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Ermittler am Unfallort in der Grunerstraße.

© imago/Olaf Selchow

Tödlicher Unfall in Berlin-Mitte: Alkohol ist dem Beamten Peter G. schwer nachzuweisen

Fabien Martini starb am 29. Januar 2018. Gegen den Polizisten Peter G. steht nun eine Anklage bevor. Doch für den Alkoholverdacht gibt es kaum Beweise.

Fast zwei Jahre nach dem Unfalltod der 21-Jährigen Fabien Martini in der Grunerstraße in Berlin-Mitte stehen die Ermittlungen gegen den Polizisten Peter G. vor dem Abschluss. Nach den Stellungnahmen der Anwälte zu einem abschließenden Gutachten dürfte es in den nächsten Wochen zu einer Entscheidung über die Anklage kommen, wie die Staatsanwaltschaft auf Tagesspiegel-Anfrage erklärte. 

Fraglich ist, ob neben der fahrlässigen Tötung der Vorwurf der Trunkenheit im Verkehr gegen G. bleibt. Fabien war am 29. Januar 2018 in ihrem Renault in der Grunerstraße unterwegs, Peter G. fuhr mit Blaulicht mit 134 Stundenkilometer durch den leeren Grunertunnel zu einem Einsatz, beim Aufprall war der Wagen noch 91 Stundenkilometer schnell. 

Nach dem Unfall war ihm im Virchow-Campus der Charité eine Blutprobe entnommen worden, die 1,1 Promille Alkohol aufwies. Da die Probe nicht mehr vorliegt und die Vorschriften für Blutentnahme bei alkoholisierten Autofahrern - nämlich eine zweite Probe, Desinfektion ohne Alkohol - nicht beachtet wurden, sind die Werte aus der Krankenakte schwer verwertbar.

Jetzt stellte der Unfallgutachter nach Tagesspiegel-Informationen in seinem zweiten Gutachten fest: Bei G. sei keine durch Alkoholisierung verursachte verspätete Reaktion festzustellen. Der Gutachter hatte den Auftrag, die Frage zu klären, ob anhand der vom Bordcomputer aufgezeichneten Reaktionszeiten des Beamten eine Alkoholisierung anzunehmen wäre. Nein - lautet die Antwort. Die Reaktionszeiten des Beamten deuten nicht auf Alkohol hin.

Am Unfallort in der Grunerstraße, im Januar 2018.

© imago/Olaf Selchow

Bereits im ersten Gutachten vom Sommer 2018 hatte der Experte erklärt, dass der Polizist rechtzeitig reagiert hat, als der Renault auf der damals leeren fünfspurigen Straße von rechts über die gesamte Fahrbahn nach links auf den Mittelstreifen zog. Eine verspätete Reaktion sei  nicht nachzuweisen, stand bereits im Erstgutachten. 

Peter G. hat nach der Auswertung der Daten zwei Mal gebremst. Das erste Mal bremste er, als er aus dem Tunnel kam und den Renault von Fabien Martini sah. Da der Renault rechts, langsam fahrend auf der Fahrbahn blieb, der Polizeiwagen ganz links fuhr und sonst keine Autos auf der Straße unterwegs waren, nahm G. wieder den Fuß vom Bremspedal. Als Fabien Martini dann ihren Wagen nach links auf die Parkplätze auf dem Mittelstreifen steuerte, vollzog G. eine Vollbremsung. 

Der Fall des Polizisten Peter G. 

Aus der Vernehmung von befragten Polizisten aus dem Umfeld von G. und der Zeugen vom Unfallort hat sich ebenfalls kein Alkoholverdacht ergeben. Auch das medizinische Personal und eine Seelsorgerin der Polizei haben nach Tagesspiegel-Informationen bei G. nach dem Unfall keinen Alkoholgeruch festgestellt. 

In den Protokollen des Notarztes und der anderen Ärzte findet sich im Gegensatz zur Patientenakte zudem keinerlei Hinweis auf eine Alkoholisierung. 

Zeugen bemerkten Polizeiwagen - nur das Opfer nicht 

Ebenfalls auffällig ist nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen dieser Umstand: Alle Zeugen am Unfallort sollen den Wagen mit Blaulicht und Martinshorn bemerkt haben - das Opfer aber nicht. Im Fußraum des Autos war das Handy von Fabien Martini gefunden worden. Die Auswertung ergab: Das Handy zeigte die letzte empfangene Nachricht auch im Sperrbildschirm an. 

Für die Eltern der getöteten Fabien Martini dürfte diese Frage in einem Prozess besonders hart werden: Kann auch von einem Fehlverhalten des Opfers ausgegangen werden? Bei ihrer langsamen Fahrt vor dem Unfall hat sie, das ergab die Auswertung des Handys, noch eine WhatsApp-Nachricht geschrieben.

Parkplätze auf dem Mittelstreifen in der Grunerstraße - ein Gefahrengebiet.

© Jörn Hasselmann

Am Ende dürfte es vor Gericht um die Frage gehen, ob das Tempo des Polizeiwagens ursächlich für den Tod der Frau war. Dass die Patientenakte von G. im Januar 2019 beschlagnahmt wurde, könnte der Staatsanwaltschaft zudem auch noch auf die Füße fallen. 

Fragwürdige Beschlagnahme der Patientenakte

Der damals ermittelnde Staatsanwalt hatte ein Verfahren gegen das Personal der Charité eröffnet, um - auf Druck der Familie Martini - an die Akte zu kommen. Er konstruierte den Vorwurf der Vertuschung gegen das medizinische Personal, um einen Richterbeschluss zu erwirken. Über diese rechtliche Krücke kam der Staatsanwalt an die Patientenakte, obwohl diese der ärztlichen Schweigepflicht unterliegt. 

Dass die Staatsanwaltschaft im Fall von Peter G. über die Grenzen des Zulässigen hinaus gegangen ist, hat die Behörde indirekt nach dem tödlichen SUV-Unfall in der Invalidenstraße vom 6. September eingestanden. Es ging um die Frage, ob der Fahrer des SUV, der vier Menschen getötet hat, unter Epilepsie leidet. 

Beim SUV-Unfall erklärte die Staatsanwaltschaft, dass sie nicht einfach Patientenakten bei Ärzten beschlagnahmen könne. Denn dafür besteht nach der Strafprozessordnung ein Beschlagnahmeverbot bei Berufsgeheimnisträgern

Im Herbst ist der bislang für Peter G. und für den SUV-Unfall zuständige Oberstaatsanwalt pensioniert worden, für die Akten ist nun eine andere Staatsanwältin zuständig. 

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