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Berlin - Klingelschilder eines Wohnhauses in Prenzlauer Berg.

© Lars von Törne

Berliner Datenschutzbehörde: Klingelschilder: Namen dürfen bleiben

Ein Name an der Türe - ist das aus Datenschutzgründen überhaupt noch erlaubt? Diese Frage versetzte Berliner Vermieter am Donnerstag in Panik.

Von Fatina Keilani

Verlangt der Datenschutz, die Namen von Mietern von ihren Klingelschildern zu entfernen? Um diese Frage herrschte am Donnerstag Verwirrung. Der Eigentümerverband Haus und Grund forderte, das „Datenschutz-Chaos“ müsse beendet werden, und verlangte vom Gesetzgeber eine rechtliche Klarstellung. Seinen Mitgliedern empfahl er vorsorglich, die Namensschilder zu entfernen.

Vorangegangen war ein Fall in Wien. Dort hatte ein Mieter sich gegen die Nennung seines Namens auf dem Klingelschild gewehrt. Sein Vermieter, die „Wiener Wohnen“, beschloss daraufhin, alle Schilder ihrer 220 000 Wohnungen entfernen zu lassen und durch Nummern zu ersetzen. Die für Datenschutzangelegenheiten der Stadt zuständige Behörde schätze die Verbindung von Nachname und Wohnungsnummer als einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung ein, hieß es. Wer dennoch seinen Namen am Klingelschild haben wolle, müsse selbst einen Aufkleber anbringen.

Haus und Grund empfahl Mitgliedern, Klingelschilder zu entfernen

Die rechtliche Einschätzung aus Österreich sei nicht von der Hand zu weisen, sagte Haus-und-Grund-Präsident Kai Warnecke am Donnerstag der dpa. Der Verband mit Sitz in Berlin vertritt rund 900 000 Mitglieder und empfahl diesen, vorsorglich alle Klingelschilder zu entfernen. Über den Tag erkannte man dies wohl als Übereifer. Dem Tagesspiegel sagte Alexander Wiech, Geschäftsführer Politik und Kommunikation bei Haus und Grund: „Es ging uns nicht darum, dass jetzt alle Vermieter die Klingelschilder abmontieren sollen.“ Man habe klarstellen wollen, dass Vermieter diesem Wunsch entsprechen sollten, falls Mieter an sie herantreten, und dass die Politik klarstellen solle, dass Namen an Klingelschildern weiterhin genannt werden dürfen.

Auch die Degewo ließ sich verwirren: „Wir werden die Umsetzung dieser Empfehlung prüfen. Für uns wäre die Entfernung aller Klingelschilder mit wahnsinnigem Aufwand und Kosten verbunden“, sagte eine Sprecherin.

Der Fall illustriert, dass hinsichtlich der Datenschutzgrundverordnung seitens der Bürger erst einmal alles für möglich gehalten wird – jeder Bürger hat deswegen schließlich schon massenhaft Post und Mails bekommen, seit sie eingeführt wurde. Allerdings gilt die Verordnung hier überhaupt nicht – darin sind sich Juristen und Experten einig.

Datenschutzbeauftragte: "Keine automatisierte Datenerfassung"

Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz klagte: „Offensichtlich geht es hier einmal mehr darum, die Menschen mit derartigen Absurditäten zu verunsichern und substanzlos gegen die neue EU-Datenschutzgrundverordnung zu wettern.“ Die Behauptung, die Klingelschilder müssten abmontiert werden, entbehre jeder Grundlage, da sie analog und deshalb datenschutzrechtlich nicht betroffen seien.

Auch die Datenschutzbeauftragte sieht die Verordnung nicht als einschlägig an. „Wir halten die DSGVO hier nicht für anwendbar, da es sich um keine automatisierte Datenerfassung handelt“, sagte ihre Sprecherin Jana Schönefeld. Die Verordnung greife nur bei automatisierten Datenverarbeitungen und Dateien.

Der Berliner Mieterverein hält es für die einzig sinnvolle Lösung, alles so zu lassen, wie es ist, und nur im Falle, dass ein Mieter es verlangt, den Namen zu entfernen.

Mieter können selbst entscheiden

Einzig der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen reagierte gelassen: „Wir sehen hier keinerlei Handlungsbedarf. Wenn jemand seinen Namen nicht an der Tür sehen will, kann er ihn entfernen lassen, mit allen unpraktikablen Folgen für Besuche, Erreichbarkeit für Rettungsdienste oder die Zustellung der Post, um nur einige Themen zu nennen“, sagte BBU-Vorstand Maren Kern. Weder in Berlin noch in Brandenburg habe der BBU Kenntnis von einem mit Wien vergleichbaren Vorfall.

In der Tat: Wer seinen Namen entfernt, ist für den Postzusteller und den Rettungsdienst schlechter auffindbar. Ein verpassten Päckchen mag nicht schlimm sein, aber im Notfall? „Adressenfindung ist unser Tagesgeschäft“, heißt es von der Berliner Feuerwehr, es gebe auch in Berlin schon viele Klingelanlagen mit Zahlen statt Namen. Die Datenschutz-Grundverordnung gilt seit Mai europaweit und sieht bei Verstößen Bußgelder in Millionenhöhe vor.

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