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Berlin: Auf Rekordfahrt

BMW-Motorräder aus Spandau verkaufen sich so gut wie nie zuvor. Dieses Jahr gibt es fünf neue Modelle

Frühling in Berlin. Die Tage werden länger. Die Röcke kürzer. Und im Grunewald wird es wieder laut. Denn sobald sich die Sonne blicken lässt, treffen sich Berlins Motorradfans an der Spinnerbrücke, am Südende der Avus. Fast jeder fünfte Biker fährt mit einer Maschine aus Spandau vor. Denn die BMW-Maschinen, die dort gebaut werden, haben in Deutschland einen Marktanteil von rund 20 Prozent. Jetzt im Frühling arbeitet das Werk am Juliusturm auf Hochtouren. Es könnte dieses Jahr sogar einen neuen Absatzrekord erzielen.

Die einstige Industriemetropole Berlin hat seit der Wiedervereinigung einen dramatischen Niedergang erlebt, über 160000 Arbeitsplätze gingen verloren. Immerhin hat sich diese Entwicklung im vergangenen Jahr nicht fortgesetzt, das verarbeitende Gewerbe verzeichnete ein Plus von 1,7 Prozent. Berlins Wirtschaftsplaner hoffen, dass sich die Industrie nun gesundgeschrumpft hat. Viele der verbliebenen 100000 Industriearbeitsplätze in der Stadt sind hoch produktiv und wettbewerbsfähig. Das Beispiel BMW zeigt, wie Industrie auch in der Millionenstadt Berlin funktionieren kann.

Im ersten Quartal 2005 hat das Spandauer BMW-Werk 21300 Motorräder ausgeliefert. Das sind 18,8 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. „Die Verkaufszahlen zeigen, dass unsere Produktoffensive aufgegangen ist“, sagt Werksleiter Dieter Schliek. Vier neue Modelle hatte BMW im vergangenen Jahr vorgestellt. Dieses Jahr kommen fünf neue Maschinen auf den Markt. Verkaufsschlager ist derzeit die 11700 Euro teure Enduro R1200GS. Seit Jahresbeginn fanden sich bereits 6800 Liebhaber für das 98-PS-Kraftpaket.

Mit Blick auf das gute erste Quartal ist Schliek „vorsichtig optimistisch“, die Stückzahl von rund 92000 Maschinen der Vorjahre auf ein neues Rekordergebnis steigern zu können. Neben Motorrädern produziert das Berliner Werk auch Autoteile. So stammen etwa alle BMW-Bremsscheiben aus Spandau.

BMW war in den vergangenen Jahren einer der größten Investoren in der Hauptstadt. Über 150 Millionen Euro hat der Konzern seit 2001 in den Standort gesteckt, allein 117 Millionen Euro in die Modernisierung und Erweiterung des Motorradwerkes. Rund 300 zusätzliche Mitarbeiter hat BMW seitdem eingestellt. Insgesamt beschäftigt das Berliner Werk 2446 Mitarbeiter, darunter 84 Azubis. Zu den Erfolgsfaktoren zählt auch deren Flexibilität.

„Die Mitarbeiter wissen, dass sich im Winter fast niemand ein Motorrad kauft“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Volker Schmidt. „Deswegen gibt es auch wenig Probleme mit den unregelmäßigen Arbeitszeiten.“ Von Januar bis Juli werden im Motorradwerk zwei Acht-Stunden-Schichten geschoben, auch samstags wird gearbeitet. Ab August stehen die Arbeiter dann nur noch von Montag bis Donnerstag am Band. Im Jahresdurchschnitt kommen sie auf eine Arbeitszeit von 35 Wochenstunden.

Der Bau einer BMW-Maschine beginnt beim Händler. Hier stellt sich der Kunde sein Traum-Motorrad zusammen. BMW bietet drei Motorrad-Baureihen mit derzeit 15 Modellen an. Für jedes Modell gibt es zahlreiche Sonderausstattungen. Außerdem gibt es länderspezifische Ausstattungsvarianten, etwa für Beleuchtung, Abgasanlagen oder Armaturen. Dadurch gibt es mehrere tausend Varianten. Wie der Produktionsprozess auf diese Vielfalt eingestellt ist, sieht man etwa bei der Motorradmontage.

An den Haken der Elektrohängebahn schweben die einzelnen Motorrad-Skelette zu den Arbeitsstationen. Der Förderhaken informiert Maschinen und Mitarbeiter darüber, was an das jeweilige Motorrad montiert wird: welches Getriebe, welche Lampen, welche Armaturen. Dadurch ergeben sich für jedes Motorrad sehr unterschiedliche Arbeitsschritte. Für den Mitarbeiter bedeutet das: kein monotoner Fließbandjob, sondern abwechslungsreiche Präzisionsarbeit. „Die Facharbeiterquote von 97 Prozent ist die höchste in allen BMW-Werken“, sagt Werksleiter Schliek, der stolz ist, „eines der modernsten Motorradwerke der Welt“ zu leiten.

Schliek freut sich auf Juni, dann rast die neue K 1200 S auf die Straßen. Die Maschine mit 163 PS ist als „stärkster Roadster der Welt“ angekündigt und wird 13000 Euro kosten. So etwas braucht zwar niemand, heißt es in der Werbung, „aber wer will schon Niemand sein“. Abholen müssen sich die stolzen Besitzer ihre Maschinen beim Händler. Aber man denkt auch über eine zukünftige Direktabholung in Spandau nach. „Das könnte zum Beispiel für unsere Auslandskunden mit einem Reisepaket über Deutschlands schönste Landstraßen verbunden sein“, sagt BMW-Sprecher Dietmar Krohm. „Aber das ist noch Zukunftsmusik.“

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