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Berlin: Auf Wiedervorlage: Die Ideen des Jahres und was daraus wurde

Was Politiker in Berlin 2003 so alles angekündigt oder vorgeschlagen haben

Landesbranddirektor Albrecht Broemme hatte genug. Nach der Anhäufung von Böller-Bränden und schweren Verletzungen in der Silvesternacht 2002 forderte er ein Verbot von privatem Feuerwerk. Auch Innensenator Ehrhart Körting wollte zumindest besonders explosive Raketen und Böller verbannen. Aber die Initiative scheiterte im Abgeordnetenhaus. Große Pläne, minimale Ergebnisse: Im vergangenen Jahr gab es in der Landespolitik viel von beidem. Wir kontrastieren Vorschläge und Wirklichkeit, die manchmal doch arg auseinander klafften.

Allee der Demokraten

Inmitten der Debatte um die Ehrenbürgerwürde für Ernst Reuter war es, als SPD-Chef Peter Strieder im Juli vorschlug, im Tiergarten eine „Allee der Demokraten“ bauen. Dann könnten die Berliner an Denkmälern für die großen Gestalten der Nachkriegszeit vorbeiflanieren. An Ernst Reuter beispielsweise, Kurt Schumacher oder Louise Schroeder. Bisher treffen die Berliner im Tiergarten lediglich auf die Protagonisten preußischer Geschichte wie Bismarck, Roon und Moltke. Allerdings entstand Strieders Idee aus einer gewissen Verlegenheit heraus: Reuter selbst hatte festgelegt, dass die Ehrenbürgerwürde Berlins nur zu Lebzeiten verliehen werden kann. Strieders Alleenidee möchte sein Sprecher Hannes Hönemann heute auch als Denkanstoß verstanden wissen und ergänzt: „Konkret ist aus der Idee noch nichts geworden.“ Aus der Ehrenbürgerwürde für Ernst Reuter übrigens auch nicht.

Profiling für Sozialhilfeempfänger

Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) hatte im Sommer eine Idee. Berlins Sozialhilfeempfänger, zumindest die in der Altersgruppe zwischen 26 und 40, sollten sich in Zukunft flächendeckenden Tests unterziehen, um ihre Fähigkeiten und Schwächen zu definieren und damit ihre „Arbeitsmarktnähe“ besser einschätzen zu können. Profiling nennt man das, beginnen sollte es im Oktober 2003 mit zunächst 16000 Betroffenen. Kritiker warnten, dass so Sozialhilfeempfängern suggeriert werde, sie hätten eine Chance auf dem Arbeitsmarkt – was Knake-Werners Sprecherin wiederum zynisch fand. Inzwischen hat sich die Debatte erledigt. Durch die Haushaltssperre stehe für ein Profiling kein Geld mehr zur Verfügung, sagt Sprecherin Regina Kneiding.

Komplettumbau des Kreisels

Eine Top-Adresse sollte es nach der anstehenden Asbestsanierung mittels Totalentkernung werden, das bezirkseigene Bürohochhaus „Steglitzer Kreisel“. Herbert Weber (CDU), Bürgermeister von Steglitz-Zehlendorf, hatte das Projekt Ende 2002 so vorgestellt: Durch den Umbau könnte im Kreisel Fläche für 150 neue Arbeitsplätze entstehen, was den Verkauf anderer Verwaltungsgebäude des Bezirks ermöglichen würde. Durch den Verkauf wiederum könnte die Sanierung des 130-Meter-Turms teils finanziert werden – wobei der Senat trotzdem das meiste Geld beisteuern sollte. Genau das ist wohl der Grund, warum ein Jahr später noch nichts passiert ist. Derzeit laufe ein Wettbewerb um eine Machbarkeitsstudie, die nächsten Herbst vorgelegt werden soll, heißt es bei der Senatsbauverwaltung.

Feste Arbeit durch Serviceagenturen

Sie waren Teil der Hartz-Reform und sollen Arbeitsplätze schaffen, die „Personalserviceagenturen“ (PSA). Die Bilanz fällt nüchtern aus: Nur 2400 Arbeitslose stehen in Diensten der berlinweit 45 PSA. Die Serviceagenturen stellen Arbeitslose befristet ein und verleihen sie dann an Unternehmen, die einen vorübergehenden Mehrbedarf an Arbeitskräften haben. Dauerhafte Abwerbung als Übergang in den normalen Arbeitsmarkt ist ausdrücklich erwünscht, kommt aber kaum vor. „Der große Boom steht derzeit noch aus“, sagt Olaf Möller vom Landesarbeitsamt. „Auch wir sind von den Rahmenbedingungen des Arbeitsmarkts abhängig.“

Baustart für das Zoofenster

Wer am Bahnhof Zoo ankommt, könnte denken, in der City-West sei eine Bombe eingeschlagen. Ein riesiges Bauloch mit Zaun drumherum, das ist alles, was bislang von einem der ambitioniertesten Bauprojekte in der Stadt zu sehen ist. „Zoofenster“ heißt der Komplex, den eine Investorgruppe aus Köln dort errichten will, mit Büro-, Hotel- und Geschäftsflächen. Die Baugenehmigung liegt vor, dieses Jahr sollte es losgehen. Ist es aber nicht. „Dieses Loch ist natürlich misslich“, heißt es in der Bauverwaltung. „Doch wir werden warten müssen, bis der Bauträger Nutzer für das Gebäude findet.“

Ins Hundegesetz verbissen

Welcher Hund muss einen Maulkorb tragen und an der Leine gehen? Das soll in Berlin ein neues Hundegesetz regeln. Es gibt zwar schon eine Hundeverordnung mit Einschränkungen für Hunderassen, die als gefährlich gelten – aber diese Verordnung wäre juristisch kaum haltbar, sollten Kampfhundebesitzer vor Gericht dagegen klagen. Deshalb entschloss sich der Senat, die Verordnung in ein juristisch kratz- und beißfestes Gesetz umzuwandeln. Nach der Sommerpause 2003 wollte man es im Parlament verabschieden, ab Anfang 2004 sollte es in Kraft sein. Doch die Koalition stritt sich um Details, nun wurde der Entwurf erst am 11. Dezember ins Abgeordnetenhauses eingebracht – aber noch nicht einmal debattiert.

Die gute Nachricht am Schluss

Aber nicht jede Prognose verpuffte im Nichts. 9000 Berliner „Ich-AGs“ hatte das Landesarbeitsamt in Aussicht gestellt. Bei der „Ich-AG“ gibt es nur einen Beschäftigten: den Gründer selbst. Bis zu einem Jahreseinkommen von 25000 Euro gewährt das Arbeitsamt Zuschüsse, bis zu 600 Euro im Monat. Die aktuelle Statistik sieht nur auf den ersten Blick ernüchternd aus: 5973 Existenzgründer mit Zuschuss stehen da verzeichnet. Gleichzeitig nehmen aber auch Neu-Unternehmer das Überbrückungsgeld in Anspruch, das ihnen alternativ zur Ich-AG ebenfalls den Schritt in die Selbstständigkeit erleichtern soll. Insgesamt sind das über 5200, die man zu den „Ich-AGs“ dazu- und von der Zahl der Arbeitslosen abrechnen muss.

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