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Die Flugrouten sind amtlich.

© dpa

BBI Flugrouten: Feiern, schimpfen, klagen - alles zu den neuen Routen

Einige Gemeinden haben Glück gehabt, andere wollen wieder vor Gericht ziehen. Doch an den feststehenden Routen für den künftigen Flughafen wird sich nicht mehr viel ändern.

Mit dem Finger zieht Thomas Kärger auf der Vorlage die beschlossenen Flugrouten am künftigen Flughafen Berlin Brandenburg in Schönefeld nach. Dann ist er zufrieden: „Alles fliegbar“, sagt der Air-Berlin-Pilot, der auch Vorsitzender des Pilot/Controller Clubs Berlin-Brandenburg ist und sich am Himmel über der Stadt bestens auskennt. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung hat die Routen jetzt amtlich festgelegt und am Donnerstag wie angekündigt vorgestellt. Obwohl die künftigen Flugverläufe schon vorher bekannt geworden waren, fand sich während der Präsentation nur eine Handvoll Demonstranten ein.

Reaktionen

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) forderte, die Flugrouten nun als Kompromiss zu akzeptieren. Von der Flughafengesellschaft erwarte er, dass sie „positiv auf die Menschen zugeht im Sinne eines aktiven Lärm- und Umweltschutzes“, wie er im Parlament sagte. Dabei könnten nicht alle Anwohner zufriedengestellt werden, erklärte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Umso wichtiger sei es, den Lärmschutz „in voller Kraft unbürokratisch und auch in Grenzfällen im Sinne der Betroffenen umzusetzen.“ Hier gibt es, wie berichtet, einen Streit zwischen der Landesregierung und der Flughafengesellschaft, die den Lärmschutz großzügiger auslegt als die Regierung.

Die Anwohner würden durch ein umfangreiches Schallschutzprogramm geschützt, teilte die Flughafengesellschaft nach der Festlegung der Routen mit. Flughafenchef Rainer Schwarz kündigte an, dass „Optimierungspotenziale bei den Routen durch die Erfahrungen des realen Flugbetriebs“ entwickelt werden sollen. „Wo immer es im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben ging, sind DFS und BAF auf die Wünsche der Anwohner eingegangen“, erklärte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Die Routen seien nicht in Beton gegossen.

Dass sich noch viel ändern lässt, glaubt der Direktor des Bundesamtes, Nikolaus Hermann, nicht. „Alternativen, die insbesondere hinsichtlich der Lärmbelastungen vorzugswürdig wären, drängen sich nicht auf“, lautet das Fazit in dem 83-seitigen Bescheid zur Festlegung der Routen.

Müggelsee

Damit bleibt es sehr wahrscheinlich auch beim besonders umstrittenen Überfliegen des Müggelsees bei Starts von der Nordbahn bei Ostwind. Ein Geradeausflug würde die Bewohner von Müggelheim und auch Erkner unzumutbar belasten, weil sie bereits Landeanflüge ertragen müssten, sagte Hermann. Dass das Erholungsgebiet am Müggelsee bei Ostwind mit meist schönen Tagen überflogen werde, sei allerdings „misslich“. Ostwind weht an rund einem Drittel der Tage im Jahr. Die auch von der Berliner Gesundheitsverwaltung vorgeschlagene Alternativroute über das Naturschutzgebiet an den Gosener Wiesen lasse sich mit dem genehmigten Betriebskonzept des Flughafens, das parallele Starts vorsieht, nicht vereinbaren. Man werde aber prüfen, ob dieser Kurs als Ergänzungsstrecke aufgenommen werden könne.

Zeuthen

Zuversichtlich ist Hermann, dass bei Starts Richtung Osten von der Südbahn die vorgesehene Kurve vor Zeuthen geflogen werden kann. Dies sei mit den derzeit meist eingesetzten Kurzstreckenmaschinen möglich, bestätigte auch Kärger dem Tagesspiegel. Mit dem Kurvenflug werden Flüge über dem Zentrum von Zeuthen bis auf wenige Ausnahmen bei größeren Flugzeugen vermieden.

