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Kongressstadt: Berlin ist eine Tagung wert

Die Hauptstadt ist auch in schwierigen Zeiten als Kongressstadt gefragt – und das weltweit. Alle großen Berliner Kongresszentren trotzen bisher der Wirtschaftskrise. Zu beobachten sei, dass die Teilnehmerzahlen mitunter sinken, heißt es aus den Zentren.

Jetzt haben sie auch ihre eigene Porzellankollektion: Im Berliner Congress Center (bcc) am Alexanderplatz werden die Speisen und Getränke für Tagungsteilnehmer neuerdings auf weißem Rosenthal-Porzellan serviert. Der insolvente fränkische Traditionshersteller, für den es seit der Übernahme durch eine italienische Firma wieder Hoffnung gibt, hat das praktische und schlichte Geschirr „mit Bauhaus-Anspruch“ speziell für das Kongresszentrum entworfen. Dieser Auftrag „trägt wesentlich zur Rettung von Rosenthal bei“, ist sich bcc–Geschäftsführer Helo Brackenhoff sicher. Insgesamt hat die Tagungsstätte gerade eine Million Euro in neue Technik und die Cateringausstattung investiert, denn die Aussichten sind gut. „Es gibt uns ja erst seit 2003, wir sind noch relativ jung – aber es ist eine erstaunlich erfolgreiche Entwicklung“, freut sich der Chef.

Alle großen Berliner Kongresszentren trotzen bisher der Wirtschaftskrise. Am Alex konnten drei Stornierungen in diesem Jahr laut Brackenhoff durch „kurzfristige neue Buchungen“ ausgeglichen werden. Zu beobachten sei, dass die Teilnehmerzahlen mitunter sinken. Die meisten Veranstaltungen hätten aber noch immer um die 1000 Besucher. Bis zu 3000 Gäste haben im Gebäude Platz, davon 1000 im sogenannten Plenum.

Im Kongressbereich der Messe Berlin, zu dem das Internationale Congress Centrum (ICC) und Begleitausstellungen in den Hallen unterm Funkturm gehören, gibt es laut Messesprecher Michael Hofer „eine starke Nachfrage nach Tagungskapazitäten und sogar bei den Großveranstaltungen steigende Teilnehmerzahlen“. Allerdings könne man das Rekordjahr 2008 mit 20 Millionen Euro Umsatz im Geschäftsbereich Kongresse wohl „nicht toppen“. Im Vorjahr gab es 623 Tagungen und Shows mit mehr als 280 000 Gästen, darunter rund 226 000 Konferenzteilnehmer. Etwa 70 Prozent kamen aus aller Welt, der Anteil auswärtiger Besucher wächst stetig. Nach Schätzung der Messegesellschaft haben diese in der Region Berlin 130 Millionen Euro ausgegeben und damit Händlern, Hoteliers oder Dienstleistern hohe Mehreinnahmen beschert. Die Attraktivität des ICC sei wegen der „einzigartigen Anbindung“ an die Messehallen ungebrochen, sagt Hofer; begleitende Industrieausstellungen seien immer gefragter.

Das Neuköllner Hotel Estrel macht mit seinem Convention Center rund 70 Prozent des Gesamtumsatzes. Im Vorjahr gab es mehr als 2000 Veranstaltungen mit zusammen rund 390 000 Besuchern. Hotelgründer Ekkehard Streletzki hatte von Beginn an das Konzept „Alles unter einem Dach“ verfolgt und den Übernachtungsbetrieb durch das Kongresszentrum und ein „Festival Center“ ergänzt. Im September werde das zehnjährige Bestehen des Convention Centers gefeiert, kündigt Sprecherin Miranda Meier an, samt Gewinnspiels im Internet (www.estrel.com). Seit der Eröffnung fanden im Convention Center fast 13 000 Kongresse, Tagungen und Events mit mehr als 4,5 Millionen Besuchern statt. So wurde das Estrel mit 1125 Zimmern nicht nur das größte deutsche Hotel, sondern auch das umsatzstärkste. Nur während der Leichtathletik-WM fallen alle Tagungen aus, weil das ganze Haus als Athletenhotel fungiert.

Über die Gründe für den Erfolg der Kongressstadt Berlin sind sich die Betreiber der Tagungsorte und die Tourismuswerber einig. „Hier finden internationale Verbände ausgezeichnete Bedingungen vor“, sagt Heike Mahmoud vom Berlin Convention Office (BCO), das 2001 von der Berlin Tourismus Marketing GmbH gegründet wurde. Zu den Standortvorteilen zählt Mahmoud „die modernste Hotellandschaft Europas, ein exzellentes Preis-Leistungs-Verhältnis, renommierte Kongresszentren wie das ICC Berlin und außergewöhnliche Locations.“ Auch Messesprecher Hofer lobt das „breite Hotelangebot mit vergleichsweise günstigen Übernachtungspreisen“. Hinzu komme die kulturelle Vielfalt in der Stadt. Das Hotel Estrel sieht er übrigens „nicht als Konkurrenz, sondern als belebendes Element im Gesamtangebot“.

Statistisch liegt Berlin weltweit auf vorderen Plätzen. Der genaue Rang hängt von der Zählweise ab. Laut BCO ziehen speziell die Verbandskongresse „weltweit die meisten Teilnehmer an“. Das zeige der jüngste Report der International Congress & Convention Association. Demnach kamen 2008 mehr als 100 000 Kongressteilnehmer. Berlin liegt vor Barcelona (knapp 82 000 Tagungsgäste), Paris (rund 74 000) oder Bangkok (58 000). Innerhalb der letzten zehn Jahre hätten sich die Besucherzahlen verdreifacht, sagt Heike Mahmoud. Bei der Zahl der Veranstaltungen hat Berlin jedoch den zweiten Platz hinter Wien verloren, den es 2007 erreicht hatte – und liegt jetzt nur noch auf Platz fünf hinter Wien, Paris, Barcelona und Singapur.

In Krisenzeiten werde immer öfter kurzfristig gebucht, heißt es aus dem bcc und dem Estrel. Und es würden Kosten gespart, nicht nur durch eine geringere Teilnehmerzahl. Estrel-Sprecherin Meier nennt ein typisches Beispiel: „Es gibt dann eben nur drei Gänge statt einem Vier- Gänge-Menü.“

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