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Gegen den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Mietendeckel in Berlin wurde demonstriert.

© Christoph Soeder/dpa

Update

Auf Mietendeckel-Aus folgt Kündigung: Berliner Familie soll nach 17 Jahren raus – dann kommt das gute Ende

Kurz nach Ende des Mietendeckels erhielt Holger Niederhausen wegen Nachzahlungsforderungen die Kündigung. Ein Mit-Eigentümer des Hauses: Springer-Chef Döpfner.

Am 15. April veröffentlichte das Bundesverfassungsgericht seinen Beschluss, dass der Mietendeckel nichtig ist, am 30. April hatte Holger Niederhausen bereits das Kündigungsschreiben seiner Wohnung im Briefkasten, Tippfehler inklusive.

„Da Ihr Mietvertrag seit mehr als 8 Jahren besteht, erfolgt die Kündigung zum 31.1. 2021“, schrieb ein Anwalt dem Vater von drei Kindern. Muss natürlich 2022 heißen, aber das machte die Sache nicht besser.

Die Wohnung in Mitte, in der Holger Niederhausen mit seiner Familie seit 17 Jahren wohnt, gehört einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), und einer der drei Eigentümer dieser GbR ist Mathias Döpfner, der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer SE.

Die Kündigung hatte die Hausverwaltung ausgesprochen. Holger Niederhausen war empört, und aus Sicht von Reiner Wild, dem Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, auch völlig zu Recht: „Die Kündigung ist aus unserer Sicht unwirksam“, sagte er.

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Am späten Mittwochnachmittag kam das Happy End für den Mieter: Holger Niederhausen teilte dem Tagesspiegel mit, dass die Kündigung zurückgezogen worden ist. Offenbar hatten die öffentliche Wahrnehmung des Vorgehens der Hausverwaltung und der damit verbundene öffentliche Druck bei dieser Entscheidung eine bedeutsame Rolle gespielt.

Der Mieter meldet sich nicht selbständig – es folgt die Kündigung

Hintergrund des Falls ist ein sehr rabiates Vorgehen der Hausverwaltung. Holger Niederhausen hatte zum 1. September 2019 für seine 131-Quadratmeter-Wohnung eine Mieterhöhung auf monatlich insgesamt 1128,32 Euro erhalten.

Aufgrund des Mietendeckels musste er aber seit März 2020 nur 1009,98 Euro bezahlen. In einem Schreiben von 2020 wies die Hausverwaltung auch darauf hin, was passierte, wenn der Mietendeckel für unwirksam erklärt würde: „Sämtliche ggf. zu Unrecht erfolgten Mietabsenkungen aufgrund des MietenWoG Bln werden wir von Ihnen nachfordern.“

Die Nachforderung betrug letztlich genau 1656,76 Euro. Niederhausen hatte das Schreiben so verstanden, „dass die Hausverwaltung uns nach dem Beschluss des BVG schriftlich mitteilen wird, wie hoch die Nachforderung ist“. Diese Summe teilte der Anwalt am 30. April tatsächlich mit, er hatte allerdings noch eine weitere Information.

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Da Niederhausen seit Bekanntwerden des Beschlusses weder den Rückstand bezahlt noch sich mit der Hausverwaltung in Verbindung gesetzt habe, werde er gekündigt.

Die Hausverwaltung erklärte dazu in einem Statement: „Die vorsorgliche Kündigung des konkreten Mietverhältnisses erfolgte nach sorgfältiger Abwägung und rechtlicher Prüfung. Es handelt es sich um eine Entscheidung, die die Hausverwaltung - wie in solchen Fällen üblich selbständig treffen konnte.“

Selbstständig? Und was ist mit den Eigentümern? Mathias Döpfner nahm auf Anfrage des Tagesspiegel zu dem Fall nicht Stellung. Nach Informationen des Tagesspiegel soll er aber mit dieser Angelegenheit persönlich nichts zu tun gehabt haben.

Die Hausverwaltung handelt nach Vorgaben der Eigentümer

Allerdings handelt eine Hausverwaltung nach grundsätzlichen Vorgaben des Eigentümers, auch wenn der im Einzelfall nicht involviert ist. Zudem soll auch ein angeblich zerrüttetes Verhältnis der Hausverwaltung zu Niederhausen bei der harten Linie eine Rolle gespielt haben. Niederhausen erklärte dagegen, er wisse nichts von einem zerrütteten Verhältnis. „Wenn das behauptet wird, dann ist es eine Unverschämtheit.“

[Lesen Sie weiter bei Tagesspiegel-Plus: "Nach Mietendeckel-Entscheidung - Was Berliner Mieter jetzt tun sollten"]

Bei der rechtlichen Prüfung des Falls, welche die Hausverwaltung erwähnte, gab es aber durchaus unterschiedliche Auffassungen. Reiner Wild vom Mieterverein jedenfalls hielt die Kündigung aus seiner Sicht aus zwei Gründen für unwirksam. Es habe keine schriftliche Nachforderung gegeben, in der klar die Summe und der Zeitpunkt benannt worden sei, zu dem der ausstehende Betrag zurückgezahlt werden müsse.

Auch eine Fachanwältin für Mietrecht hielt die Kündigung für unwirksam. Eine Kündigung könne nur erfolgen, „wenn schuldhaft die Mieten nicht gezahlt wurden. Dies liegt möglicherweise aber nicht vor, wenn der Vermieter angekündigt hat, die Mieten dann gegebenenfalls nachfordern zu wollen.“ Holger Niederhausen sagte, er habe die ausstehende Summe inzwischen nachbezahlt und auch die monatliche Miete entsprechend erhöht.

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