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Yager-Mitarbeiter im Gründungsjahr 1999.

© Yager

25 Jahre Computerspiele von Yager : Fünf Freunde bewahren den Tüftlergeist aus DDR-Tagen

1999 haben fünf junge Männer, die sich aus der Computer-Szene Ostberlins kannten, die Firma Yager gegründet. Die Männer sind noch heute ein Team, beschäftigen 130 Personen. Porträt einer Firma mit Durchhaltevermögen.

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Ostberlin, Klosterstraße, kurz vor dem Fall der Mauer: Im „Haus der jungen Talente“, dem heutigen „Palais Podewils“, drängen sich die Besucher um mehrere brotkastenförmige Computer. Sie spielen pixelige Games, tippen Programm-Code in die Tasten und staunen. Die Rechner stammen aus dem Westen – und genau deshalb sind die C64-Modelle im „Computerklub“ eine solche Attraktion. Das Haus der jungen Talente (HdjT) ist das zentrale Clubhaus der FDJ – und einer der wenigen Orte, an denen DDR-Bürger westliche Heimcomputer ausprobieren können.

Zu den Besuchern des HdjT zählen auch fünf Freunde, die später eines der größten Spielestudios Deutschlands gründen werden. Sie bleiben nach dem Mauerfall zusammen, vertiefen ihre Programmierkenntnisse und heben 1999 die Firma „Yager Development“ aus der Taufe. 25 Jahre später beschäftigt Yager rund 130 Fachkräfte – und blickt zum Jubiläum auf eine bewegte Geschichte zurück.

Wir haben das Englischwörterbuch rückwärts durchgeblättert und nach einem interessanten Namen gesucht.

Timo Ullmann, Mitgründer von Yager

Der Name des Studios – man spricht ihn „Jäger“ aus – kam relativ spontan zustande. „Wir haben das Englischwörterbuch rückwärts durchgeblättert und nach einem interessanten Namen gesucht“, erzählt Timo Ullmann, einer der beiden Geschäftsführer. „Yager“ passte gut, denn die Studiogründer entwickelten ein Spiel, in dem sich futuristische Düsenjäger erbitterte Luftkämpfe liefern. Das Game erschien 2003 für die Spielkonsole Xbox und den PC, erhielt positive Rezensionen – und wurde damit zum ersten Meilenstein der Studiogeschichte.

Abenteuer auf dem Wüstenplaneten

Heute ist das Berliner Studio Teil der chinesischen Firma Tencent, des weltweit größten Verlags für Computerspiele. Derzeit arbeitet Yager an „Dune: Awakening“ (hier der Trailer) mit, einem Spiel des norwegischen Tencent-Studios Funcom, in dem Spieler:innen auf dem unwirtlichen Wüstenplaneten Arrakis überleben müssen. Zwischen dem grafisch opulenten Action-Game und den ersten Programmierschritten im HdjT liegen mehrere Jahrzehnte – während der sich die Yager-Gründer ihre Leidenschaft für Computerspiele bewahrten.

Auf dem Wüstenplanet: Szene aus dem Spiel „Dune: Awakening“ von Funcom, an dem Yager mitarbeitet.
Auf dem Wüstenplanet: Szene aus dem Spiel „Dune: Awakening“ von Funcom, an dem Yager mitarbeitet.

© Funcom

Timo Ullmann erinnert sich gerne an die Zeiten im „Computerclub“. „Da sind die Computer-Enthusiasten hingeströmt, haben Software getauscht und programmiert“, erzählt er. Man habe dort – quasi als Fingerübung – westliche Spiele „gecrackt“, also nach Wegen gesucht, wie sich der damalige Kopierschutz umgehen lässt. „Es ging uns aber eben auch darum, wie wir Spiele besser machen können“, betont Ullmann. Um ihr Know-how zu erweitern, programmierten Ullmann und Co. sogenannte „Demos“: Kompakte Computerkunstwerke mit Animationen und Musik, die meist zu den eigentlichen Spielen auf Diskette dazugepackt wurden.

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An westliche Hardware kamen die „Computerclub“-Besucher nur, weil Leute wie Stefan Paubel die Geräte ankauften, oft für mehrere tausend Ostmark. Paubel war Angestellter des Clubhauses – und hatte für solche Anschaffungen ein festes Kontingent zur Verfügung. Die Spiele selbst – heutige Klassiker wie „Elite“, „Last Ninja“ oder „Defender of the Crown“ – stammten wiederum aus anderen Quellen. „Wenn jemand von seiner West-Verwandtschaft ein Spiel bekommen hat, dann hat das immer sofort die Runde gemacht“, berichtet Ullmann. „Wir haben uns drangesetzt und das gezockt.“

Fingerübungen im „Jugendklub“

Damit wuchs auch das Interesse, selbst solche Spiele zu programmieren. Der DDR-Staat ließ die Jugendklub-Macher gewähren, beobachtete das Geschehen aber genau. „Wir haben erst später erfahren, dass auch jemand von der Stasi vor Ort war“, sagt Ullmann. Junge Menschen mit Computerkenntnissen waren aus Staatssicht durchaus gefragt und wurden auch von den dortigen Hochschulen umworben.

„In der DDR gab es auch die Möglichkeit, einen kürzeren Armeedienst zu machen, wenn man etwas in Richtung Programmierung studiert“, erzählt Ullmanns Co-Geschäftsführer Philipp Schellbach. Dieses Studium hätte dann allerdings nichts mit Games zu tun gehabt, sondern mit klassischen Computer-Anwendungen. „Deswegen war es für uns ein absoluter Glücksfall, dass die Mauer fiel und wir machen konnten, was wir wollten“, ergänzt Ullmann.

