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Berlin: Beim glamourösen Fest gab es auch eine Hommage an den Glanz des alten West-Berlins

Es ist eben doch die ewige Sehnsucht nach dem großen Vorbild der Oscar-Nacht, die das Urteil der Schönen des Bildschirms und der Leinwand bestimmt. Dem kam die Verleihung der Goldenen Kamera im Schauspielhaus vergleichsweise näher als andere Preisverleihungen mit ähnlichem Anspruch.

Es ist eben doch die ewige Sehnsucht nach dem großen Vorbild der Oscar-Nacht, die das Urteil der Schönen des Bildschirms und der Leinwand bestimmt. Dem kam die Verleihung der Goldenen Kamera im Schauspielhaus vergleichsweise näher als andere Preisverleihungen mit ähnlichem Anspruch. Wobei von Amerikanern bevorzugte Unterhaltungselemente wie Witz und Rührung am heftigsten applaudiert wurden. Anders als bei den Oscars wissen die allermeisten Preisträger schon, dass sie auserwählt sind. Ausnahme: die junge Laura Tonke, die auch prompt in Tränen ausbrach und ihrem Papa dankte und ihrem Regisseur versicherte, dass sie ihn liebe, "aber nur platonisch". Da kannte das Publikum, das ja überwiegend aus arrivierten Fernsehstars bestand, kein Halten mehr, sowas kommt ebenso an, wie die Witze des Komödianten Bastian Pastewka oder die kessen Sprüche der Popgruppe Echt ("Ich danke meiner Oma und meinem Opa, dass sie mir überhaupt erst erklärt haben, was die Goldene Kamera ist").

Die Goldene Kamera ist einerseits ein Quotenrenner im Fernsehen (demnächst im ZDF zu besichtigen), andererseits eine Herausforderung für Moderatoren (in diesem Fall Ulla Kock am Brink, schmal pailletiert), weil die ganze Branche versammelt da sitzt und kritisch guckt. Da gibt es mitfühlende Herzen, wie das der Maria von Welser, die freimütig bekannte, dass sie lieber elf Stunden live auf Sendung ist, als diese 90 Minuten zu ertragen. Aber es gibt in den Reihen natürlich auch viel Getuschel und Bemerkungen, die man eher von unartigen Schulkindern erwarten würde, als von prachtvoll gestylten Glitzer-Stars. Spitze Bemerkungen über hübsche Dekolletés und gutgeschnittene Männer sollen wahrscheinlich ausdrücken, dass die, die sie äußern, auch recht sexy sind.

Der gastgebende Chefredakteur der Fernsehzeitschrift "Hör Zu" jedenfalls bekräftigte den Anspruch seines Blattes "Zentralorgan gegen die Trivialisierung des Fernsehens" sein zu wollen. Kulturpreisträger Marcel Reich-Ranicki erinnerte daran, wie er mit 16 seine schönsten Stunden in eben diesem Schauspielhaus verbrachte, als Gründgens den Mephisto gab, und wie er sich nicht hätte träumen lassen, mit fast 80 selbst hier auf der Bühne zu stehen. Laudator Giovanni di Lorenzo bescheinigte ihm, aus Zuschauern Leser zu machen. Mehr Einsatz gegen Trivialisierung ist ja kaum denkbar. Großen Applaus gab es auch für Herlinde Koelbl, die den Spuren der Macht gefolgt ist. Wer Rang und Namen in der Fernsehwelt hat, muss dabei sein, schon um Rang und Namen zu behalten. Unter den Preisträgern medienübergreifende Stars wie Sophie Marceau, George Clooney, Wim Wenders und Sabrina Setlur, unter den Laudatoren unter anderem Inge Meysel und Bono.

Aber erst, als der Ehrenpreis Berlin verliehen wurde, kam es zu stehenden Ovationen. Später, bei frischem Spargel und Hummergarnelen räsonnierten manche Gäste darüber, warum die Preisträger wohl alle aus dem Westen kamen. Ausgezeichnet wurden Artur Brauner, Edith Hancke, Marianne Hoppe, Harald Juhnke, Hildegard Knef, die wegen Krankheit nicht kommen konnte, René Kollo, Paul Kuhn, Evelyn Künneke, Günter Lamprecht, Brigitte Mira, Günter Pfitzmann, Wolfgang Rademann, Volker Schlöndorff, Wolfgang Spier, Helen Vita und Horst Wendlandt. Vielleicht war die Kombination von Eberhard Diepgen als Laudator und den Schöneberger Sängerknaben fürs Ehrenständchen ein bisschen dick aufgetragen, aber sie machte deutlich, was wahrscheinlich gemeint war: Eine Verbeugung vor all jenen, die in den dunkelsten Tagen der einstigen Frontstadt West-Berlin die Treue gehalten haben und Glanz erzeugten, der über die Grenzen hinausstrahlte. Dies jetzt zu tun, wo die Stadt in ihrer Strahlkraft an die 20er Jahre anknüpft, ist auf jeden Fall freundlich, und auch ein Ehrenoscar trifft nicht immer die Jüngsten. Das neue Berlin wird hoffentlich noch viele Chancen haben, goldene Kameras zu bekommen.

Schade, dass so etwas nicht an einem lauen Frühlingsabend stattfindet. Wieviel besser kämen die phantasievollen Abendkleider und die unzähligen Lächelvarianten auf dem endlosen roten Teppich zur Geltung. Damit sich jeder richtig in Szene setzen und trotzdem eine gute Zeit haben kann, muss so etwas perfekt vorbereitet und organisiert sein, was, bei allem zwischenzeitlichen Gequetsche in den Foyers, gut gelungen war. Dass die Stadt dringend so ein Schauspielhaus in dreimal so groß brauchen könnte, dafür wurden bei dieser Verleihung weitere gute Gründe sichtbar. Die Stars der Zukunft werden schneller von der Zeit überholt werden, lautete eine Prophezeiung in den Festreden. Die Schlacht um die Sehminuten der Zuschauer werde härter. Wenn gleichzeitig der Bedarf am schönen Schein wächst und an der Vermittlung desselben, dann muss es Orte geben, an denen man dies (und anderes) in noch größerem, aber nicht weniger festlichen Rahmen in Szene setzen kann.

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