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Berliner Bunkerhersteller von Aufträgen überrannt: Verzögerungen bei der Lieferzeit – Kriegsangst fördert Wunsch nach Schutzräumen

Die Bilder aus der Ukraine lösen Ängste aus und bescheren der Berliner Firma BSSD, die Bunker und andere Schutzräume anbietet, ein leeres Lager.

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Gleich neben einem abstrakten Bild an der Wand beginnt die Sicherheitszone. Ein schwarzer Kasten, 1,17 Meter breit, zwei Meter lang, rund zwei Meter hoch, 1,1 Tonnen schwer, die Wände aus normalem Stahl. Dann noch die Tür verrammeln, und alles ist gut. Für 10.138 Euro Einsatz kann man erstmal durchatmen.

10.138 Euro – so viel kostet der Schutzraum, der hier – als Ausstellungsstück – neben Schreibtischen steht, direkt an der Wand im Büro der Firma Bunker-Schutzraum System Deutschland, kurz BSSD. Direkt gegenüber der Firmenzentrale liegt das Pergamonmuseum.

Wer in einem Schutzraum dieser Art auch noch sicher vor den Kugeln aus Maschinenpistolen sein möchte, bestellt ihn mit Wänden aus Panzerstahl, kostet dann aber 15.000 Euro. Der Kasten ist eine Ausstellungsstück, Präsentation für Kunden.

Gut, dass es zumindest im Büro noch einen Schutzraum gibt. Das Lager von BSSD ist nämlich komplett leer. „Garagen, Sicherheitszellen, Filteranlagen, alles weg“, sagt Katrin Piejde, die BSSD-Inhaberin. „Ein paar Stahlplatten sind noch da, mehr nicht.“

Die Folgen des Ukraine-Kriegs. Die Chefin sagt, mit Kriegsbeginn hätten sich „die Zugriffe auf unsere Internetseite verzehnfacht. Zuvor hatten wir 100 bis 300 am Tag, dann über Nacht mehr als 10.000.“ Mehr Anfragen bedeuten mehr Aufträge.

„Die Zahl der Bestellungen ist stark gestiegen“, sagt die Firmeninhaberin, genaue Zahlen nennt sie nicht. „Die meisten riefen an und fragten: Kann ich es morgen haben?“

Es sind Symptome der Angst. Die Furcht, dass der Krieg auch nach Deutschland kommen, dass er in friedliche Gegenden einbrechen könnte. Deshalb wird eine Firma, die Bunker in Gärten baut, Panzergaragen und Schutzräume anbietet und technische Anlagen und Botschaftsgebäude schützt, gerade von Anfragen überrannt.

Die Lieferzeiten sind erheblich länger geworden

Das wirkt sich bereits so aus, dass sich die Lieferzeiten gegenüber früher um drei Monate verlängern. Normalerweise steht ein Standardschutzraum sechs bis acht Wochen nach Bestellung beim Kunden, jetzt muss er Monate warten. BSSD hatte in den ersten beiden Kriegswochen, in denen der Ansturm am größten war, die Telefonleitung von acht bis 22 Uhr besetzt, pro Stunde liefen an den sechs Telefonen je zehn Anrufe von Kunden und Interessenten ein. Die acht BSSD-Mitarbeiter waren im Dauerstress.

Und eine Handvoll dieser Kunden gehörten zu einer speziellen Sorte. Die sparten sich den Telefonanruf, die sparten sich auch eine Mail, die sparten sich irgendwelche Fragen, denen genügte ein Blick auf die BSSD-Internetseite. Danach klickten sie nur noch auf ihren Paypal-Account.

„Wir hatten fünf Kunden, die haben auf der Homepage gesehen, was sie wollen und sofort das Geld überwiesen“, sagt Katrin Piejde. Und da ging es nicht um 15.000 Euro für einen Schutzraum. „Das waren plötzlich teilweise mehr als 200.000 Euro auf unserem Konto“, sagt Katrin Piejde. „Panikkäufe. Die haben vorab bezahlt, damit sie ganz sicher ihren Schutz erhalten. Aber die möchten dann auch sofort geliefert haben.“

Für 200.000 Euro erhält man einen Bunker

Für das Geld erhält man zum Beispiel einen Bunker oder eine Garage der besonderen Art oder einen exzellent ausgestatteten Schutzraum. Mitte März hatte ein Kunde eine schusssichere Garage bestellt, zeitgemäß in Öko-Ausführung. Die Beschichtung der Fassade ist mit Rapsöl vermischt. Kosten: rund 200.000 Euro.

