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Berlin: Austrittswelle bei den Gewerkschaften

Hunderte Arbeitnehmer kehren ihren Verbänden den Rücken

Seit dem Tarifkompromiss vom Dienstag vergangener Woche schlägt den beteiligten Gewerkschaften die Wut ihrer Mitglieder entgegen. Hunderte Arbeitnehmer haben ihren Austritt aus den Gewerkschaften erklärt. Insbesondere die Beamten sind laut Deutschem Gewerkschaftbund (DGB) empört, weil sie sich gegenüber den Angestellten benachteiligt fühlen. Der DGB fordert deshalb ein Spitzentreffen mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Der Philologenverband warf Wowereit gestern „Wortbruch“ vor, weil die Arbeitszeit für Lehrer nicht zurückgenommen wird. Außerdem eskaliert die Auseinandersetzung zwischen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Lehrergewerkschaft GEW.

Im Kreuzfeuer der Kritik steht besonders die GEW, die in einer Tarifgemeinschaft mit Verdi und der Polizeigewerkschaft GdP die Verhandlungen mit dem Senat geführt hatte. Allein in den ersten drei Tagen nach dem Bekanntwerden des Tarifkompromisses hätten bereits Dutzende Lehrer ihre Mitgliedschaft gekündigt, berichtet Vorstandsmitglied Ilse Schaad. Allerdings fühlt sich die GEW zu Unrecht an den Pranger gestellt, da sie anders als Verdi darauf beharrt, dass es die ursprünglich vereinbarten 255 Neueinstellungen von Lehrern geben muss. Und sie hat diese Forderung auch bereits damit dokumentiert, dass sie ihr Veto gegen die Tarifeinigung eingelegt hat.

Es geht aber nicht nur um die Neueinstellungen. Der Streit zwischen Verdi und GEW erstreckt sich auch auf die Beamten. Denn die GEW verlangt, dass die Arbeitszeiterhöhung auch für die verbeamteten Lehrer zurückgenommen wird. Dies allerdings würde bedeuten, dass der Senat anderweitig sparen müsste, und zwar bei Angestellten und Arbeitern. Hier sieht Verdi 500 Stellen gefährdet. „Was man dem einen gibt, muss man woanders holen“, bringt es Verdi-Sprecher Andreas Splanemann auf den Punkt. Die GEW hält diese Argumentation für „unhaltbar“, so Ilse Schaad. Sie appelliert an Verdi und GdP, sich ihrer Forderung anzuschließen, damit die Tarifgemeinschaft nicht zerbricht.

Angesichts des zugespitzten Streits warnte Verdi-Verhandlungsführer Roland Tremper gegenüber der Nachrichtenagentur ddp vor einer Fortsetzung der öffentlichen Auseinandersetzungen um den Kompromiss. Unterschiedliche Auffassungen zu Einzelpunkten sollten intern geklärt werden, mahnte er. Der öffentliche Streit um Detailfragen schade dem Ansehen der Gewerkschaften. Die Tarifgemeinschaft von Verdi, GEW und GdP habe sich im monatelangen Tarifkonflikt mit dem rot-roten Senat bewährt. Aus Trempers Sicht gibt es derzeit keinen Grund, die Tarifgemeinschaft der Gewerkschaften in Frage zu stellen. Er halte eine Verständigung in strittigen Punkten durchaus für möglich. Auch Verdi und der Senat hätten noch Änderungsbedarf angemeldet. Das sei „ein ganz normaler Vorgang“.

Senat und Gewerkschaften hatten den Tarifkonflikt nach monatelangen Gesprächen vergangene Woche beigelegt. Beim Spitzengespräch mit Wowereit und Innensenator Ehrhart Körting (SPD) soll nach Angaben von DGB-Vizelandeschefs Bernd Rissmann darüber verhandelt werden, wie der Tarifabschluss „auch im Beamtenbereich vergleichbar umgesetzt werden kann“. Ziel sei, die „völlig auseinander driftenden Arbeitsbedingungen“ wieder zu vereinheitlichen. Es bestehe auch im Interesse der Bürger „dringender Handlungsbedarf“, betonte Rissmann.

GdP-Chef Eberhard Schönberg warnte gestern davor, die Tarifeinigung klein zu reden. Immerhin seien betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2009 ausgeschlossen.

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