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Berlin: Arbeitslos zweiter Klasse

Zum Monatswechsel heißt es bei den Job-Centern Schlangestehen Diese sind noch immer nicht ausreichend auf den Andrang vorbereitet

Immer wenn es voll wird, stehen sie auf der Straße. „Entwürdigend“, sagt ein Betroffener. Denn die Wartezeit für die Erwerbslosen und Empfänger von Arbeitslosengeld II kann lang sein: Manchmal erst eineinhalb Stunden draußen, dann noch einmal die gleiche Zeit drinnen, bis endlich der Empfangstresen erreicht ist. Ein Jahr, nachdem das Job-Center Mitte das Gebäude in der Sickingenstraße in Moabit bezogen hat, gibt es dort noch immer nicht die Möglichkeiten, um die Langzeitarbeitslosen angemessen zu betreuen. Vor allem wie jetzt zum Monatswechsel, wenn die neuen Anträge abgegeben werden. Aber Abhilfe sei in Sicht, sagt Ilona Conrad, stellvertretende Geschäftsführerin des Job-Centers. Allerdings erst Ende des Jahres. Es wird umgebaut. Zu den derzeit zehn Empfangstresen sollen sieben weitere dazukommen. Niemand soll mehr draußen in der Schlange stehen müssen. Außerdem werden dann die Arbeitslosen, die nur ihr Sozialticket für die BVG haben wollen, gesondert bedient.

Die Situation in Mitte ist aufgrund der vielen Arbeitslosen ohne Berufsausbildung und mit Migrationshintergrund zwar angespannter als in anderen Bezirken, aber trotzdem symptomatisch. Denn die Job-Center sind es inzwischen, die den großen Andrang bewältigen müssen, nicht die Arbeitsagenturen. Auf die großen Zahlen an Arbeitslosengeld-II-Empfängern war niemand vorbereitet, als die Räume für die zwölf neu gegründeten Job-Center gemietet wurden. Selbst in Steglitz-Zehlendorf, das im Berliner Vergleich alles andere als ein Problembezirk ist, reicht der Platz nicht aus. Auch dieses erst im vergangenen Jahr bezogene Job-Center in der Birkbuschstraße platzt aus allen Nähten, neue Räume müssen gemietet werden, sagt Job-Center-Chef Jörg-Jens Erbe.

Die Zahlen sind deutlich: Knapp 229 000 Erwerbslose in Berlin erhielten im vergangenen Monat Leistungen nach Hartz IV und müssen somit zum Job-Center, ihnen stehen 64 000 Menschen gegenüber, die weniger als ein Jahr arbeitslos sind und deswegen in den Bereich der Arbeitsagenturen fallen. Die aktuellen Zahlen werden heute bekannt gegeben.

Selbst in den Arbeitsagenturen gibt es Verantwortliche, die von „Arbeitslosen erster und zweiter Klasse“ sprechen. „Marktkunden“ werden jene genannt, die leicht wieder in Arbeit zu vermitteln sind. Sie profitieren von Hartz IV. Denn der Schwerpunkt der Arbeitsmarktpolitik liegt darauf, die Zeiten ohne Job so kurz wie möglich zu halten. In den Arbeitsagenturen hat sich auch der Betreuungsschlüssel verbessert. Früher kamen durchschnittlich 400 Arbeitslose auf einen Vermittler, jetzt ist der Schlüssel in Berlin nach Angaben der Regionaldirektion für Arbeit auf 230 gesunken. Gleichzeitig ist bei den meisten Job-Centern der geplante Betreuungsschlüssel von 150 noch nicht erreicht, obwohl den Langzeitarbeitslosen die finanziellen Einbußen durch die Einführung des Arbeitslosengeldes II mit der Ankündigung einer besseren Förderung schmackhaft gemacht wurde. Jemand, der lange Zeit keinen Job hat, braucht aber mehr Betreuung, um wieder Fuß zu fassen.

Die Integration in den Arbeitsmarkt gelingt deswegen in den Job-Centern viel seltener als in den Arbeitsagenturen. Im vergangenen Monat fanden rund 11 400 Menschen aus dem Bereich der Agenturen einen neuen Job, bei den Job-Centern waren es zwar mit rund 14 000 Menschen knapp 3000 mehr, dabei ist aber die Zahl der Langzeitarbeitslosen fast vier Mal höher. Laut einer Statistik von Juni konnten in den Job-Centern im Berliner Durchschnitt nur 7,9 Prozent in Arbeit vermittelt werden. Starke regionale Unterschiede sind dabei deutlich. Während die Integrationsquote in Steglitz-Zehlendorf bei 9,5 Prozent lag, betrug sie beim Schlusslicht Mitte lediglich 5,3 Prozent.

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