zum Hauptinhalt
Die siebenköpfige Delegation der japanischen Heeres-Zentralband

© Promo

Japanisches Ensemble in Berlin: Beethovens Neunte auf der Spree

In Japan ist Beethovens Neunte Kult. Zum ersten Mal spielten die Sinfonie dort 1918 deutsche Kriegsgefangene. Daran wollen die Japaner am 1. Juni in Berlin klangvoll erinnern.

Nein, Daiku ist keine neue Automarke aus Japan, sondern heißt schlicht weg „die Neunte“. Beethovens Neunte Sinfonie ist Kult in Japan, sie ist fester Bestandteil des japanischen Kulturlebens. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Japans Premierminister Shinzo Abe haben im Februar dieses Jahres beschlossen, unter dem Logo „Daiku 2018“ den bilateralen Austausch zwischen beiden Ländern zu feiern und zu fördern.

Als die Japaner im Ersten Weltkrieg als Verbündete Großbritanniens 1914 die deutsche Kolonie Tsingtau in China einnahmen, nahmen sie rund 5000 Gefangene. 4700 Gefangene wurden daraufhin nach Japan gebracht, etwa 1000 von ihnen 1917 in das Lager Bando auf der Insel Shikoku. Die Japaner hatten gerade Bando als Musterlager angelegt. Es fehlte den Gefangenen an nichts, es erschien wöchentlich die professionell gestaltete Lagerzeitung „Die Baracke“, es gab eine Ladenstraße, eine Druckerei und natürlich viel Musik. Der Lagerleiter, Tyohisa Matsue, setzte sich dafür ein, dass die Gefangenen Kontakt zur lokalen Bevölkerung hatten und dass sie anständig behandelt wurden. Er fühlte sich dem Kodex der Samurai verpflichtet, den Feind mit Respekt zu behandeln.

Das Tokushima Orchester und Chor in im Kriegsgefangenenlager Bando, 1918.

© Beethoven-Haus Bonn

Musik war eine Stärke des Lagers

Eine Stärke des Lagers war zweifellos die Musik. Paul Engel leitete ein Orchester, und Hermann Hansen dirigierte das Tokushima-Orchester. Es gab weitere Orchester, Chöre und Blaskapellen. Unter den damaligen Verhältnissen war das in einem japanischen Kriegsgefangenenlager kein einfaches Unterfangen. Da die deutschen Gefangenen, als sie im April 1917 nach Bando kamen, so gut und freundlich empfangen wurden – immerhin hatte Kaiser Taisho jedem Gefangenen einen „home-made“ Kuchen zukommen lassen –, revanchierten sie sich am 1. Juni 1918 mit einer Aufführung der Neunten Sinfonie von Beethoven mit Orchester und Chor.

Die deutschen Gefangenen hatten im Lager Bando ein realtiv komfortables Leben. Hier das Tokushima Orchester in Bando, 1918.

© Beethoven-Haus Bonn

Die Deutschen hätten „auf allen möglichen und unmöglichen Instrumenten“ gespielt. Die Soldaten sangen im Chor „Freude, schöner Götterfunken“, schrieb der Direktor des Japanischen Kulturinstituts Takashi Oshio 1984. Durch diese asiatische Uraufführung der Neunten sei diese Sinfonie fast zu einem eigenen Kulturgut der Japaner geworden. Allein in jenem Jahr 1984 sei das Werk 360 Mal in Japan gespielt worden. Diese Musik muss die Japaner, die in Bando zuvor noch nie einen Europäer gesehen hatten, tief berührt haben. Dass 1918 Kriegsgefangene „Alle Menschen werden Brüder“ sangen, konnten die Japaner nicht verstehen, aber es gibt der Urauffühung am Ende eines Weltkrieges eine besondere Bedeutung. „Deutsche Musik ist für die Japaner ,die Musik‘, weil sie Tiefe, Treue, Lebensfreude und auch ein wenig Wehmut ausstrahlt“, schrieb Oshio.

Die Neunte ist in Japan Kult

Bando war traditionell ein Ort, an dem eine besondere Gastfreundschaft gepflegt wurde, da dieser Ort die erste Station auf der Pilgerreise von Shikoku war. Schnell verloren die Einheimischen die Scheu vor den Fremden. Als das Lager 1920 geschlossen wurde, blieben einige Deutsche in Japan.

Heute ist die Neunte in Japan Kult. Alljährlich finden im Dezember in Osaka große Konzerte mit mehr als 10 000 Zuhörern statt, in deren Mitte das Orchester spielt und am Ende alle Zuhörer lautstark mitsingen, erzählt der Gesandte der japanischen Botschaft, Kiminori Iwama. „Japaner lernen das schon in der Schule“, sagt er.

Die Konzerte des Tokushima-Orchesters in Bando waren bei den Japanern sehr beliebt. Deutsche Musiker gaben Japanern auch Musikunterricht.

© Beethoven Haus Bonn

In Japan hat eine Bürgerin von Naruto, Harue Takahashi, den Gedenkstein für die Toten von Bando gefunden und gepflegt. Ihr ist es zu verdanken, dass Naruto die Tradition des „Daiku“ pflegt und heute ein neues Deutsches Haus von dem Lager Bando und der verbindenden Kraft der Musik erzählt.

In diesem Jubiläumsjahr möchte die japanische Botschaft etwas zurückgeben. Am 1. Juni wird ein Ensemble der japanischen Heeres-Zentralband nach Berlin kommen und mittags mit Musikern des Stabsmusikkorps der Bundeswehr vor geladenen Gästen in der Residenz des japanischen Botschafters ein Konzert geben. „Wir haben eine Heeresband ausgewählt, weil es damals auch Soldaten waren, die das Stück gespielt hatten“, erklärt Iwama.

Für die Berliner begeben sich beide Ensembles um 15.30 Uhr nördlich des Reichstages auf ein Schiff der Bundesmarine und werden ein wenig auf der Spree schippern, um die Neunte unter freiem Himmel bei freiem Eintritt zu spielen. Wer zuhören und mitsingen will, ist ans Spreeufer eingeladen.

Weitere „Überraschungskonzerte“ sind geplant, die Orte werden aus organisatorischen Gründen nicht genauer bekannt gegeben. Wer sich im Zentrum aufhält, wird vielleicht die japanischen Musiker zu hören bekommen, wie sie „Alle Menschen werden Brüder“ spielen. Am 2. Juni wird die japanische Kapelle übrigens um 16.30 Uhr vor dem Bach-Museum in Leipzig auftreten. Am 3. Juni findet dann das Jubiläumskonzert in Naruto statt, zu dem Sänger aus China, Deutschland, den USA und Japan gemeinsam musizieren werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false