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Durchs Leben rollen. Britt Kanja bleibt in Bewegung – ob früher als Partykönigin oder heute mit ihren Rollschuhen auf dem Ku’damm.

© Verena Eidel

Berliner Originale: Leichte Füße, leichtes Herz

Sie gründete den Club 90 Grad und wurde zu einer Legende des Berliner Nachtlebens. Britt Kanja ist eine Lebenskünstlerin mit einer Vision.

Es stimmt einfach alles. Vom zart gemusterten Rock bis zu den Handschuhen, dazu die auffallende Kette mit den passenden Ohrringen und das gebundene Tuch im Haar. Und natürlich drehen sich alle um, wenn Britt Kanja vorbeigeht. Aber was ihr Auftreten unter den mächtigen Marmor-Säulen neben den ausladenden Blumensträußen in einem Café auf dem Ku’damm ausmacht, ist etwas anderes: Es ist ihr wacher und neugieriger Blick.

Schon nach wenigen Minuten ist die elegante Erscheinung, die man zu Beginn bewundert und vielleicht auch für ein wenig oberflächlich gehalten hat, beinahe vergessen. Denn alle Fragen zu ihrem Aussehen, nach ihrer Kleidung, tut die 66-jährige Charlottenburgerin, die von Zeitungen schon als Party-Elfe, Nachtleben-Legende und Berliner Stilikone betitelt wurde, mit unnachahmlich charmanter Handbewegung ab: „Die Handtasche? 15 Euro bei Humana.“

"Das Alter macht mich mutiger"

Natürlich bereite es ihr Freude, die Farben, die Form und das Material aufeinander abzustimmen, aber was die Mit-Gründerin des Clubs 90 Grad interessiert, ist viel mehr als ihre eigene Individualität. Dabei ist es sicher gerade das, was sie in den 80er Jahren zu einer Ikone des Berliner Nachtlebens und einer berüchtigten Gastgeberin werden ließ. Diese Zeiten sind vorbei, aber Kanja bewegt sich noch immer gern in Berliner Gesellschaftskreisen, besucht Preisverleihungen und Premieren.

Und da erscheint es fast komisch, dass die Frau mit den feinen Gliedern sich weniger für Glamour interessiert, als für Güte, Freude und Spaß am Leben. Wie kann man Trott und Missmut besiegen? Das ist ihr Anliegen. „Manchmal reicht schon ein Lächeln.“ Das Alter hilft ihr dabei. „Es macht mich gelassener – und vielleicht auch ein bisschen mutiger.“

"Oh - eine Fee!"

Das Wichtigste aber sei, ob alt oder jung: Lebendig bleiben, in Bewegung bleiben – nicht nur auf dem gesellschaftlichen Parkett: Noch immer zieht sich die frühere Tänzerin an schönen Tagen ihre Rollschuhe an und saust eine ihrer Lieblingsstrecken entlang: Vom Adenauerplatz über den ganzen Ku’damm bis zum Nollendorfplatz. Und das ist dann ähnlich wie beim Tanzen, erklärt Britt Kanja, wenn man erst mal im Schwung ist, dann fährt man ganz ohne Anstrengung. Wenn sie über die breiten Bürgersteige gleitet, dann sieht es so aus, als hätte sie eine Botschaft für alle Passanten. Traut euch, macht euer Ding. Habt keine Angst.

Und viele, erzählt sie selbst ein bisschen erstaunt, sagen, wenn ich so an ihnen vorbeifahre und ihnen zulächle, dasselbe: „Oh – eine Fee!“

„Vielleicht bin ich das ja auch wirklich ein bisschen“, überlegt sie, „denn so manch schlechter Gedanke ist dabei schon verblasst.“

In Wedding hat sie gelernt, sich zu wehren

Natürlich gibt es manchmal auch hässliche Kommentare, davor muss sie sich schützen. „Mein Innerstes ist ein schöner Garten, sehr gastfreundschaftlich, aber wenn jemand meine Blumen abrupft, dann wird er hinausgewiesen.“ Sich wehren, das hat Britt Kanja als kleines Kind in Wedding gelernt so wie andere Kinder das Fahrradfahren. Ihre Eltern haben ihr schon früh viel Freiheit gelassen. „Sie haben gespürt, dass ich etwas Wildes in mir habe.“

Und so hat sie damals als Kind auf dem Roller den Wedding erkundet, wie sie es übrigens auch als Erwachsene manchmal tat. Ihre Wurzeln in Berlins Norden sind auch der Grund, warum sie bestens weiß, wie man sich in Berlin wehrt: Mit einer Antwort, die den anderen überrumpelt.

Jetzt singt sie auch

Und Berlin und Britt Kanja, das gehört einfach zusammen. „Hier pocht die Seele der Wahrhaftigkeit. Berlin gibt mir Energie rund um die Uhr.“ Und es stimmt, in ihrer Umtriebigkeit sind sie sich ziemlich ähnlich, die Stadt und die ehemalige Partymacherin

Auch mit Mitte sechzig nimmt Britt Kanja gerne Herausforderung an. Zum Sommer hin wird es etwa ein Musikvideo geben, von ihr und ihrem guten Freund Günther Krabbenhöft, der als „Hipster-Opa aus Kreuzberg“ genau wie Kanja von den Medien mit einem Titel bedacht worden ist. „Und das, obwohl ich immer dachte, ich kann dass ich nicht singen kann. Zumindest hat meine Mutter mir das mal gesagt, als ich ein kleines Mädchen war.“ Viel darf sie nicht verraten, nur so viel: Es ist – wie sollte es anders sein? – eine Ode an das Leben und den Tanz.

Britt Kanjas Lieblingsort in Berlin:

Der Kurfürstendamm - „Ick liebe Berlin! Der Geist dieser Stadt und seiner Geschichte ist überall zu spüren. Der Ku'damm ist meine Lieblings- Rollschuh-Strecke. Da komm ich richtig in Schwung.“

Von den Autorinnen erschien bereits: „111 Berliner, die man kennenlernen sollte“ (Emons Verlag, 230 Seiten, 16,95 Euro). Nun begeben sich Lucia Jay von Seldeneck und Verena Eidel für uns auf die Suche nach noch mehr Berlinern. Bisher unter anderem erschienen: Lizzy Scharnofske, das lebende Schlagzeug - Andreas Zadonai, ein Bäcker der alten Schule - Sinan Simsek, der Buchhändler vom Kott -Gudrun Schmidt, die Seifenmeisterin aus Friedrichshain - Hanns-Lüdecke Rodewald, der Professor mit dem Moos-Auto.

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