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Gruppenbild mit dem Regierendem. Klaus Wowereit posiert 2007 inmitten von Türkiyem-Spielern, dahinter ein BVG-Bus mit entsprechender Botschaft

© dpa

Aufsichtsrat tritt zurück: Homophobe Signale beim Vorzeigeverein Türkiyemspor?

Türkiyemspor gilt wegen seiner Haltung zu Homosexuellen als weltoffen, ein Team trägt das Logo des Lesben- und Schwulenverbands. Doch jetzt ist die Zusammenarbeit am Ende. Der Verein sende homophobe Signale, beklagt ein Aufsichtsrat – und tritt zurück.

Der Brief ist nur 13 Zeilen lang, aber mit ihm wird ein Projekt auf Eis gelegt, vielleicht sogar begraben. Damit könnte auch das Symbol verschwinden, dass ein türkischstämmiger Verein klar gegen Homophobie eintritt.

Die Kooperation von Türkiyemspor und dem Lesben- und Schwulenverband Berlin (LSVD) ist bisher ein einmaliges Projekt in Deutschland. Doch nun tritt Jörg Steinert, Geschäftsführer des LSVD, als Aufsichtsrat bei Türkiyemspor zurück. Auch aus dem Verein tritt er aus.

"Rückschrittliche Entwicklungen"

Steinert hat gestern einen Brief an seine Kollegen geschickt. Er schreibt: „Als Konsequenz der rückschrittlichen Entwicklung von Türkyemspor trete ich (...) zurück. Ich unterstütze keinen Verein, dessen Funktionsträger ein Team wegen dessen gesellschaftlichem Engagement aus dem Verein drängen wollen. Ich möchte auch keinem Kontrollgremium angehören, in dem es Mitglieder gibt, die Aufsichtsratsitzungen boykottieren, wenn diese in den Räumen des Lesben- und Schwulenverbands stattfinden.“

Die Botschaft ist klar: Ausgerechnet jener Verein, der seit 2006 mit organisierten Homosexuellen zusammenarbeitet, der sogar ein Team hat, das mit dem LSVD-Logo auf der Brust spielt, ausgerechnet dieser Verein sendet homophobe Signale. Das Team, das Steinert anspricht, ist das Freizeit-Herrenteam, das bis Ende der vergangenen Saison als dritte Mannschaft auftrat. Diese Mannschaft trägt das LSVD-Logo, diese Mannschaft hat der Türkiyemspor-Vorstand vor rund zwei Wochen, mitten in der Saison, vom Spielbetrieb abgemeldet. Ein Spieler wollte von Vorstandsmitglied Bülent Gündogdu die Gründe erfahren. Gündogdu, erklärte der Spieler dem Tagesspiegel, habe geantwortet: „Wir wollen nicht, dass der LSVD unkontrolliert Macht im Verein übernimmt. Außerdem gibt es Menschen, die Angst haben, dass sie oder ihre Kinder in der Kabine oder unter der Dusche küssende Männer sehen.“

Team kurzerhand abgemeldet

Der Vorstand hatte die Mannschaft zwar abgemeldet, doch der hochverschuldete Verein steht unter der Regie eines Insolvenzverwalters. Und der zog nicht mit. Die Mannschaft umfasst 37 Mitglieder, auf ihre Beiträge kann Türkiyemspor nicht verzichten. Also blieb das Team im Spielbetrieb. Es bestritt sein jüngstes Heimspiel allerdings unter kuriosen Bedingungen. Gastgeber und Gäste mussten sich im Gebüsch umziehen, weil der Klub keine Kabine bereitstellte.

Gündogdu, bei Türkiyemspor auch für den Spielbetrieb zuständig, bestreitet, dass Homophobie und Angst vor dem LSVD-Einfluss Grund für den Ausschluss gewesen seien. Vielmehr gehe es darum, „dass der Vorstand wissen muss, wo Türkyemspor als Verein auftritt, und dass einzelne Mitglieder nicht einfach Aktionen machen und den Verein repräsentieren können“. Auf die Frage, welche Aktionen gemeint sind, gab er keine konkrete Antwort. Stattdessen erklärte er, es gehe „ums Prinzip“. Zudem habe er den Satz mit den küssenden Männern „so nicht gesagt“. Bei Türkiyemspor sei die sexuelle Orientierung egal, „aber wir müssen auch Respekt vor Mitgliedern haben, vor ihrer Religion und ihren Vorstellungen“.

Für Steinert ist das alles nur das Ende einer Entwicklung. Bis 2013 hätten LSVD und Verein sehr gut zusammengearbeitet. „Beide haben davon profitiert. Wir wurden in der Community der Migranten gehört, und der Verein kämpfte gegen das Image der homophoben Türken“. Türkiyemspor wurde vom Deutschen Fußball-Bund und vom Berliner Fußballverband ausgezeichnet, Spieler von Türkiyemspor standen Model für Plakate des LSVD, sogar eine Podiumsdiskussion über Homophobie fand in den Vereinsräumen von Türkiyemspor statt. Und als die dritte Herrenmannschaft 2013 den LSVD als Trikotsponsor gewann, wurde das in ganz Deutschland beachtet. Für Ärger sorgte allerdings eine Mitteilung des Presseteams des Vereins, in der Klubchef Mete Sener mit dem Satz zitiert wird: Er freue sich über das neue Engagement. Das hatte Sener nie gesagt.

„Natürlich gab es auch Widerstände im Verein“, sagt Steinert, der 2012 in den Aufsichtsrat rückte. „Aber die Kooperation wurde nie in Frage gestellt.“ Doch seit der aktuelle Vorstand im Amt sei, seit 2013, stelle er eine beängstigende Entwicklung fest. Ein Funktionär habe ihm gesagt, „ihr passt nicht hierher“. Für Steinert ist es auch ein homophobes Signal, dass ein Mitglied des Aufsichtsrats stets gefehlt habe, wenn die Sitzungen im Büro des LSVD stattgefunden hätten. Das Aufsichtsrat-Mitglied Robert Schaddach bestätigte dem Tagesspiegel, dass ihm ein Aufsichtsrat erklärte habe: "Ich möchte nicht, dass man sieht, wie ich in die Räume des LSVD betrete." Den Namen des Aufsichtsrats nannte er nicht.

Kooperation ist beendet

„Die Kooperation in dem Sinne, wie sie mal gelebt wurde, ist beendet“, sagt Steinert. Es gebe sicher vieleMitglieder, die nach wie vor hinter dem Projekt stünden, aber er will jetzt ein Zeichen setzen. Gemeinsame Aktivitäten werde es mit diesem Vorstand nicht mehr geben. „Kein gemeinsames Fußballturnier, keine Repräsentationstermine mit dem Verein, keine neuen Plakate des LSVD mit dem Logo des Vereins.“

Die Freizeitmannschaft wird allerdings weiterhin das Logo des LSVD auf der Brust tragen. Vorerst jedenfalls. Ein Spieler des Teams ist freilich alarmiert. „Wenn es dem Vorstand doch gelingt, uns abzumelden“, sagt er, „fällt die Mannschaft auseinander.“ Dann wäre auch das Brust-Logo verschwunden.

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