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Harald Glööckler berief am Montag eine improvisierte Pressekonferenz in seinem Wohnzimmer ein. Journalisten und Kamerateams drängen sich um ihn. Nach einer Minute war alles vorbei.

© dpa

Auftritt Glööckler: Weder Koks noch Kokain

Der Modedesigner Harald Glööckler wehrt sich offensiv gegen Drogen-Vorwürfe. Die Berliner Staatsanwaltschaft bestätigt die Ermittlungen nicht.

Der Lift fährt bis zum 6. Stock, aber die Wohnung an der Ecke Friedrichstraße/Unter den Linden hat noch mindestens zwei Etagen mehr. Irgendwo oben hält sich Harald Glööckler auf, der in Berlin weltberühmte Mode- und Tapetendesigner, unten drängeln sich mindestens vier Dutzend Journalisten, Fotografen und Kameraleute, die von kräftigen Männern in schwarzen Anzügen portionsweise eingelassen wurden. Was sie sehen, übertrifft alle Erwartungen: Die prall mit glänzendem Silberspeck bespannten Sofas sind noch das Dezenteste im Raum. An den Wänden leuchten bunte Ölklecksgemälde dicht an dicht, und das Blumenbukett muss ein wahnsinniger Florist im Renaissance-Rausch entworfen haben – nach spätestens einer Stunde Exposition dürfte Augenkrebs drohen.

Doch Glööckler ist gnädig. Nur rund 15 Minuten nach dem angesetzten Beginn erscheint zunächst sein Rechtsanwalt Christian-Oliver Moser, erklärt, dass es sich bei ihm um den Rechtsanwalt Christian-Oliver Moser handele, und dass er eigens spontan aus dem Urlaub zurückgekehrt sei, um Folgendes mitzuteilen: Sein Mandant werde sogleich eine kurze Erklärung abgeben, aber keine Fragen beantworten und keine Interviews geben, er bitte um Verständnis. Schweres Geschütz.

Auftritt Glööckler. Im Rücken der Pressemeute schreitet er die Treppe herunter, perfekt kameratauglich hergerichtet, aber ganz in Weiß mit Goldknöpfen, also sehr dezent gekleidet für seine Verhältnisse. Nur die bunt gestreiften Stoffschuhe lassen das geschmackliche Potenzial des häufig sogenannten „Modezars“ durchblitzen. Langer Blick in die verschiedenen Kameraobjektive, dann ein einleitender Satz neben dem Protokoll, den der Anwalt vermutlich uneingeschränkt vertretbar findet: Er habe den Eindruck, sagt Glööckler, er solle das Sommerloch nun ganz allein füllen.

Dann die eigentliche Erklärung: „Ich habe in meinem Leben weder Koks berührt noch Kokain konsumiert noch Kokain gekauft noch Kokain verkauft.“ Eine Reporterin fragt Glööckler, ob er bereit sei, sich einem Test zu unterziehen, er antwortet nicht, wendet sich stattdessen den oben liegenden Gemächern zu, und nach einer Minute ist schon alles vorbei: Der Versuch offensiver Krisenkommunikation, unterbunden von einem vorsichtigen Anwalt, dessen Spezialität Medienrecht und nicht Strafverteidigung ist.

Hintergrund ist offenbar ein Gerichtsverfahren gegen zwei Drogendealer

Deshalb erhalten die Rechtsabteilungen der Berliner Verlage von ihm auch zeitgleich einen Hinweis per Mail: Man habe selbst keinerlei Kenntnis von irgendwelchen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, bestreite sämtliche Vorwürfe, die am Morgen in der Bild-Zeitung formuliert worden waren und behalte sich rechtliche Schritte „gegen jede Berichterstattung vor, die die Berichterstattung der Bild undistanziert übernimmt“.

Auch ein distanzierter Bericht über den Vorgang muss freilich erwähnen, was die Bild-Zeitung behauptet: dass Glööckler in einen „Kokainskandal“ verwickelt sei und dass gegen ihn wegen Kokainmissbrauchs ermittelt werde, weil ihn ein Zeuge belastet habe. Die Substanz dahinter scheint etwas dünn, die Berliner Staatsanwaltschaft mag sich überhaupt nicht äußern. Ihr Sprecher Martin Steltner sagt lediglich, dass kürzlich wegen möglichen Kokain-Konsums gegen rund 60 Verdächtige Ermittlungen eingeleitet worden seien, „mir ist aber nicht bekannt, dass Prominente Gegenstand von Ermittlungen sind“. Ein Teil dieser Verfahren sei überdies bereits eingestellt worden.

Hintergrund ist offenbar ein Gerichtsverfahren gegen zwei Berliner Drogendealer, das im Mai beendet wurde und in dem angeblich eine Kundenliste eine Rolle spielte. Die Dealer sollen nach Angaben von Gerichtssprecher Tobias Kaehne an eine Vielzahl von Abnehmern Drogen verkauft haben. „Das Urteil sagt aber nicht, dass in der Anklage genannte Personen tatsächlich Abnehmer waren“, betonte Kaehne, die Namen könnten auch falsch sein. In dem Prozess wurde seinen Angaben zufolge weder über die Abnehmer der Drogen gesprochen, noch seien dazu Zeugen gehört worden.

So oder so: Das Sommerloch-Potenzial der Story ist hoch. Und das medienkritische erst recht: Bewahrheitet sich hier wieder einmal der Satz von Springer-Chef Mathias Döpfner, wer mit der Bild-Zeitung im Aufzug nach oben fahre, der fahre mit ihr auch wieder nach unten? Glööckler hat es in einer Mitteilung seiner PR-Agentur am Morgen allgemein formuliert: „Irgendjemand möchte mich fertigmachen, ein Wettbewerber oder ein Neider, der es nicht ertragen kann, wenn jemand so einen großen Erfolg hat wie ich.“ (mit tabu)

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