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„Deutsche Jugend Zuerst“ aus Halle.

© Screenshot Instagram

Berliner Behörden mit Härte gegen Neonazis: Razzia nach brutalem Angriff auf SPD-Mitglieder in Lichterfelde

Sie sollen mit Springerstiefeln auf SPD-Wahlkämpfer eingetreten haben. Zwei Wochen danach rückt die Polizei bei Mitgliedern eines Neonazis-Trupps in Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt an.

Stand:

Böses Erwachen für Neonazischläger und teilweise deren Eltern am frühen Morgen nach den Weihnachtsfeiertagen: Nach der Attacke auf zwei Mitglieder der SPD vor zwei Wochen in Berlin-Lichterfelde sind die Berliner Behörden am Freitagmorgen mit massivem Aufgebot gegen eine Gruppe von Neonazis vorgegangen.

Die Polizei durchsuchte dabei die Wohnungen von insgesamt acht Verdächtigen. 110 Einsatzkräfte der Polizei Berlin sowie der Polizeibehörden der Länder Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt rückten an zehn Wohnanschriften im niedersächsischen Wolfsburg, in Sachsen-Anhalt in Aschersleben, Halle an der Saale, Schkopau und Leuna sowie im sächsischen Rötha an.

Die Ermittler haben inzwischen weitaus mehr Verdächtige im Visier. Zunächst waren es vier junge Männer im Alter 16, 18 sowie zwei Mal 19 Jahren. Sie wurden bereits nach der Attacke festgenommen. Drei von ihnen sitzen bereits in Untersuchungshaft. Vier weitere Personen sollen nun hinzugekommen sein.

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SPD-Wahlkämpfer zu Boden gerissen und getreten

Am brutalsten sollen Florian K. (19) und Elias U. (18) zugeschlagen haben. Sie sollen am Sonnabend, 14. Dezember, zwei SPD-Wahlkämpfer zu Boden gerissen haben und mindestens eines der Opfer mit Springerstiefeln gegen Kopf und Rumpf getreten haben.

Ebenfalls in Untersuchungshaft ist der 16-jährige Pascal K., jüngerer Bruder von Florian K. Gegen den 19-jährigen Florian B. wurde der Haftbefehl gegen Meldeauflagen ausgesetzt, sein Tatbeitrag soll am geringsten gewesen sein.

Alle vier Jugendlichen kommen aus Halle und Umgebung und waren wegen einer rechtsextremen Demonstration nach Berlin angereist – und attackierten dann die zwei SPD-Wahlkämpfer am Bahnhof Lichterfelde-Ost mit massiver Gewalt. Obendrein sollen die vier Neonazis dann hinzueilende Polizisten rassistisch beleidigt und mit einer Glasflasche angegriffen haben.

Der jüngste Verdächtige ist 15 Jahre alt

Zum Schlägertrupp sollen weitere Neonazis gehören. Die Ermittler des für politisch motivierte Straftaten zuständigen Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes (LKA) und der Generalstaatsanwaltschaft kamen ihnen schnell auf die Spur. Auch bei ihnen rückte die Polizei am Freitagmorgen an.

Vermummt und rechtsextrem. Ein Jugendlicher mit „Ostdeutschland“-Maske bei der Demonstration Mitte Dezember in Berlin.

© dpa/Fabian Sommer

Es geht um den 15 Jahre alten Florian J., den 19-jährigen Tim Benjamin R., den 21-jährigen John Nicklas S. und die 16 Jahre alte Celine S.. Sie sollen an der Attacke auf die Sozialdemokraten beteiligt, auf sie eingeschlagen und teilweise mit Springerstiefeln eingetreten haben. Jedoch sollen sie nicht an den massiven Widerstandshandlungen gegen die Polizisten beteiligt gewesen sein.

Die Polizei beschlagnahmte bei der Razzia umfangreiches Beweismaterial. Darunter waren Handys, Speichermeiden, mögliche Tatkleidung, Vermummungsutensilien, Schlagwerkzeuge, Messer sowie rechtsextremes Propagandamaterial.

Verbindung zu Neonazi-Gruppen in Berlin

Die acht Neonazis sind nach Tagesspiegel-Recherchen in einer Gruppe „Deutsche Jugend zuerst“ organisiert. Die Ermittler sprechen von einer „politisch rechtsmotivierten Jugendorganisation“. Deren Ziel ist es laut Berliner Staatsanwaltschaft, bundesweit nicht nur an rechtsextremen Demonstrationen und Versammlungen teilzunehmen, sondern „auch gewaltsam gegen politische Gegner vorzugehen“. Sie seien vor zwei Wochen in Berlin aktiv auf der Suche nach einer Auseinandersetzung mit Linken gewesen. In einer Profilbeschreibung der Gruppe auf Instagram ist zu lesen: „Wir fahren auf Demos gegen CSDs und Links.“ (CSD steht für Christopher Street Day)

Wie ernst die Berliner Behörden den Angriff auf die Sozialdemokraten nehmen und wie viel Druck in den Ermittlungen ist, zeigt ein Umstand: Nicht die Staatsanwaltschaft, sondern die Generalstaatsanwaltschaft führt das Verfahren.

Erinnerung an die „Baseballschlägerjahre“

Die Ermittler prüfen, inwiefern die Neonazis mit anderen rechtsextremen Gruppen aus Berlin in Verbindung stehen. Tagesspiegel-Recherchen belegen, dass sie mit Berliner Kadern der Gruppierungen „Deutsche Jugend voran“ (DJV) und „Jung und Stark“ (JS) in Kontakt standen.

Gemeinsam traten sie bei verschiedenen Gegenveranstaltungen zu Pride-Paraden im Sommer auf. Berliner Akteure von „Deutsche Jugend voran“ sprachen den vor zwei Wochen festgenommenen Neonazis in Beiträgen auf Instagram ihre Solidarität aus.

Einer der Hauptbeschuldigten, Elias U., war im Oktober bei an einem Neonazi-Protest in Berlin-Marzahn. Er trägt online den Profilnamen „Zecken boxen“ und beschreibt sich als „stolzer Deutscher“. Er sei „bereit für jede Demo“. Florian K. nennt sich in den sozialen Netzwerken „Arier“, sein Profilbild zeigt ein Mitglied des rassistischen amerikanischen Geheimbunds „Ku-Klux-Klan“ im weißen Gewand.

Alle Gruppen – „Deutsche Jugend zuerst“, „Deutsche Jugend voran“ (DJV) und „Jung und Stark“ (JS) – sind am Sommeranfang dieses Jahres entstanden. Sie fallen durch extreme Gewaltbereitschaft und den Hang auf, optisch wie rechtsextreme Skinheads in den 90er Jahren aufzutreten.

Experten sprechen von einer „neuen Generation“ Neonazis und warnen vor einer Rückkehr der „Baseballschlägerjahre“. Die Gruppen mobilisieren Minderjährige im Netz und über Portale wie TikTok. Der Verfassungsschutz betrachtet die Entwicklung als „gefährdungsrelevant“

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