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Berlin: Als die Onkels Adolf hießen

Das Gute an privaten Tagebüchern ist, dass man in ihnen jedes noch so banale Ereignis des Alltags festhalten kann, ohne damit gleich größere Leserkreise zu langweilen. Wenn aber jemand in einem autobiografisch gefärbten Roman seinen Lesern den Alltag der Hauptfigur dadurch näher bringen will, dass er ausschweifend aus deren Tagebüchern zitiert, dann sollten die Eintragungen schon ein wenig gehaltvoller sein.

Das Gute an privaten Tagebüchern ist, dass man in ihnen jedes noch so banale Ereignis des Alltags festhalten kann, ohne damit gleich größere Leserkreise zu langweilen. Wenn aber jemand in einem autobiografisch gefärbten Roman seinen Lesern den Alltag der Hauptfigur dadurch näher bringen will, dass er ausschweifend aus deren Tagebüchern zitiert, dann sollten die Eintragungen schon ein wenig gehaltvoller sein. Das ist bei Horst Bosetzkys jüngstem Roman "Zwischen Kahn und Kohlenkeller" leider nicht der Fall. Im Gegenteil: Seitenlang reiht seine Hauptfigur Otto Matuschewski in ihren Reisetagebüchern eine Belanglosigkeit an die andere. Kaum ein Detail ist zu marginal, kein Gedanke über das Wetter oder die Landschaft zu banal, um nicht ausführlich wiedergegeben zu werden. Wenn bei der Harzwanderung neben dem Wetter auch noch die Blase am Fuß der Freundin beschrieben wird und bei der Paddeltour in einem Absatz 30 Seen namentlich aufgezählt sind, dann strapaziert Horst Bosetzky - Krimifans unter dem Pseudonym -ky bekannt - die Geduld seiner Leser über die Maßen. Das ist schade, denn die neue Folge der Familiensaga, die 1995 mit "Brennholz für Kartoffelschalen" begann, hat durchaus ihre spannenden Passagen und glänzt mit einigen sehr genauen Alltagsbeobachtungen.

Erzählt wird die Lebensgeschichte von Bosetzkys Vater im Berlin der zwanziger bis vierziger Jahre. Anhand der Alltagserlebnisse von Otto Matuschewski, seiner Familie und der Freunde zeichnet der Autor ein streckenweise faszinierendes Bild vom Leben und den Sorgen der "kleinen Leute" und gibt auch jüngeren Lesern eine Idee von jener fernen Zeit, als die Babys Helmut und die Onkels Adolf hießen. Bosetzky beschreibt in lakonischen, gelegentlich ironischen Sätzen, wie die politischen Auseinandersetzungen der Weimarer Republik und später dann NS-Diktatur und Krieg zunehmend auch das Leben eher unpolitischer Menschen prägten. So zeigt er am Beispiel seiner Hauptfigur, wie verlockend es für einen Jungen aus einfachen Verhältnissen Anfang der 30er war, bei der SA mitzumarschieren - was er im letzten Moment unterlässt.

Die fast grenzenlose Detailverliebtheit Bosetzkys bremst dabei leider die Stringenz der Erzählung. Immer wenn es spannend wird, schaltet der Autor nach wenigen Sätzen wieder auf die Banalität des Privaten zurück und ergeht sich in endlosen Aufzählungen von Alltagsbegebenheiten. So endet die Schilderung eines Bombenalarms in Kreuzberg mit einer akribischen Beschreibung, wann die Hauptfigur ihren Mittagsschlaf gemacht und was sie zu Abend gegessen hat. Und wen interessiert es es, ob Otto Matuschewski am 24. Januar 1936 erkältet war oder vom 25. bis 27. September desselben Jahres zu einer Familienfeier reiste - natürlich samt Auflistung aller anwesenden Verwandten? Weniger wäre mehr gewesen.

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