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Einzigartig rund. Die St.-Hedwigs-Kathedrale am Bebelplatz soll zu einem Aushängeschild in der Bundesrepublik werden. So will es das Erzbistum Berlin, deshalb soll unter anderem der Hauptaltar an eine neue Stelle kommen. Doch viele Kritiker betrachten das als Zerstörung eines Gesamtkunstwerks.

© IMAG/Schöning

Berlin-Mitte: Denkmalschutz contra Liturgie: Diskussion um St.-Hedwigs-Kathedrale

Die St.-Hedwigs-Kathedrale ist jetzt geschlossen. Doch die erbitterten Diskussionen um ihre Gestaltung gehen weiter.

An der Wand hängt ein Gemälde mit der Mutter Gottes. Es ist das größte Symbol für die Besonderheit dieses Büros. Hier, am Hausvogteiplatz, arbeitet der Erzbischof von Berlin. Heiner Koch sitzt vor einem Mineralwasser und sagt: „Wir haben ganz ordnungsgemäß den Antrag auf denkmalrechtliche Genehmigung gestellt. Aber eine Kirche ist für mich zunächst kein Denkmal. Sie ist der Ort für Anbetung und Feier des Gottesdienstes.“

Genau das sei ja das Problem, sagt Werner Kohl. Für den Architekten, Sprecher der „Freunde der Hedwigs-Kathedrale“, ist das wuchtige Bauwerk sehr wohl ein Denkmal. Es ist sogar „eine Ikone der gesamtdeutschen Kulturgeschichte“. Deshalb gibt es seit Jahren Streit zwischen der „Freunden der Hedwigs-Kathedrale“ und dem Erzbistum.

"Eine Denkmalszerstörung mit staatlicher Förderung ist geplant"

Am Sonnabend hat der Streit die nächste, vielleicht entscheidende Runde erreicht. Am Freitag fand in der Kathedrale die vorerst letzte Messe statt. Seit gestern ist sie geschlossen, am Samstagabend feierten Katholiken der St. Hedwigs-Gemeinde Gottesdienst in der Kirche von St. Joseph-St. Aloysius. Die Weddinger Kirche ist jetzt ihre Anlaufstelle, Ersatz für die Kathedrale.

Diese wird aus Sicht des Erzbistums für eine Sanierung und einen Umbau vorbereitet. Aus Sicht von Kritikern wie Kohl ist „eine Denkmalzerstörung mit staatlicher Förderung geplant“. Kürzer gesagt: „Ein politischer Skandal.“

Gestritten wird um die schlüssellochförmige Bodenöffnung zur Unterkirche

Für Kohl und die rund 100 Mitglieder der „Freunde der Hedwigs-Kathedrale“ ist vieles ein Skandal. In erster Linie, dass die schlüssellochförmige Bodenöffnung zur Unterkirche geschlossen werden soll. Die Treppen zur Krypta führen unter anderem zu den Gebeinen von Bernard Lichtenberg, der als Domprobst der Kirche von den Nazis 1941 verhaftet wurde und 1943 auf dem Weg ins KZ Dachau starb. Lichtenberg gab auch einem Anbau der Kathedrale den Namen, der ebenfalls kirchlich genutzt wird und nun abgerissen und neu gebaut werden soll.

Die Öffnung hatte der Düsseldorfer Architekt Hans Schwippert entworfen, sie wurde 1963 fertiggestellt, die Kirche steht auch deshalb als Symbol des Selbstbehauptungswillens der katholischen Kirche in der DDR. „Genial“, nennt Kohl diese Öffnung. Nun soll der Zugang zur Krypta kleiner und an anderer Stelle gebaut werden.

Kunstvoll. Die Treppen zur Krypta prägen die Kathedrale.
Kunstvoll. Die Treppen zur Krypta prägen die Kathedrale.

© Kai-Uwe Heinrich

Aber die Bausünden gehen aus Kohls Sicht ja noch weiter. Fenster sollen herausgerissen werden. Stattdessen sollen „Milchglasscheiben rein, weil es liturgisch unzumutbar sei, auf farbige Fenster zu schauen, die quadratische Raster haben“. Für Kohl eine absurde Vorstellung. „Wenn das katholisch sein soll, kann man auch die Fenster von Gerhard Richter aus dem Kölner Dom rausschmeißen.“

Der Hauptaltar soll ebenfalls versetzt werden, nach dem Willen des Erzbistums soll er zentral in der Kirche stehen, direkt unter der Kuppel, aus der das Licht fällt. Die Türen zum Eingang in den Vorraum, klagt Kohl, „werden rausgerissen, weil man Leute einladen möchte. Eine Tür mit Sprossen lädt angeblich nicht ein. Jetzt sollen Ganzglastüren kommen.“

Für den Architekten Kohl verwandelt sich das Gesamtkunstwerk Hedwigs-Kathedrale, wenn die Baugenehmigung perfekt ist und der Umbau stattfindet, „in ein drittklassiges Kirchlein“, mit dem sich Berlin „blamieren wird“. Noch wehren sich die „Freunde“ juristisch gegen die Baugenehmigung.

Von einer "Mehrzweckhalle mit Stuhlkreis" oder "Kirchlein" ist die Rede

Ein anderer Kirchenkritiker höhnte, in Berlin entstehe eine „Mehrzweckhalle mit Stuhlkreis“. Die Zahl der Kritiker ist ja nicht gerade klein. Die „Freunde des Hedwigs-Kathedrale“ hat rund 100 Mitglieder, 1100 Menschen haben gegen den Umbau unterschrieben, auch Denkmalschützer sind dagegen.

