiste die KV selbstverständlich Amtshilfe.

"Wenn ein Arzt betrügt, greift er ja nicht der Krankenkasse in die Tasche, sondern den Kollegen", betont Richter-Reichhelm. Die Ärztevereinigung handelt mit den Kassen jährlich Festbeträge aus - die so genannten Kopfpauschalen pro Patient. Diese Gelder verteilt die KV dann an ihre Mitglieder.

Manfred Greupner, KV-Hauptabteilungsleiter, hatte kürzlich eingeräumt, dass Berliner Ärzte seit 1996 rund 7,5 Millionen Mark zu viel kassiert haben. Bei der KV-internen Plausibilitätsprüfung seien 496 Fälle beanstandet und in 98 Fällen Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Gelingt intern der Nachweis des Betrugs, müssen die Ärzte Honorare zurückzahlen. Der Disziplinarausschuss kann zusätzlich Geldstrafen bis zu 20 000 Mark verhängen und Zulassungen ruhen lassen. Die Hälfte dieser Ermittlungen wurde eingestellt, weil die in Verdacht geratenen Ärzte hätten nachweisen können, dass sie doch korrekt abgerechnet hatten.

Die Arbeitsgruppe "Medicus" beim Landeskriminalamt (LKA) hat nach Auskunft von LKA-Chef Hans-Ulrich Voß neben zahllosen kleineren Betrugsfällen bisher auch 25 umfangreiche Verfahrenskomplexe abgeschlossen, von denen jeder eine Schadenssumme von mehr als einer halben Million Mark umfasst. Der höchste ermittelte Schaden betrage 15 Millionen Mark und befinde sich im Anklagestadium.

Allerdings scheine die Staatsanwaltschaft an der Leistungsgrenze angelangt zu sein, sagte Voß im Hinblick auf die notorisch überlasteten Strafverfolger. "Wer es ernst meint mit der Verbrechensbekämpfung in unserem Land, muss angesichts der großen Verfahrenskomplexe nicht nur bei der Polizei, sondern auch bei der Staatsanwaltschaft für das notwendige Personal sorgen", erklärte der LKA-Chef.

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