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Berlin: Benzinproteste: Tonnenschwere Schleicher legen Verkehr lahm

Dichte Diesel-Rauchfahnen werden am 26. September durch das Regierungsviertel ziehen.

Dichte Diesel-Rauchfahnen werden am 26. September durch das Regierungsviertel ziehen. Berliner und brandenburgische Autofahrer sollten sich wappnen: Die Protestaktionen des deutschen Speditionsgewerbes gegen die Treibstoffpreise werden in der Stadt und ringsum zu langen Staus auf den Straßen führen. Zwar haben die Spitzenorganisationen des Gewerbes ihre Mitglieder vor Blockadeaktionen gewarnt. Neben ihrer Berliner Demonstration gegen die Bundesregierung haben die Lkw-Fahrer aber auch eine Langsam-Fahraktion angekündigt: Tempo 60 auf Autobahnen, 50 auf Bundesstraßen und 30 in geschlossenen Ortschaften. Die deutschen Autofahrer müssen sich also darauf einrichten, hinter vorsätzlich schleichenden Lastwagen herzuckeln zu müssen.

Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung will das als "Feldversuch" zur Energieeinsparung verstanden wissen und beruft sich ironisch auf Sparvorschläge des Bundesumwelt-, des Verkehrs- und des Wirtschaftsministers. Geplant ist die Langsam-Aktion für den 26. September von 12 bis 16 Uhr. "Sollten sich hieraus noch keine verwertbaren Erkenntnisse ergeben, könnte der Feldversuch zur Energieeinsparung wiederholt oder auch längerfristig fortgesetzt werden", heißt es weiter. Das Ergebnis ist allerdings physikalisch und psychologisch jetzt schon absehbar: Der Diesel-Verbrauch der beteiligten Lkw wird sinken, der Stress auf den Straßen steigen.

Gezielte Blockadeaktionen nach belgischem, französischem oder englischem Muster lehnt der Speditionsverband allerdings unter Hinweis auf die deutsche Rechtsprechung aber ab, wie der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Adolf Zobel in Frankfurt (Main) gestern dem Tagesspiegel sagte. Gemeint ist damit die Rechtsprechung zum Nötigungsparagraphen des Strafgesetzbuches: "Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Ob auch vorsätzliches Langsamfahren eine Nötigung sein kann, ist unklar. Der Berliner Verkehrsrichter Urban Sandherr meinte gestern: Nein. Es dürfte an der "Verwerflichkeit" der Tat fehlen, die das Strafgesetzbuch voraussetzt. Selbst der ADAC in München, der unverdächtig ist, etwa nicht mit den Lkw-Fahrern und dem Protest gegen die Treibstoffpreise zu sympathisieren, hält Protest-Langsamfahren allerdings für einen Verstoß gegen Paragraph 1 der Straßenverkehrsordnung: "Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird." Die Berliner Polizei hielt sich gestern völlig bedeckt und lehnte jede Stellungnahme ab.

Wie viele Lkw am 26. September durch die Stadt donnern werden, scheint unklar. Adolf Zobel in Frankfurt wollte keine Zahl nennen. Sein Verband organisiert 12 000 Unternehmen, der daneben bestehende Bundesverband Spedition weitere 3500. Allein der Verband der Spediteure in Berlin und Brandenburg rechnet aber mit mehreren hundert Lkw, wie sein Geschäftsführer Gerhard Ostwald gestern sagte, "der Verkehr in der Stadt wird stark behindert werden".

Eine Demonstrationslast, die Berlin als Hauptstadt noch öfter wird tragen müssen. Das Transportgewerbe fordert die Aussetzung der dritten Stufe der Ökosteuer und verlangt eine Harmonisierung der Kfz- und Mineralölsteuer "nahe dem europäischen Mindestniveau". Dazu soll dem Bundestagspräsidenten am 26. September eine Resolution überrreicht werden. Offenbar meinen die Spediteure, Wolfgang Thierse könne den Bundestag gegen die Bundesregierung mobilisieren.

Hans Toeppen

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