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Berlin: "Berlin Babylon": Einstürzende Altbauten

Der Berliner Regisseur Hubertus Siegert ist ein zurückhaltender Mensch. Polemik ist nicht seine Sache.

Der Berliner Regisseur Hubertus Siegert ist ein zurückhaltender Mensch. Polemik ist nicht seine Sache. Deswegen überlässt der Dokumentarfilmer es dem Sänger Blixa Bargeld, in seinem auf der Berlinale gezeigten Film "Berlin Babylon" ein bissiges Urteil über das Neue Berlin zu fällen: "Architektur ist Geiselnahme", singt der Frontmann der "Einstürzenden Neubauten", während die Kamera langsam an den Baustellen zwischen Brandenburger Tor und Fernsehturm vorbeischwebt.

Ansonsten setzt der 41-jährige Siegert in seinem 90-Minuten-Essay ganz auf die Kraft weitgehend unkommentierter Aufnahmen. Zu Wort kommen lediglich Architekten und Baubürokraten bei der Arbeit. Das Urteil im Kopf des Zuschauers fällt dabei allerdings nicht weniger kritisch aus als das von Sänger Bargeld: Siegerts subtiler Zynismus, befand ein Kritiker, offenbare die Mittelmäßigkeit der Geister, die der Stadt nach dem Mauerfall ihren Stempel aufdrückten.

"Ich will die Zuschauer sensibilisieren für die Veränderung der Stadt und ihnen zeigen, welche Typen von Menschen hinter dieser Veränderung stehen", beschreibt Siegert sein Anliegen. Ein abschließendes Urteil will der diplomierte Landschaftsplaner, der vor zwanzig Jahren aus Düsseldorf nach Berlin kam, aber nicht fällen. "Der Film ist so offen montiert, dass er viele unterschiedliche Perspektiven zulässt." Wie ein moderner Ethnologe will er die Mentalität beschreiben, die hinter den architektonischen Umwälzungen zwischen Potsdamer Platz und Alexanderplatz steht. Und er will Zweifel am griffigen Werbeslogan vom Neuen Berlin säen, "das Licht der Aufklärung gegen das Licht des Stadt-Marketings setzen", wie er sagt.

In 23 Szenen nähert sich Siegert elf berühmten Architekten, von Hans Kollhoff über I.M. Pei und Axel Schultes bis zu Renzo Piano. Daneben treten Bauherren, Politiker und Beamte in Nebenrollen auf. Zurückhaltend beobachtet Siegert sie auf Baustellen und Ortsbesichtigungen, dokumentiert ihre kleinen Eitelkeiten und Macken. Und der Zuschauer ist verblüfft, wie durchschnittlich und simpel die hochgelobten Baumeister der Metropole im Alltag erscheinen.

Gefilmt wurde die Langzeitstudie zwischen 1996 und 1999, angereichert mit Archivmaterial aus der Nachkriegszeit. Finanziert hat Siegert, der vom Filmemachen lebt, das 1,3-Millionen-Mark-Projekt weitgehend auf eigene Faust, 145 000 Mark kamen von der Filmförderung.

Die größte Sünde der neuen Berliner Innenstadt, auf die auch der Titel des Films anspielt, ist für Siegert "die Verbindung von Abrisswut und Vollendungssehnsucht". "Wer Altes abreißt, muss sich vorher fragen, was er Besseres, Neues hinstellen will", sagt er. "Das wird in Berlin oft zu leichtfertig beantwortet." Außerdem werde immer noch jede Baulücke als Aufforderung gesehen, sie durch ein Gebäude aufzufüllen. Siegert hingegen, der mit seiner Frau und seinem elfmonatigen Sohn in der Marienstraße in Mitte wohnt, wünscht sich, dass "das Vorhandene, Leere, Karge, Graue, Altmodische öfter als Realität akzeptiert und nicht immer eilig beseitigt wird".

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