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Lesen und lesen lassen. Das Team der Lettrétage aus Katharina Deloglu (M.), Tom Bresemann (l.) und Moritz Malsch.

©  Robert Klages

Literaturhaus in Berlin: Alles für die Literatur: Fördergeld für die Kreuzberger Lettrétage

Die Lettrétage ist eine Institution für Berlins Freie Literaturszene. Es gibt Mittel aus dem Kulturetat für das Team. Das Geld soll ins Programm investiert werden.

Die Literaturszene in Berlin hat ein Problem mit der Selbstwahrnehmung, meint Moritz Malsch vom Literaturhaus Lettrétage in Kreuzberg. „Die Leute sehen ihr Schreiben als Hobby und empfinden gar nicht den Anspruch, dafür bezahlt zu werden.“

Kaum ein Künstler würde seine Bilder einfach so verschenken – Lyriker ihre Werke schon. Dies liege daran, dass es in der Literatur keine klassische Ausbildung gibt, wie in anderen Bereichen der Kunst. Malsch hat Neuere Deutsche Literatur studiert, danach als freier Lektor gearbeitet und im Oktober 2006 zusammen mit Katharina Deloglu und Tom Bresemann die Lettrétage gegründet.

Sie sehen sich als „Ankerinstitution“ der freien Literaturszene, als Anlaufstelle für jede Art der Literaturform. „Das Programm gestaltet sich fast von allein“, sagt Bresemann. Autoren oder Projekte bieten sich an, in der Lettrétage etwas machen zu wollen. Da gibt es „Poetic Hafla“ zum Beispiel, eine Mischung aus Tanz und Lesung, aber auch Stand-up-Comedy von jungen Israelis, Palästinensern und Syrern.

Mehr als 150 Veranstaltungen laufen pro Jahr in dem Literaturhaus. Das Team dort sieht sich als Gastgeber, es stellt den Raum und etwas Ausstattung zur Verfügung und etwas Werbung. „Hier sind erst mal alle willkommen“, sagt Bresemann. „Wir müssen auch nicht deren Meinung teilen.“ Sein Job sei es nicht, „ irgendwie das Beste von irgendwas zu präsentieren“.

Man kann nicht alles machen

Fantasy- oder Krimilesungen gibt es allerdings nicht, ebenso wenig Poetry-Slams. Anfragen dieser Art habe es auch nie gegeben, und es passe auch nicht zum Ort. Zudem könne man „nicht alles machen“, erklärt Malsch. Dafür seien es schlicht zu viele Anfragen. Trotzdem lehnt die Lettrétage auch ab: Wenn ein Autor nur irgendeinen Ort sucht um sein Buch zu präsentieren. Oder jemand in derselben Woche eh schon zwei Lesungen hat.

Es geht auch darum, einer Literaturveranstaltung einen Rahmen zu geben, neue Konzepte des Lesens zu präsentieren. „Auf die Frage, was eine funktionierende Literaturveranstaltung ist, gibt es keine Antwort“, sagt Malschs Mitstreiter Bresemann.

Beide haben sich beim Studium kennengelernt, dann kam Deloglu hinzu. An die erste Lesung können sie sich kaum mehr erinnern. Damals wollten sie „irgendwas machen“. Junge Literatur sollte verbunden werden mit klassischem Ambiente, unbekannten Autoren sollte eine Bühne gegeben werden. „Wir wollten Strittiges beherbergen und über Unstrittiges streiten.“ So haben sie es sich als Motto überlegt.

„Dafür, dass wir am Anfang keinen Plan hatten, ist es super gelaufen“, sagt Malsch. Irgendwann hätten sie sich entscheiden müssen, ob es mehr als nur Hobby sein sollte. „Und nun ist es unser Beruf.“ Bresemann ergänzt: „Und dieser besteht darin, Strukturen zu bauen, die für Künstler funktionieren."

Ihre Büros haben sie im Haus Lindenberg in der Methfesselstraße. Die gründerzeitliche Stadtvilla von 1874 steht unter Denkmalschutz. Hier hat es 2006 auch die ersten Lesungen der Lettrétage gegeben. Seit 2013 finden die Veranstaltungen in einer ehemaligen Fabrik am Mehringdamm statt, wo Malsch nach eigenem Bekunden die Toiletten selber gebaut hat. „Auch das gehört zur Literatur“, sagt er und lacht.

Die dortigen Räumlichkeiten stehen kostenfrei zur Verfügung, wenn sich Autorengruppen treffen wollen. „Damit die das nicht in den eigenen Wohnzimmern machen müssen“, sagt Deloglu. Die Räume werden zudem derzeit noch für private Feiern vermietet. Damit ist aber bald Schluss, weil die Lettrétage erstmals Kulturförderung erhält und nur dem Literaturaktivismus zur Verfügung stehen soll.

Und für Ausstellungen von Künstlern – aber nicht kostenfrei. Für 2018 hat die Lettrétage eine halbe Millionen Euro Zuschuss aus Berliner, Bundes- und Europamitteln erhalten – einiges davon projektgebunden. Aus dem Berliner Kulturetat gibt es 300.000 Euro für die nächsten zwei Jahre.

Honorare zahlt die Lettrétage für die Literaturveranstaltungen auch weiterhin keine. „Dafür reicht die Förderung leider noch nicht“, sagt Malsch. Da helfen auch Getränkeeinnahmen und das Eintrittsgeld nicht, die an die Lettrétage gehen. Dafür steht es den Autorengruppen frei, einen Hut herumgehen zu lassen. Die meisten aber wollen auch kein Geld, sondern sind froh, eine bekannte Räumlichkeit zu haben, um sich einer breiteren Öffentlichkeit vorstellen zu können – und das gratis.

Lettrétage, Mehringdamm 61, Kreuzberg, www.lettretrage.de

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