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Berlin: Berlin hat nur noch 22 Lehrer in Reserve

Unruhe in den Schulen: Im kommenden Schuljahr könnte der Unterrichtsausfall zunehmen.

Berlins Schulen steuern auf ein spannendes neues Schuljahr zu. Erstmals werden sie praktisch keine eigenen festen Vertretungslehrer mehr haben. Nach aktuellen Berechnungen der Senatsverwaltung für Bildung gibt es dann in ganz Berlin nur noch 22 Reservekräfte.

Dass die Schulen keine eigenen Vertretungsreserven mehr haben, kommt allerdings nicht überraschend, sondern war so vom Senat beabsichtigt. Wie berichtet, bekommen die Schulen nach den Ferien eigene Budgets, um selbst Vertretungskräfte einstellen zu können. Rund die Hälfte der Schulen habe sich für diese Budgets entscheiden, bestätigt der Sprecher der Bildungsverwaltung, Kenneth Frisse. Die andere Hälfte der Schulen setzt darauf, von der Bildungsbehörde Vertretungskräfte zugewiesen zu bekommen, wenn Kollegen erkranken. Allerdings ist nicht klar, woher die Schulaufsicht das nötige Personal überhaupt bekommen kann, wenn doch die landesweite Vertretungsreserve auf 22 Lehrkräfte geschrumpft ist.

Frisse macht eine andere Rechnung auf. Seine Behörde geht davon aus, dass es im kommenden Jahr rund 7000 Schüler weniger gibt als prognostiziert. Das aber würde bedeuten, dass rund 450 Lehrer übrig blieben. Und das entspräche einer Vertretungsreserve von 2,5 Prozent, auf die die Behörde zurückgreifen könne, rechnet Frisse vor.

Die Schulen bleiben dennoch skeptisch. Denn erfahrungsgemäß fallen zehn Prozent aller Stunden zur Vertretung an, weil Lehrer krank, in Fortbildung oder auf Wandertag sind. „Der Ausfall wird unweigerlich steigen“, vermutet der Oberschulrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Gerhard Schmid, der als Regionalsprecher des Bundes Freiheit der Wissenschaft fungiert. Zudem erwartet er, dass die zusätzliche Stunden für Migranten und Behinderte noch stärker als bisher geopfert werden, um kurzfristig Vertretungsunterricht organisieren zu können. Schmid geht auch nicht davon aus, dass die neue Budgetierung wirklich ein Ersatz für die bisherige Vertretungspauschale ist. „Die Budgetierung bedeutet keine Lösung, sondern nur eine Verlagerung des Problems“, befürchtet er.

Tatsächlich dürfte es auch sehr an den Bedingungen der einzelnen Schulen liegen, ob die Budgetierung zu einem erfolgreichen Mittel gegen den Unterrichtsausfall wird. Bis zum Sommer sollen alle Rektoren und Oberstudienräte Fortbildungen bekommen, um in die Feinheiten der Budgetierung eingewiesen zu werden. Sie müssen sich in jedem Fall einen Pool von Kräften schaffen, die kurzfristig einsetzbar sind: Studenten, arbeitslose Lehrer, Pensionäre oder Lehrer im Erziehungsurlaub. Zudem müssen sie auch die Mitsprachrechte der Personalvertreter beachten und aufpassen, dass sie mit ihrem Budget auskommen, das nur drei Prozent ihrer gesamten Personalkosten entspricht.

Wie eng der finanzielle Rahmen der Bildungsverwaltung ist, wird deutlich, wenn man sieht, was zurzeit mit potentiellen Junglehrern wird: Obwohl 32 Lateinlehrer fehlen, weil der Markt leergefegt ist, werden nur fünf neue Lateinreferendare eingestellt. Gleichzeitig bekommen frisch examinierte Lateinstudenten, die gern ein Referendariat beginnen würden, Absagen zugeschickt. Susanne Vieth-Entus

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