Blankenfelde-Mahlow

Den vollen Krach unmittelbar nach dem Start und kurz vor der Landung bekommen die Bewohner von Blankenfelde- Mahlow und Bohnsdorf ab. Bürgermeister Ortwin Baier sagte, das könne und werde die Gemeinde nicht hinnehmen. Viel Spielraum für Veränderungen gebe es hier nicht, machte Hermann deutlich. Prüfen müsse man, ob es möglich ist, bei Starts wenigstens einen Teil der Flüge nördlich an Mahlow vorbeizuführen. Dies gehe derzeit nicht, weil für diese Route die Bodennavigationsgeräte fehlten. Eine Route über den nördlichen Teil von Mahlow hatte die Deutsche Flugsicherung ursprünglich auch vorgesehen. Die Navigationsgeräte wären dann angeschafft worden, sagte Sprecherin Kristina Kelek. Nach heftigen Protesten von Lichtenrade bis Wannsee, über die die Flugzeuge in relativ geringer Höhe hinweggedonnert wären, war dieser Vorschlag aber zurückgezogen worden.

Südwesten

Der Südwesten der Region wird trotzdem überflogen. Weil die Piloten ab einer Höhe von 5000 Fuß (etwa 1,5 Kilometer) die vorgegebene Route verlassen können, wenn der Lotse zustimmt, wird der Bereich Stahnsdorf, Teltow, Kleinmachnow, Lichterfelde, Steglitz und Zehlendorf an Tagen mit Westwind fächerförmig überquert. Nur über dem Wannsee müssen die Maschinen dabei eine Höhe von 8000 Fuß erreicht haben. Aus dem Südwesten kamen deshalb am Donnerstag auch besonders viele Proteste von Initiativen gegen den Fluglärm.

Rangsdorf

Eine kleine Entlastung sieht Hermann durch die gewählte Route von der Südbahn bei Starts nach Westen, weil sie nach dem Start abknickt und so nur den südlichen Bereich von Blankenfelde überqueren muss. Allerdings führt die Strecke dann am Rangsdorfer See mit dem Vogelschutzgebiet vorbei.

Praxistest

Sofort nach der Aufnahme des Flugbetriebs am 3. Juni würden Lärmmessungen vorgenommen, sagte Hermann weiter. Die Modalitäten müsse die Fluglärmkommission festsetzen, die am Montag wieder tagt. Nach einem halben oder spätestens einem Jahr soll dann entschieden werden, ob die Routen angepasst werden müssen. Große Routenänderungen seien bisher selten vorgenommen worden, sagten Kelek und Kärger übereinstimmend. Grundsätzliche Änderungen wie 2010 über New York, wo das Stadtgebiet seither häufiger überflogen werde, seien Ausnahmen, sagte Kärger. Große Änderungen gebe es meist nur, wenn sich baulich am Boden etwas tut: wie beim Bau der neuen Landebahn am Flughafen Frankfurt/Main, die im vergangenen Oktober eröffnet worden ist. Seither tobt auch am Main ein heftiger Streit um die Flugrouten. Dort habe die Flugsicherung durch eine betriebliche Anordnung inzwischen erreicht, dass die Piloten „spurtreuer“ fliegen, sagte Kelek. Gegen die Routen will unter anderem das Land Rheinland-Pfalz klagen.

Klagen

Auch für die Routen am künftigen Flughafen in Schönefeld haben Kommunen und Initiativen bereits angekündigt, vor Gericht ziehen zu wollen. Hermann sieht dem gelassen entgegen. Die Erfolgsaussichten seien äußerst gering, sagte er. Wenn er Zweifel hätte, hätte er die Routen nicht so festgelegt und vorgestellt.

Der Bericht ist im Internet unter www.baf.bund.de zu finden.

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