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Im September demonstrierten in Berlin zahlreiche Menschen für einen besseren Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen.

© Jörg Carstensen/dpa

Update

Abtreibungsgegner, Radfahrer und linke Bündnisse demonstrieren: Polizei nimmt einige Teilnehmer in Gewahrsam

Am Sonnabend versammeln sich Abtreibungsgegner beim "Marsch für das Leben", am Sonntag wollen Tausende für die Aufnahme von Geflüchteten demonstrieren.

Bei Protesten gegen den sogenannten "Marsch für das Leben" vor dem Brandenburger Tor wurden am Nachmittag Teilnehmer in Gewahrsam genommen - eine "niedrige zweistellige" Anzahl, wie die Polizei am Abend mitteilte.

Um kurz nach 13 Uhr hatte die Kundgebung von Abtreibungsgegnern begonnen. Der Platz vor dem Brandenburger Tor war gut gefüllt. An den Zugängen bildeten sich lange Schlangen, die wegen der Corona-Pandemie geltende Maskenpflicht und das Abstandhalten wurde größtenteils eingehalten. Der Demozug setzte sich schließlich um kurz nach 14 Uhr in Richtung der Straße des 17. Juni in Bewegung.

Bei den Abtreibungsgegnern waren mehr Teilnehmer erwartet worden - es wurden 5000 Menschen angemeldet, nach Veranstalterangaben kamen 3000. Ein Polizeisprecher sprach auf Tagesspiegel-Nachfrage von etwa 2300 Teilnehmern. Auch die AfD-Politikerin Beatrix von Storch war unter den Teilnehmenden, wie Fotos zeigen.

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Vor Ort waren bei den Abtreibungsgegnern auch antisemitische und Shoa-relativierende Symbole zu erkennen. Ein Teilnehmer trug ein T-Shirt mit einem abgebildetes Embryo in einem Davidstern-ähnlichen Zeichen. Auch die Recherche und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) kritisierte via Twitter, dass bei der Veranstaltung in diesem Jahr erneut auf den offiziellen Plakaten der Organisatoren mit NS-Begriffen wie „unwertes Leben“ und dem Slogan „Nie wieder“ Schwangerschaftsabbrüche mit der Ermordung von Menschen im NS gleichgesetzt würden.

Auch die stellvertretende AfD-Fraktionschefin Beatrix von Storch (2.v.r.,) nimmt an der Demonstration der Abtreibungsgegner teil.
Auch die stellvertretende AfD-Fraktionschefin Beatrix von Storch (2.v.r.,) nimmt an der Demonstration der Abtreibungsgegner teil.

© Jörg Carstensen/dpa

Auf der anderen Seite des Brandenburger Tores, dem Pariser Platz, demonstrierte ein Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung für das Recht auf Abtreibung. In Hör- und Sichtweite der Abtreibungsgegner riefen Gegendemonstranten: „My body, my choice, raise your voice“. Zur Gegenkundgebung des Bündnisses sind am Mittag mehrere Hundert Menschen gekommen, die Polizei sprach von einer Teilnehmerzahl "im hohen dreistelligen Bereich".. Wegen der Corona-Pandemie hatten sich die Veranstalter dagegen entschieden, einen Demonstrationszug anzumelden.

Gegendemonstranten fordern auf dem Pariser Platz mit Transparenten: "Weg mit §218, frei, sicher, legal".
Gegendemonstranten fordern auf dem Pariser Platz mit Transparenten: "Weg mit §218, frei, sicher, legal".

© Jörg Carstensen/dpa

Der Bundesverband Lebensrecht hatte zum Schutz menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod aufgerufen. Jede Woche müsse eine Woche für das Leben sein - dies würde viele Konflikte und Tötungen vermeiden. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, unterstützt laut einer Mitteilung des Verbandes „das ungebrochene Engagement zum Lebensschutz“. Die Corona-Pandemie führe eindringlich vor Augen, wie verwundbar und schutzbedürftig der Mensch sei.

Vonseiten der Gegendemonstranten hieß es, „Allianzen zwischen rechtspopulistischen, christlich-fundamentalistischen und konservativen Akteur*innen“ hätten der sogenannten Lebensschutzbewegung neuen Aufwind gegeben - zu Lasten von Frauen und queeren Menschen. Sie kämpften für ihre Rechte auf Selbstbestimmung und das Recht auf Abtreibung.

Die Berliner Polizei wird bei den Demonstrationen am Samstag nicht nur von der Bundespolizei unterstützt, sondern offenbar auch von einer Einheit aus Baden-Württemberg. Bis zum Nachmittag verlief der Demozug der Abtreibungsgegner störungsfrei, trotz zahlreicher Gegenkundgebungen an der Wegstrecke.

Erste kleinere Konfrontationen zwischen Polizei und Gegenprotestierenden gab es allerdings in der Friedrichstraße. Die Polizei hatte die Nebenstraßen hier nicht abgegittert, anders als am Pariser Platz; so kamen die Gegenprotestler sehr nah an die Abtreibungsgegner heran.

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Auch in der Mall of Berlin wurden vereinzelt Gegendemonstranten von der Polizei abgedrängt. Hier kam es zum verbale Schlagabtausch mit den Abtreibungsgegnern: Auf „Eure Kinder werden so wie wir“ kommt die Antwort „Wenigstens haben wir Kinder“ aus den Reihen der Demo. Noch am frühen Nachmittag hieß es bei der Polizei, beide Gruppen verhielten sich friedlich. Störungen seien bis zum Nachmittag nicht bekannt geworden.

