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Andrologie: Der Männerarzt

Was der Gynäkologe für die Frau, ist der Androloge für den Mann. Zu seinen Aufgaben gehört auch die psychologische Betreuung

Ralf Müller (Name geändert) ist ein ganzer Kerl. Der 38-Jährige ist groß, kräftig und Vater eines kleinen Jungen. Doch in letzter Zeit klappt „es“ nicht mehr — Müller leidet seit einigen Monaten unter Erektionsstörungen. „Organisch ist alles in Ordnung“, hat der Hausarzt ihm gesagt. Doch mit seiner Freundin hat er immer weniger Sex. In den letzten Monaten fast gar keinen mehr – auch aus Angst, wieder zu versagen.

Schließlich wandte sich Müller an einen Spezialisten: Wolfgang Harth leitet das Andrologische Zentrum des Vivantes-Klinikum im Friedrichshain. Harth ist nicht nur Spezialist für Geschlechtskrankheiten, sondern auch Psychotherapeut. Mehr als 200 Patienten kommen monatlich in die Abteilung Männergesundheit, 100 davon sind zum ersten Mal hier. Ralf Müllers Leiden ist keine Ausnahme. Knapp 90 Prozent der Patienten kommen wegen „erektiler Dysfunktion“.

Als impotent gilt, wessen Versuche zum Geschlechtsverkehr sechs Monate lang mehrheitlich scheiterten. „Davon sind mehr Männer betroffen, als gemeinhin angenommen wird“, sagt Harth. Fast jeder zehnte 40-jährige Mann hat regelmäßig Erektionsstörungen. Im Alter nimmt die Zahl der Betroffenen stark zu. Gerade bei älteren Männern sind häufig Gefäßerkrankungen, Diabetes und Schäden an der Prostata die Ursache für diese Probleme. „Unterschätzt werden jedoch vor allem die seelischen Ursachen.“ Der Mediziner führt deshalb lange Gespräche mit seinen Patienten.

Spezialist Harth ist einer der ersten durch die Berliner Landesärztekammer anerkannten Ärzte, die offiziell als Andrologen – Männerärzte – bezeichnet werden. „Sich regelmäßig durch Andrologen untersuchen zu lassen, sollte für Männer jeden Alters genauso selbstverständlich sein, wie für Frauen die Besuche beim Gynäkologen“, sagt Harth. Gefäßerkrankungen etwa müsse man rechtzeitig erkennen, um Folgeschäden zu verhindern.

An drei Tagen in der Woche lässt sich Harth in seinem lichtdurchfluteten Büro im Volkspark Friedrichshain über den Alltag seiner Patienten informieren. Anschließend will er ihnen möglichst eine „maßgeschneiderte Therapie“ anbieten. Acht Mitarbeiter stehen ihm dabei zur Verfügung. Nur wenige seiner Patienten müssen an andere Einrichtungen weiter vermittelt werden. Hier in Friedrichshain werden nicht nur Vorhautverengungen und Potenzprobleme behandelt, sondern auch das Sperma kinderloser Patienten genauestens untersucht. Mit Medikamenten und Hormonen, mit Gesprächen und Gruppensport, mit Ernährungsberatung und Verhaltenstipps könne den meisten Männern geholfen werden. In Zusammenarbeit mit Hautärzten und Gefäßspezialisten wird – wenn tatsächlich nötig – auch operiert. „Häufig aber reicht eine Psychotherapie und ein neuer Lebensstil“, sagt Harth.

Gerade der Leistungsdruck im Berufs- und Privatleben führe zu Versagensängsten. Die Angst, den Ansprüchen der Partnerin nicht zu genügen, beträfe jeden Mann hin und wieder. Viele Frauen neigten heute dazu, sexuelle Ansprüche stärker zu formulieren. „Damit können viele Männer nicht immer umgehen.“

Harths Tätigkeit ist vielseitig. Er und seine Kollegen werden gelegentlich sogar unfreiwillig zur Eheberatern: Einige Männer werden von ihren Partnerinnen zu den Andrologen in die Sprechstunde geschickt. Ein Teil der Patienten wird dabei sogar von ihren Lebensgefährtinnen begleitet, die sich wegen des mangelhaften Liebeslebens ernste Sorgen machen. „Einige Patienten geben dann aber unter vier Augen zu, dass es im Bett eigentlich ganz gut läuft – nur eben nicht mit der eigenen Frau“, sagt Harth.

In den meisten Fällen brauchen seine männlichen Patienten allerdings tatsächlich fachliche Hilfe. „Ich habe einfach viel Ärger gehabt in letzter Zeit“, sagt Ralf Müller. Nach den ausführlichen Gesprächen gehe es ihm nun besser. Er weiß jetzt, dass man nicht alle Sorgen mit ins Bett nehmen muss. Hannes Heine

Kontakt: Vivantes Klinikum im Friedrichshain, Landsberger Allee 49, Friedrichshain. Patienteninfo: 030/4221-1120

Im Internet: www.vivantes.de

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