Kalkuliert wird mit rund 60 Millionen Euro Baukosten

Und dann sind da ja noch die Kosten. Mit 60 Millionen Euro kalkuliert die Kirche. 20 Millionen Euro kommen vom Erzbistum Berlin, 20 Millionen steuern die deutschen Bistümer bei, zwölf Millionen bezahlt der Bund, das Land Berlin ist mit acht Millionen Euro dabei. „Hier wird es die nächste Baukostenkatastrophe geben“, sagt Kohl, „denn das Bistum geht beim Bau davon aus, dass Sicherungsmaßnahmen nicht erforderlich sind. Die Kosten werden explodieren.“ Eine schlichte Sanierung koste nur fünf Millionen. Aber die wolle das Erzbistum ja nicht.

Protest gegen den vom Erzbistum geplanten Umbau der St. Hedwigs-Kathedrale - hier anlässlich des letzten Gottesdienstes vor Beginn der Sanierung.
Protest gegen den vom Erzbistum geplanten Umbau der St. Hedwigs-Kathedrale - hier anlässlich des letzten Gottesdienstes vor Beginn der Sanierung.

© dp,Lisa Ducret

Erzbischof Koch kennt die ganzen Argumente, in seinem Büro bleibt er ziemlich gelassen, als er von dem Projekt redet. Eine Sanierung der Kirche sei unbedingt nötig, seit 40 Jahren sei dort nichts Wesentliches passiert. Und wenn man schon saniere, könne man sich doch gleich den liturgischen Herausforderungen stellen. „Diese Kathedrale ist das Aushängeschild für die katholische Kirche in Deutschland“, sagt er. „Sie muss auch für Nichtgläubige strahlen.“ Doch der Bau am Bebelplatz ist die einzige Kathedrale in Deutschland, die eine Rundkirche ist – für Koch der zentrale Punkt. „Das bedeutet für die Liturgie besondere Gestaltungsmöglichkeiten.“ Im Mittelpunkt dieser Kirche stehe der Altar. „Die Mitte gehört Christus, und die Gemeinde versammelt sich um ihn. Wichtig ist, dass der Altar unter der Kuppel ist.“ Und genau unter diesem Altar in der Krypta müsse das Taufbecken stehen, „damit eine Linie von oben nach unten gegeben ist“.

Und dann gibt es ja noch praktische Gründe für den zentralen Altar. „Wenn ich bisher Gottesdienst gehalten habe, habe ich gegen eine Wand und gegen die Orgel geschaut, das ist unnatürlich. Ich musste den Kopf immer nach links und rechts drehen, wo die Leute sitzen."

Heiner Koch wünscht sich einen Raum der Stille ...

Auch die Schließung der Bodenöffnung hat für ihn in erster Linie liturgische, aber auch praktische Gründe. „Wir brauchen in der Kirche einen Raum der Stille, deshalb ist die Frage: Wie ist der Raum unten zu beruhigen?“ Auch das Taufbecken müsse zentraler stehen. „Wir haben in der Osternacht 145 Erwachsene getauft, jetzt steht das Taufbecken in der Ecke. Das entspricht nicht der Wichtigkeit dieses Sakraments.“

Rein praktisch gesehen, irritiert es den Erzbischof gewaltig, wenn er am unteren Altar die Messe feiert, „und da kommen Leute die Treppen runter“. Und was Schwippert betrifft: Die jetzige Form sei ja gar nicht die Optimallösung des Architekten gewesen. „Ich habe seine Aufzeichnungen lange studiert. Er hatte eine hervorragende liturgische Idee, die er aber nicht umsetzen konnte. Er hätte gerne vieles weitergeführt.“ Zudem sei die Entscheidung zu den Fenstern noch gar nicht gefallen. Denkbar sei es, „den Sternenhimmel zur Geburt Christi abzubilden“. Die jetzigen Fenster vermittelten dagegen keine besondere Botschaft, „auch wenn sie ihren Wert haben“.

... und die Kathedrale soll nach außen offener erscheinen

Die Türen zum Vorraum vermitteln auch wenig. „Ich möchte, dass diese Kirche nach außen viel offener erscheint und auf den Bebelplatz wirkt.“ Viele Passanten wüssten gar nicht, dass sie vor einer Kirche stünden. Zur Ausstrahlung gehörten auch entsprechende Türen. Aber natürlich würden keine Ganzglas-Türen installiert. Überhaupt geht es Koch um mehr. „Der Vorraum gehört zum Gesamteindruck, der muss eine einladende Atmosphäre ausstrahlen.“ Aber da spielen noch denkmalrechtliche und kunsthistorische Gesichtspunkte eine Rolle. Koch wehrt sich auch gegen den Vorwurf, der Denkmalschutz sei nicht genügend berücksichtigt worden. Aber letztlich gehe es um die Gestaltung einer Kirche. „Wir sind kein ausführendes Organ des Denkmalschutzes.“

"Wir bauen nur, was wir bezahlen können"

Auch eine mögliche Kostenexplosion schließt Koch aus. „Wir bauen nur das, was wir bezahlen können. Wir gehen von Gesamtkosten von 60 Millionen Euro aus. Es gab umfangreiche Voruntersuchungen, wir gehen kein Risiko ein.“

Im St.-Hedwigs-Ersatz, der Gemeinde St. Joseph-St. Aloysius, ist man auf die neuen Besucher bestens vorbereitet. Die Kirche bietet Platz für 500 Besucher, und Ladislao Jareno Alacron, Pfarrer der Gemeinde, sagt: „Wir freuen uns auf die Mitglieder der St.-Hedwigs-Gemeinde.“ Zumal er einen ganz besonderen Bezug zur Kathedrale hat. 2002 wurde der gebürtige Spanier dort zum Priester geweiht.

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