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Etwas ratlos. In Berlin liegt die SPD inzwischen hinter Linken (19,8 Prozent) und Grünen (18,6 Prozent).

© DAVIDS/Sven Darmer

Millionenschweres Entlastungspaket: Berliner SPD setzt auf Geld gegen den Abstieg

Auch die Berliner SPD sucht nach einem "klaren Profil". Ein 500 Millionen Euro schweres Entlastungspaket soll dabei helfen.

Von Sabine Beikler

Von Panik nach dem Wahldesaster mit 9,7 Prozent in Bayern will der Berliner SPD-Parteichef Michael Müller nichts wissen. „Man muss die Nerven behalten“, sagt der Regierende. Dass die SPD auf Bundes- und Länderebene eine „klareres Profil“ und „eindeutigere Positionen“ haben müsse, sei aber deutlich geworden. Das „klarere Profil“ will die SPD in Berlin mit einem 500 Millionen Euro teuren Entlastungspaket für untere und mittlere Einkommen darstellen. Nur sind die Berliner Koalitionspartner gar nicht begeistert.

Die Rückbesinnung auf die alte sozialdemokratische Kernklientel hat im Wesentlichen zwei Gründe: Die Volksparteien CDU und SPD, die gemeinhin für Wähler und Mitglieder aller gesellschaftlicher Schichten und unterschiedlicher Weltanschauungen offen sind, stecken in einer schweren Krise. Es gibt sogar schon Stimmen in der Berliner SPD, die das Konzept der Klientelpartei favorisieren, weil es schlicht erfolgreicher sei.

Genossen kündigten Gesprächspotential an

Müller selbst sprach am Sonnabend am Rande der Klausurtagung des SPD-Landesvorstands davon, man müsse „ein Stück weit wegkommen von den Versuchen, für jeden den bestmöglichen Kompromiss zu erzielen“. Und wo bleibt die Ausrichtung auf das Gemeinwohl? Genossen haben schon Gesprächsbedarf angekündigt. Das sieht man auch in der nicht nur parteiinternen Kritik an Müllers Idee, den Beamten und Tarifbeschäftigten des Landes eine „Art Berlin-Zulage“ in Höhe von 150 Euro monatlich zu zahlen. Der Zeitpunkt ist offen, nur Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) sprach von 2021.

Bis zum Ende der Legislaturperiode werden in Berlin die Gehälter von Beamten und öffentlichen Angestellten auf das Durchschnittsniveau der Bundesländer angehoben. Das hat Rot-Rot-Grün schon vereinbart. Eine Zulage von 150 Euro im Wahljahr 2021 sei ein reines „Wahlgeschenk“, sagt Linken-Parteichefin Katina Schubert. „Hilflose Befreiungsschläge“ der Sozialdemokraten würden da nicht weiterhelfen, weil die Wähler das sehr wohl durchschauen würden. Grünen- Fraktionschefin Antje Kapek fordert statt einer Zulage die Lösung struktureller Probelme in der Verwaltung.

„Wir müssen die Verwaltungen wieder attraktiv für Arbeitnehmer machen“

„Wir müssen die Verwaltungen wieder attraktiv für Arbeitnehmer machen. Und wir warten seit Monaten auf ein Personalentwicklungskonzept“, sagt Kapek verärgert. Man müsse die Eingruppierungen und das Dienstrecht reformieren. Sie unterstützt den SPD-Vorschlag, die Hortbesuche für alle Klassen kostenlos zu machen, aber das ändere nichts an den Problemen, ausreichend Lehrer und Erzieher zu finden und gut ausgestattete Schulen anzubieten. Und eine Berlin-Zulage sei noch nicht einmal finanziell abgesichert. Wie sollte das Land diese zahlen, wenn es nicht mehr wie in diesem Jahr Einnahmeüberschüsse von 1,2 Milliarden Euro gebe?

Alle drei Koalitionäre buhlen in Berlin um die Mittelschicht und deren Stimmen. Die Linke will ihren Parteitag Mitte Dezember unter das Thema „Solidarische Stadt“ stellen und diese als politisches Leitmotiv weiterentwickeln. Eine der vordringlichsten Aufgaben für die Linken, für die ihre Klientel sie auch gewählt hat: bezahlbare Mieten. Und daran hängt auch das zweite Problem der SPD.

Probleme beim Mietenfrage

Die Mietengesetzgebung wird bundesweit geregelt. Die Koalition will den Druck auf die Bundesebene mit eigenen Initiativen erhöhen, um die Privat- und Gewerbemieten zu begrenzen. 40 Milieuschutzgebiete und das bezirkliche Vorkaufsrecht für Grundstücke und Häuser werden aber auf Dauer die Verdrängung von vielen Mietern aus der Innenstadt nicht verhindern. Weit mehr als 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens in Berlin geht schon jetzt für die Miete drauf. Und die Ziele der Koalition für den Neubau von Wohnungen werden auch absehbar verfehlt.

Wenn die Mietenfrage in Berlin schon nicht mehr gelöst werden kann, dann will die SPD am Einkommen der öffentlichen Beschäftigten und Beamten schrauben, um die Stadt weiterhin bezahlbar zu halten. Der entscheidende strategische Schwachpunkt dabei ist offensichtlich: Auch andere Berliner, die nicht im öffentlichen Dienst arbeiten, müssen steigende Mieten zahlen.

Nach dem „Gießkannenprinzip“

Deshalb spricht Grünen-Politikerin Kapek vom „Gießkannenprinzip, mit dem die SPD Geld ausschütten will“. Und sie stellt die alte grüne Forderung nach einem kostenlosen Schülerticket für den ÖPNV auf. Diese Idee wurde zwar auch in der SPD diskutiert, jedoch erst einmal wieder verworfen.

Unstrittig ist in der Koalition die schrittweise Anhebung des Landesmindestlohns auf ein altersarmutsfestes Niveau von derzeit 12,63 Euro pro Stunde sowie die Festlegung 2019 im Vergabegesetz. Über die Höhe im ersten Schritt wird Rot-Rot-Grün noch diskutieren. Auch in der SPD wird es Debatten über den strategischen Kurs geben, spätestens auf dem Parteitag im November. Die Entlastungen würden eine halbe Milliarde Euro kosten. Viel Geld für das mit 58 Milliarden Euro verschuldete Berlin.

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