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Berlin: Auf der armen Seite der Friedrichstraße

Verein „motz“ eröffnet Kaufhaus für Bedürftige

Auf keiner anderen Straße in Berlin liegen Glanz und Schatten so nah beieinander wie auf der Friedrichstraße. Auf der einen Seite die Glitzerwelt: die leuchtenden Etagen der Galeries Lafayette, das Kulturkaufhaus Dussmann, die weiten Räume des Audiforums. Weiter südlich sieht man nur grau-braune Plattenbauten, ein paar Bars und Gemüseläden. Hier, im Kreuzberger Teil, hat am Montag ein Laden eröffnet, der ganz bewusst ohne Glamour auskommt: Das „motz-Gebrauchtwarenkaufhaus“ des gemeinnützigen Vereins „motz & Co.“, der auch die gleichnamige Obdachlosenzeitung herausgibt.

Der „motz“-Laden ist kein gewöhnlicher Second-Hand-Shop. Zwar türmen sich in den Regalen des rund 300 Quadratmeter großen Raums gebrauchte Klamotten, Schallplatten, Möbel und Elektrogeräte. Die Waren sind aber nicht angekauft worden, sondern alle gespendet. Wer ein Produkt kauft, unterstützt damit auch keinen Geschäftsmann. „Das Geld geht an „motz & Co.“, sagt Verkäuferin Tini. „Der Verein finanziert damit soziale Projekte für Bedürftige.“

Die 42-jährige Tini ist eine der ehrenamtlichen Angestellten des Sozialkaufhauses. Sie ist Sozialhilfeempfängerin, wie alle anderen Mitarbeiter auch. „Das ist ein weiterer Vorteil unseres Ladens“, sagt sie. Die Ehrenamtlichen hätten als Verkäufer eine Aufgabe, das verschaffe Selbstbewusstsein. Bis zu vierzig Stunden in der Woche arbeiten manche von ihnen im Kaufhaus.

So wie der 55-jährige Rolf, der sich „Schatzmeister“ nennt. Wie ein erfahrener Verkäufer bedient er die Kasse, die auf einem kleinen Schreibtisch in der Mitte des Raumes steht. Während er mehrere Kunden bedient, sagt er: „Es ist schon ein Wunder, dass es den Laden jetzt gibt. Das ganze Kaufhaus ist mit Spenden finanziert.“ Ganz besonders danke er den Lesern des Tagesspiegels. „Das Geschäft ist vor allem deshalb entstanden, weil die Leser bei einer Spendenaktion für den Verein so großzügig waren.“ Warum sich Rolf entschlossen hat, in dem Laden zu arbeiten? „Ich wohne hier in der Gegend“, sagt er, „ und bevor ich in irgendwelche Kneipen gehe oder um die Häuserblocks ziehe, mache ich doch lieber was Sinnvolles.“

Im südlichen Teil der Friedrichstraße wohnen viele Sozialhilfeempfänger wie Rolf. Der Prachtboulevard Unter den Linden ist nur ein paar Schritte entfernt, aber er wirkt wie eine andere Welt.

„Wir wollten das Sozialkaufhaus unbedingt genau hier aufmachen“, sagt Rolf, der die Eröffnung mitorganisiert hat. „Schließlich ist der „motz“-Laden in erster Linie für Bedürftige gegründet worden.“ Die Waren kosten nur ein Drittel des Preises, der in anderen Gebrauchtwarenläden gezahlt werden muss. Auch Runterhandeln sei erlaubt. „In dieser Ecke der Friedrichstraße wohnen viele, die unseren Laden wirklich brauchen“, sagt Rolf. Weiter nördlich, meint er, würde der „motz“-Laden höchstens Touristen anlocken.

Trotzdem dürfen natürlich auch Wohlhabende im „motz“-Geschäft einkaufen. Schließlich unterstützt jeder, der Geld im Laden ausgibt, soziale Einrichtungen. „Und die werden jetzt immer wichtiger“, meint Tini. Sie spielt damit auf die Sozialreformen der Bundesregierung an. Davor haben alle Mitarbeiter des Sozialkaufhauses Angst. Falls mit den Reformen die große Armut kommt, wollen sie mit dem Laden so etwas wie einen Rettungsring bereithalten.

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