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© ullstein - ullstein bild

Grüne Woche: Am Anfang war der Lodenmantel

Vor der ersten Grünen Woche 1926 wurde der Erfolg dieser neuen Agrarmesse noch bezweifelt, die nun schon zum 75. Mal stattfindet.

Warum eigentlich „Grüne Woche“? Die Frage scheint überflüssig angesichts des weitgehend agrarischen, immer stärker auch auf den Bio-Faktor setzenden Sortiments. Aber gerade bei solch einer stark pflanzlich geprägten, zumal mit dem 75. Mal ein rundes Jubiläum feiernden Veranstaltung liegt es nahe, nach Wurzeln zu forschen, und sei es auch nur des Namens.

Der Grünen Woche gingen die Weißen Wochen voraus. Das war die Zeit zu Jahresbeginn, in der Kaufhäuser Haushaltswaren verbilligt anboten. Andererseits gab es Mitte der zwanziger Jahre in Berlin traditionell die Wintertagungen der 1885 gegründeten Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), deren Mitglieder – Landwirte, Förster, Jäger – im Grün der damals von dieser Berufsgruppe bevorzugten Lodenkleidung auftraten.

Der Berliner Witz, in diesem Fall angeblich journalistisch kanalisiert, lässt sich solch eine Gelegenheit nur selten entgehen. So war klar, wie die erste „Ausstellung für den Bedarf der Landwirtschaft und verwandter Betriebe“ nur heißen konnte: Grüne Woche.

Sie fand vom 20. bis 28. Februar 1926 in den „Ausstellungshallen am Kaiserdamm“ statt, wie es auf dem Plakat hieß. Es zeigte die zwei Ähren des heutigen Logos, damals noch kerzengerade, erst seit 1935 vom Winde gebogen. Die Idee zur Messe hatte Hans-Jürgen von Hake, dem gleichnamigen Kleinmachnower Adelsgeschlecht entsprossen und Mitarbeiter im Fremdenverkehrsamt: Man sollte den im Umfeld der DLG-Tagung wild wuchernden Straßenhandel mit allerlei agrarischen Produkten zusammenfassen und in geordnete Bahnen einer Messe führen. So richtig soll an den Erfolg kaum jemand geglaubt haben. Ein Irrtum: Schon im ersten Jahr kamen 60 000 Besucher.

In seiner Eröffnungsrede pries der damalige Oberbürgermeister Gustav Böß Berlin als einen der „größten Guts- und Waldbesitzer Deutschlands“: „Neben 47 Rittergütern gibt es 180 000 Kleingärten, 45 000 Pferde, 25 000 Schweine, 21 000 Milchkühe und 530 000 Hühner. Etwa ein Fünftel der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig.“ Von dieser agrarisch geprägten Stadtstruktur blieb wenig erhalten. Es spricht also für die – im reinsten Wortsinn – Nachhaltigkeit der Ur–Idee, dass die Messe alle Verwerfungen der Geschichte heil überstanden hat.

Von denen gab es jede Menge, die erste suchte die Messehallen gleich 1938 heim: Wegen der in Deutschland grassierenden Maul- und Klauenseuche blieben sie leer, die Messe fiel aus. Die zweite, mehrjährige Zeit ohne Grüne Woche war dagegen nicht Viren, sondern den Menschen anzulasten: Im Krieg war wenig Anlass, Überfluss zur Schau zu stellen.

Den gab es auch im Spätsommer 1948 noch nicht. West-Berlin war blockiert, statt Frischmilch hatte man, wenn überhaupt, nur Milchpulver. Es war also purer Trotz, gepaart mit unbedingtem Überlebenswillen, als der Zentralverband der Kleingärtner, Siedler und Boden nutzenden Grundbesitzer die fast totgeglaubte Grüne Woche reaktivierte, mit immerhin 59 Ausstellern (heute sind es 1589). Ein 40-Kilo-Kürbis, eine 3,3 Kilo schwere Gurke, die Kreuzberger Zuchtsau „Dora“ mit ihren Ferkeln – das waren in diesen Hungerzeiten die Attraktionen.

Damals waren die Deutschen auf der Grünen Woche noch unter sich, erst drei Jahre später – wegen Bauarbeiten gab es auch 1950 keine Grüne Woche – wurde ein Holländer als erster ausländischer Aussteller bestaunt, sogar Bundeskanzler Konrad Adenauer zollte seiner Gemüsepyramide Bewunderung.

Ohnehin hat die Grüne Woche seit jeher viel Politprominenz angezogen, von Reichspräsident Paul von Hindenburg über – nun ja – Reichsjägermeister Hermann Göring bis zu den Bundespräsidenten Theodor Heuss und Walter Scheel sowie Bundeskanzler Helmut Kohl. Zu Mauerzeiten bot sich nebenbei die Möglichkeit, Solidarität mit der Mauerstadt zu zeigen, was mit der Wende entfiel. Diese wurde zugleich zur ersten Ost-Erweiterung der Grünen Woche. Die zweite gab es 2005 mit den neuen EU-Mitgliedern. Auch damals hat sich die Messe als überaus wandlungsfähig erwiesen. Das macht Mut für die nächsten 75 Jahre.

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