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Rund um den Olof-Palme-Platz haben sich Freiwillige im Rahmen der "Sauberen Sache" um die wild wuchernden Pflanzen gekümmert.

© Cay Dobberke

Aktion Saubere Sache: Großreinemachen gegen die Verwahrlosung der Stadt

Tausende Berliner haben heute den Besen angepackt, um Kippen, Hundekot und Unrat zu beseitigen. Überall gab es genug zu tun.

Berlin ist schön, daran besteht kein Zweifel. Aber es ist eine Schönheit, die dem genauen Blick oft nicht standhält: Die Stadt wirkt angefressen, übernächtigt, eine international geschätzte Grazie, die ihre besten Jahre anscheinend hinter sich hat. Alle neuen Einkaufspaläste, alle glitzernden Hotelneubauten können nicht vollkommen verdecken, dass Berlin unter den europäischen Metropolen eine Art Schmuddelkind ist, übersät mit Graffiti, Kippengebirgen, Verpackungspapier, Hundekot. Der Aktionstag, an dem der Tagesspiegel zusammen mit den Paritätern, WirBerlin und den Sternenfischern am gestrigen Freitag und heute an rund 180 Orten Ordnung schafft, ist kein Ersatz für ein grundlegendes Umdenken, kann aber als gemeinsames Großreinemachen zumindest ein Anstoß sein.

Der allgegenwärtige Schmutz kommt von den Berlinern und ihren Hunden, er kommt von Touristen, die vermutlich nach dem Prinzip verfahren, dass es nicht falsch sein kann, so wie die Eingeborenen zu verfahren. Doch der Eindruck der Verwahrlosung hat noch andere Ursachen. Gestern am Olof-Palme-Platz, dem täglich von unzähligen Menschen besuchten Vorplatz vor Aquarium und Zoo-Eingang, fiel eine davon auf. Es ist die völlige gärtnerische Verwahrlosung der Grünanlagen. Was einst im Zusammenhang verschiedener Pflanzen sorgfältig geplant war, ist längst nur noch wildes Wuchern, Stauden verschwinden unter Unkraut, Rosen schießen ins Nichts.

Seit gestern sehen die Beete rund um den markanten Brunnen besser aus, weil sich gleich mehrere Teams buchstäblich hineingekniet haben. Allen voran Michael Frenzel, der General Manager des Hotels Palace gegenüber: „Wir müssen uns doch um unseren Vorgarten kümmern“, sagte er entschlossen und schickte eine Abordnung von Abteilungsleitern hinein. Eine noch größere Gruppe trug gelbe T-Shirts, sie kam von der Berliner Bank, die sich im Rahmen ihrer „Social Days“ ebenfalls stark in Sachen Stadtputz engagiert. Dabei wurden natürlich auch Berge von Unrat beseitigt, an die die ohnehin überlastete BSR wohl kaum herangekommen wäre. Aber das Grundproblem wird damit nur kurzfristig überdeckt: Wer pflegt Berlins Grünanlagen? Nicht umsonst ist Gärtner ein Lehrberuf, der nicht einfach mal so von engagierten Dilettanten mit Gartenschere nebenbei ausgeführt werden kann. Reichen die Mittel des Bezirks nicht einmal dafür, so prominente Plätze in Schuss zu halten, läuft etwas grundsätzlich schief.

Ein Stück weiter am Hardenbergplatz hatten es die Müllbekämpfer mit den Problemen einer kompakten Innenstadt zu tun. Überall, wo Menschen draußen sitzen und essen und trinken, fallen unglaubliche Mengen von Zigarettenkippen an. Sie werden ausgetreten und liegen gelassen, fliegen aus Autos, häufen sich am Rand von Baustellenabsperrungen zu Bergen auf. Dazu kommen Verpackungsmaterial, Papierservietten, gemischt mit Laub und Flugsand von den zahllosen Baustellen. Den Wettlauf zwischen professioneller Beseitigung und Müll gewinnt immer der Müll, auch wenn diejenigen, die alles auf die Straße werfen, dies wohl in der Auffassung tun, der Staat werde es schon richten – frei nach dem unschuldigen Motto: „Dafür zahle ich doch schließlich Steuern.“

Bürgersinn geht anders, das gilt auch für den Umgang mit dem Hundekot. Auch gegen dieses Dauerübel gingen gestern zahlreiche Berliner vor. Vor allem waren es Schulkinder, die im Rahmen der Aktion auch selbst ein wenig über Müll lernten, woher er kommt, und warum er nicht von allein geht. In Wedding waren es beispielsweise Kinder der Wilhelm-Hauff-Grundschule, die mit Mitgliedern der Aktion „Stadt und Hund“ die Grünanlagen längs der Panke an der Stockholmer Straße durchkämmten.

Viele solcher kleinen Aktionen stehen auch heute auf dem Programm: Hochbeetpflege, Spielplatz aufräumen, Wasserpflege im Herthasee, Streichen-Malern-Bauen, ein paar Kunstaktionen – alles, was Bürger mit Geschick und Ausdauer auf den Weg bringen können. Überall ist genug zu tun, Hilfe wird überall gern gesehen. Um grundsätzlich weiterzukommen, braucht es viel mehr Bürgersinn. Und mehr politischen Willen.

Seiten 16 und 17

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