Computerklub im Haus der jungen Talente (HdjT) in der Klosterstraße in Berlin-Mitte, im Jahr 1986. Stefan Paubel, im Bild mit Vollbart, beschaffte die Hardware.
Computerklub im Haus der jungen Talente (HdjT) in der Klosterstraße in Berlin-Mitte, im Jahr 1986. Stefan Paubel, im Bild mit Vollbart, beschaffte die Hardware.

© Archiv Stefan Paubel, Foto: Thomas Neumann

Direkt nach der Wende gingen die Computerklub-Freunde zu westlichen Spieleverlagen und boten ihnen ihre Eigenkreationen an. „Die fanden das zwar cool, haben aber abgewunken, weil der C64 zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr die dominierende Plattform war, sondern Atari und Amiga“, so Ullmann. Die Freundesgruppe um Schellbach und Ullmann blieb auch in den Folgejahren zusammen – und erfüllt sich 1999 mit der Yager-Gründung ihren großen Traum.

Einige Male wäre dieser Traum allerdings fast ausgeträumt gewesen. 2005 etwa hätte Yager fast schließen müssen, weil ein Anschlussprojekt für die marktdominierende Playstation fehlte. Das Studio lief zu dieser Zeit auf absoluter Sparflamme, hatte dann aber das Glück, einen Vertrag mit dem Publisher Take-Two Interactive an Land zu ziehen. „Spec Ops: The Line“ sollte ein sogenannter Militär-Shooter werden, lautete der Auftrag – also ein Spiel, in dem reichlich geballert wird.

Das Team von Yager suchte allerdings nach einem speziellen Twist, der das Spiel zu etwas Besonderem machen würde. „Wir haben lange überlegt: Wie stellen wir Gewalt im Spiel dar? Wie erzählen wir diese Geschichte?“, erinnert sich Ullmann. „Das Spiel sollte nicht nur einfach ein Militär-Shooter sein. Es sollte eine Geschichte erzählen, die sich an Büchern wie Joseph Conrads 'Herz der Finsternis“ orientierte.“

Schauplatz des Spiels war die im Sand begrabene, postapokalyptische Wüstenstadt Dubai, in der eine Spezialeinheit einen übergeschnappten Bataillonskommandanten sucht. „Spec Ops: The Line“, das 2012 erschien, war durchaus ein Wagnis – und „es war natürlich spannend, wie der Markt darauf reagieren würde“, sagt Ullmann. Die Reaktionen auf die Veröffentlichung seien zunächst verhalten gewesen, so der CEO. „Erst später hat sich um das Spiel ein Kult entwickelt.“

Mehrere Standbeine

Das Spiel war der Startschuss für ein deutliches Wachstum des Studios. 2006 hatte Yager knapp 20 Mitarbeiter:innen, 2012 waren es schon fast 100. Damals seien viele internationalen Kolleg:innen hinzugekommen, berichtet Timo Ullmann. „Wir haben die Team-Sprache auf Englisch umgestellt.“ Im Lauf seiner Geschichte wechselte Yager mehrfach den Standort – zunächst von der Gubener Straße in die Schlesische Straße und später dann in die Pfuelstraße direkt an der Spree.

Die Yager-Verantwortlichen kamen immer mehr zu der Überzeugung, dass es sinnvoll ist, für die Firma unterschiedliche Standbeine zu schaffen. Laut Schellbach rettete diese Strategie das Studio, als das ambitionierte Projekt „Dead Island 2“ scheiterte: Yager konnte am Parallelprojekt „Dreadnought“ weiterarbeiten – und das Weltraumspiel 2017 von Grey Box Games veröffentlichen. Mit „Dreadnought“ sammelte Yager erste Erfahrungen bei Online-Multiplayer-Spielen – Erfahrungen, die es dann auch beim Online-Spiel „The Cycle: Frontier“ in die Waagschale werfen konnte.

Das fünfköpfige Yager-Gründerteam im Jahr 1999 . . .
Das fünfköpfige Yager-Gründerteam im Jahr 1999 . . .

© Yager

. . . und in identischer Besetzung im Jahr 2024, von links: Roman Golka, Uwe Beneke, Timo Ullmann, Philipp Schellbach. Vorn hockend: Mathias Wiese.
. . . und in identischer Besetzung im Jahr 2024, von links: Roman Golka, Uwe Beneke, Timo Ullmann, Philipp Schellbach. Vorn hockend: Mathias Wiese.

© Yager

Ab 2018 schaute sich das Studio nach einem strategischen, sprich: langfristigen Investor um – und wurde schließlich bei Tencent fündig. Mit der Übernahme im Jahr 2021 sei Yager wirtschaftlich stabiler geworden, freut sich Ullmann. Und berichtet, dass Tencent den zugehörigen Studios „sehr viel Freiraum lässt“.

Es ist irgendwie erstaunlich, dass wir fünf immer noch alle dabei sind.

Yager-Mitgründer Timo Ullmann

Heute zählt Yager zu den ältesten Spielefirmen Deutschlands – und nach wie vor auch zu den größten. Zum Jubiläum wird das Studio unter anderem einen Film veröffentlichen, der 25 Jahre Firmengeschichte dokumentiert. Die „Kerntruppe“ aus HdjT-Zeiten ist noch immer komplett an Bord: Ullmann und Schellbach als Geschäftsführer, Mathias Wiese als Art Director, Uwe Beneke als Creative Director und Roman Golka als IT Director. „Es ist irgendwie erstaunlich, dass wir fünf immer noch alle dabei sind“, sagt Timo Ullmann. Die Freunde haben viel erlebt – und brennen immer noch für Games.

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