Zahlreiche Menschen protestieren in Berlin-Mitte gegen Abtreibungen.
Zahlreiche Menschen protestieren in Berlin-Mitte gegen Abtreibungen.

© Jörg Carstensen/dpa

Verkehrsbehinderungen durch mehrere Demos

In der Berliner Innenstadt lösen Demonstrationen besonders an diesem Samstag Verkehrsbehinderungen und Staus aus. Neben den Abtreibungsgegnern und Frauenrechtlerinnen gehen auch Fahrrad-Aktivisten und ein Bündnis linker Gruppen auf die Straße. Berliner Autofahrer sollten die Innenstadt besser umfahren.

Rund 1000 Menschen haben mit einer Fahrrad-Demonstration ein Zeichen für mehr Pop-up-Radwege in der Hauptstadt gesetzt. Die etwa 37 Kilometer lange Kreisfahrt rund um das Stadtzentrum führte die Radfahrer vom Potsdamer Platz durch Kreuzberg, Friedrichshain, Prenzlauer Berg, Wedding, Charlottenburg und zurück zum Potsdamer Platz. Die Polizei sprach um kurz nach 15 Uhr von 700 Teilnehmern, es stießen aber im Streckenverlauf immer mehr dazu. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club Berlin hatte zu der Rundfahrt aufgerufen und auch Familien mit Kindern eingeladen. Zum Weltkindertag am 20. September forderte der Fahrradclub „eine Stadt, in der sich auch Kinder sicher und selbstständig mit dem Rad bewegen können“. In der Corona-Krise seien viele Menschen aufs Rad umgestiegen. Alleine im Juli habe Berlin mehr als 2,3 Millionen Radfahrende gezählt.

Menschenkette zum Schutz vor Autos

Berliner Greenpeace-Aktivisten kündigten am Samstag an, auf einer viel befahrenen Straße im Zentrum der Hauptstadt einen sicheren Radweg zu schaffen, wo sonst Lebensgefahr drohe. Auf einem Fahrstreifen der zweispurigen Chausseestraße (zwischen Invaliden- und Torstraße) würden „radfahrende Erwachsene und Kinder mit einer Menschenkette vor dem Autoverkehr“ geschützt werden, hieß es in einer Mitteilung.
Der Platz auf den Straßen müsse zugunsten des Radverkehrs neu verteilt werden, erklärte Detlef Müller, Mobilitätsverantwortlicher der Berliner Greenpeace-Gruppe. „Nur der Ausbau von baulich getrennten Radwegen ermöglicht sicheres Radfahren für Menschen jeden Alters.“
Das Berliner Verwaltungsgericht hatte die sogenannten Pop-up-Radwege Anfang September für rechtswidrig erklärt. Die Entscheidung ist jedoch noch nicht rechtskräftig, die Senatsverwaltung für Verkehr hat beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Beschwerde dagegen eingelegt.

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Einige Hundert Menschen haben zudem am Samstagabend für eine Umverteilung von Vermögen in Deutschland demonstriert. Linke Gruppen vom Aktionsbündnis „Wer hat, der gibt - Die Reichen müssen für die Krise zahlen“ hatten zum Protest aufgerufen. Bei dem Demonstrationszug vom Adenauerplatz über den Ku'damm bis zum Wittenbergplatz liefen auch linksradikale Gruppierungen mit. Starke Polizeikräfte begleiteten den Zug, bei dem es bis zum fortgeschrittenen Abend friedlich blieb.

Auf der Webseite zum bundesweiten Aktionstag heißt es: „Die reichsten zehn Prozent der Deutschen horten zwei Drittel des Vermögens, 45 superreiche Haushalte besitzen genauso viel wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung. Aber um die Folgen dieser Krise zu meistern, dürfen sie nicht weiter in der goldenen Hängematte liegen und Vermögen anhäufen.“ Tatsächlich besitzen nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) die oberen zehn Prozent in Deutschland gut zwei Drittel des Nettovermögens.

Die Organisatoren der Demonstration fordern die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer, eine bessere Bezahlung für „systemrelevante Berufe“ wie Krankenpfleger, Erzieherin oder Kassierer sowie ein Verbot von Dividendenauszahlungen für Unternehmen, die staatliche Hilfe bekommen.

Am Sonntag wird für die Aufnahme von Geflüchteten demonstriert

Darüber hinaus werden auch am Sonntag viele Menschen auf den Straßen der Hauptstadt erwartet. Das Bündnis „Seebrücke“ ruft zu einer Großdemonstration um 14 Uhr auf dem Wittenbergplatz in der City-West auf. Die Wegstrecke des Aufzugs führt über den Kurfürstendamm, die Kantstraße und Kurfürstenstraße zum Großen Stern. Die Initiative will unter dem Motto „Wir haben Platz“ für die sofortige Aufnahme von Geflüchteten des abgebrannten Lagers Moria auf Lesbos demonstrieren.

Die bei der Polizei angemeldeten 3000 Teilnehmenden könnten übertroffen werden: allein auf Facebook haben mehr als 5000 Personen ihr Interesse an der Veranstaltung signalisiert. (mit dpa)

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