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Aber sofortige Lieferung geht natürlich nicht. Vor allem nicht bei Bunkern, die fünf Meter tief versenkt werden. Für die benötigt man zunächst einmal eine Baugenehmigung. Andererseits sei die Idee, sofort Geld zu überweisen, strategisch gesehen gar nicht so schlecht. „Die Preise“, sagt Katrin Piejde, "steigen täglich.“ Rüstungsfirmen benötigen auf einmal viel Stahl, die Kosten erhöhen sich allgemein, davon ist auch BSSD betroffen und gibt die Erhöhungen weiter.

Der Hersteller von Filteranlagen erhöht seine Preise drastisch

Ihre Firma liefert auch Filteranlagen für nukleare, biologische und chemische Substanzen, die in Schutzräumen installiert werden, doch der Hersteller der Anlagen, der BSSD beliefert, hat für den 1. April bereits eine Preissteigerung um 70 Prozent angekündigt. Im Moment kostet bei BSSD eine Filteranlage noch zwischen 10.000 und 12.000 Euro

100 Filteranlagen, sagt Katrin Piejde, werde ihre Firma im Jahr 2022 wohl verkaufen. „Normal sind es jährlich nur 30 bis 50.“ Es gab Käufer, „die haben Filteranlagen bestellt, ohne zu fragen, ob sie für ihren jeweiligen Raum überhaupt geeignet sind“.

Die meisten Kunden freilich wollen es dann doch etwas genauer wissen. „Viele haben sich schon länger mit dem Gedanken an den Kauf eines Schutzraums oder Bunkers befasst“, sagt die Firmenchefin. „Aber sie haben es immer vor sich hergeschoben. Doch jetzt bestellen sie.“

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Versorgung in der Not. Ein Schutzraum, den die Firma BSSD liefert.
Versorgung in der Not. Ein Schutzraum, den die Firma BSSD liefert.

© promo

Interessanterweise riefen in den ersten beiden Wochen des Kriegs fast nur Frauen an. „Normalerweise sind es viel weniger“, sagt Katrin Piejde. Diese Geschlechterverteilung kam ihr durchaus entgegen. „Wenn Frauen anrufen, fällt meist auch eine Kaufentscheidung.“

Die Anrufe sind auch ein Seismograph für den Grad der Ängste in der Gesellschaft

Die Anrufe bei BSSD sind aber zugleich auch eine Art seelischer Seismograph für der Grad der Ängste in der Gesellschaft. Es sind ja meist keine normalen, rationalen Kundengespräche; die Unruhe, die Panik, das Gefühl von Hilflosigkeit schwingt oft genug mit. Katrin Piejde hatte eine junge, alleinerziehende Frau am Telefon, die verzweifelt sagte: „Ich habe so Angst. Ich habe schon bei der Polizei und bei anderen Behörden angerufen, aber niemand konnte mir meine Angst nehmen.“ Katrin Piejde fragte vorsichtig nach, sie versuchte einfühlsam versucht, die Frau zu beruhigen.

Aber die Mutter lebte in einer Wohnung, da sind die Möglichkeiten von BSSD beschränkt. Eigentlich konnte Katrin Piejde nur einen Schutzraum empfehlen, so ähnlich wie jener im BSSD-Büro.

Eine theoretische Lösung, es gab keine Bestellung. Aber einen positiven Effekt besaß das Gespräch doch. „Ich hatte das Gefühl, dass sie froh war, dass sie mit jemandem reden konnte“, sagt Piejde.

Ein älteres Ehepaar wollte seinen Keller mit einem Schutzraum ausrüsten lassen, die beiden schickten eine sehr nette Mail an BSSD, ihre größte Bitte: Die Firma möge den Auftrag doch bitte so schnell wie möglich ausführen.

Allerdings gab es auch einen ungemein abgeklärten Kunden, einen älteren Mann, der Katrin Piejde am Telefon leutselig erklärt habe, seine Enkel hätten eine Immobilie erworben und darauf zu ihrem Erstaunen einen Bunker entdeckt.

„Ist doch schön“, erwiderte die BSSD-Chefin. –„Finden Sie?“ – „Naja, wegen der aktuellen Situation ist das doch schön.“ – „Der Bunker ist 30, 40 Jahre alt, kann der verrotten?.“ – „Kann er nicht, Stahl verrottet nicht.“ –„Ja, und was mache ich jetzt damit?“ – „Stellen Sie einen Tisch, ein Regal und Lebensmittel rein, dann sind Sie vorbereitet.“ – „Okay, wenn Sie meinen.“

Ja, das meinte Katrin Piejde. Was anderes konnte sie kaum anbieten. „Wir können die Anlage höchstens überprüfen.“

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