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© Thilo Rückeis

Kreuzberg: Baustellentour auf der neuen ''Topographie des Terrors''

In knapp vier Wochen öffnet die neue "Topographie des Terrors". Bei einer Baustellentour zeigen sich die meisten Parlamentarier erfreut über das gute Ende einer unerfreulichen Geschichte.

Von Ferne sieht der von Eisenbahnschotter umgebene Flachbau mit der grauen Lamellenfassade profan aus wie ein Einkaufsmarkt. Aber bei genauerem Hinsehen spiegeln sich in Panoramascheiben hinter den Lamellen die Nachbarn des Neubaus der „Topographie des Terrors“: Martin-Gropius-Bau, Abgeordnetenhaus – und das Bundesfinanzministerium im Gebäude des Reichsluftfahrtministeriums an der Wilhelmstraße. „Man erkennt, dass die Terrorzentrale nicht irgendwo am Stadtrand versteckt war, sondern deutlich sichtbar mitten im Zentrum“, sagt Andreas Nachama. Der Geschäftsführende Direktor der Stiftung Topographie des Terrors erwartet an diesem Montagmittag den Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses samt Klaus Wowereit und Kulturstaatssekretär André Schmitz zum Rundgang. Am 6. Mai soll das Ausstellungs- und Besucherzentrum auf dem Gelände der früheren Gestapo-Zentrale feierlich eröffnet werden. Tags darauf dürfen alle hinein.

Beim Rundgang wird schnell klar, dass hier das gute Ende einer unerfreulichen Geschichte zu sehen ist. Das Foyer des Gebäudes wirkt nüchtern, aber großzügig und überraschend hell. Der quadratische Lichthof in der Gebäudemitte lässt reichlich Sonnenlicht hinein. Anthrazitfarbene Bodenfliesen kontrastieren mit dem Weiß von Empfangstresen, Garderobe und Wänden. Trotz der Lamellenfassade lässt sich ungehindert nach draußen blicken, wo ein Kran die Glasdachteile für den Ausstellungsgraben ablädt. Von August an sollen dort, direkt hinter dem Mauerrest an der Niederkirchnerstraße, vor allem Berlin-Bilder aus der Nazizeit gezeigt werden. Der Graben bildet den Anfang eines Rundgangs mit 15 Stationen, der die Geschichte des Ortes auch nach 1945 zeigt, als hier Schutt recycelt und Autofahren ohne Führerschein geübt werden konnte.

Drinnen hat die von Fotos dominierte Ausstellung im Erdgeschoss den meisten Platz. Weiße Trägerelemente mit Fotos hängen an Seilen von der Decke. Nachama beschreibt den geplanten Charakter: Nicht nur die Opfer sollen gezeigt werden, sondern auch die Täter – und der Weg, der sie zu Staatsverbrechern werden ließ. „Eine zu große Ballung an grausamen Bildern“ verschrecke die Leute, sagt Nachama. Statt auf die ohnehin schlimme Geschichte optisch „noch eins draufzusetzen“, wolle man zeigen, wie eine – wenn auch angeschlagene – Demokratie wie die Weimarer Republik binnen weniger Monate zum gleichgeschalteten Nazistaat mutieren könne.

Der Konferenzraum mit 199 Plätzen im hinteren Bereich des Flachbaus bietet einen Blick auf das Robinienwäldchen und jenen Geländeteil, der einst „Harrys Autodrom“ war. Erst 1987 hatten sich engagierte Berliner der Geschichte des Ortes angenommen. Fünf Jahre später wurden die Stiftung gegründet und der Bau eines Dokumentationszentrums beschlossen. Weitere zwölf Jahre später, im Mai 2004, beschlossen Bund und Land, die Treppentürme des ebenso unbaubaren wie unbezahlbaren Konstrukts des Architekten Peter Zumthor abzureißen und das Projekt neu auszuschreiben. Was die Berliner Architektin Ursula Wilms dann entwarf, wird offenbar pünktlich fertig, zum vereinbarten Preis von rund 20 Millionen Euro.

Ein Treppenhaus aus Sichtbeton führt ins Untergeschoss. Durch den Lichthof schafft es die Sonne bis hierher, wo Seminarräume und eine Bibliothek mit 25 000 Bänden und Platz für etwa zwei Schulklassen eingerichtet werden.

Nach der Tour sind die meisten zufrieden: Unauffällig, berechtigterweise schroff und angemessen nüchtern wirke der Bau, lobt Wowereit. CDU-Politiker Uwe Lehmann-Brauns fragt, ob man bei all dem Grau nicht mehr Natur zulassen sollte, die Grünen finden das Wasserbecken im Lichthof etwas beliebig. Kleinigkeiten also. Nachama, der jahrelang meist schlechte Nachrichten für die Abgeordneten hatte, sagt: „Freut mich, dass wir heute hier stehen.“ Stefan Jacobs

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