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© dpa

Kulturstadt Berlin: Hier spielt die Musik

Berlins Showgeschäft lebt von Touristen. Die wissen zu schätzen, dass in der Stadt immer was los ist.

In der Karl-May-Parodie „Der Schuh des Manitu“ ist der an den Marterpfahl gefesselte Ranger, Freund des Apachenhäuptlings Abahachi, bekanntlich „mit der Gesamtsituation unzufrieden“. Davon kann bei der Stage Entertainment, die den Kinoerfolg als Musical im Theater des Westens präsentiert, keine Rede sein: Kurz vor dem ersten Jubiläum der Show wurde die Spielzeit jetzt bis mindestens Mai 2010 verlängert. Am 6. Dezember kommt der „Schuh des Manitu“-Erfinder, Michael „Bully“ Herbig, zu einer Geburtstagsfeier der Aufführung aus München angereist.

Die großen Shows in Berlin zeichnen sich alle durch einen hohen Anteil von Berlin-Besuchern im Publikum aus und sind damit ein wichtiger Tourismusfaktor. Beim „Schuh des Manitu“ ist laut Stage Entertainment jeder zweite Zuschauer ein Übernachtungsgast der Berliner Hotels, nur geringfügig niedriger liegt der Anteil bei „Dirty Dancing“ im Theater am Potsdamer Platz. Die benachbarte „Blue Man Group“ zieht sogar zu 70 Prozent Touristen in ihr „Bluemaxtheater“ mit 600 Plätzen – denn jeder kann die Show verstehen, die ohne Sprache auskommt. Der Friedrichstadtpalast gelangte mit seiner Show „Qi“, die am Wochenende nach knapp einem Jahr zu Ende ging, wieder auf Erfolgskurs: Mehr als 400 000 Besucher wurden gezählt, laut Befragungen waren darunter 244 000 (61 Prozent) Touristen.

Verlängert wird auch „Black Flamingo“ im Wintergarten an der Potsdamer Straße. Seit Anfang Oktober bespielt wieder Peter Schwenkow die Bühne, die er 1992 mit André Heller und Bernhard Paul gegründet, aber 2007 verkauft hatte. Die Erwerber mussten das Haus im vorigen Januar schließen. Schwenkow gelang es aber, mehr als 12 000 Karten für seine „frivole New-Burlesque-Show“ zu verkaufen. Deshalb läuft diese nun bis zum Jahresende statt nur bis Mitte November. „Wir kooperieren mit allen Reiseveranstaltern – sowohl mit Bus- und Bahnreiseveranstaltern als auch mit Air Berlin“, sagt Schwenkow, dessen Deutsche Entertainment AG (DEAG) unter anderem auch den „Roncalli-Weihnachtscircus“ im Tempodrom am Anhalter Bahnhof organisiert. Dort sind üblicherweise rund ein Viertel der Gäste Touristen, im Wintergarten machen diese 40 Prozent aus. Im Showbereich liege Berlin bundesweit „definitiv vorn“, sagt Schwenkow. „Jeder Besucher weiß: Hier findet jeden Abend immer etwas statt.“

So sehen es auch Berlins Tourismusexperten: „Hamburg bewirbt sich erfolgreich als Musicalstadt, aber hier gibt es ein wesentlich breiteres Angebot – und viele Leute kommen auch extra deswegen“, sagt Christian Tänzler, Sprecher der Berlin Tourismus Marketing GmbH (BTM). Die Stadt sei führend im „modernen Entertainment“. Dazu zählt er auch die Blue Man Group, die Revuen im Friedrichstadtpalast, „Stars in Concert“ im Hotel Estrel sowie „besondere Locations“ wie die Bar jeder Vernunft in Wilmersdorf und das Tipi-Zelt am Kanzleramt.

Laut Tänzler gibt es sogar viele Musicalfans, die in verschiedene Städte reisen, um „ein Musical nach dem anderen“ zu erleben. Demnächst wolle die BTM ihre neuen Pauschalreiseangebote ausweiten und auch mit beliebten Shows koppeln. Derzeit bestehen die „Berlin Packages“ aus preisgünstigen Hotelübernachtungen zusammen mit Karten für das Neue Museum, die Clubnacht Berlin am 7. November oder die Cranach-Ausstellung im Schloss Charlottenburg; der dortige Weihnachtsmarkt wird mit Verzehrgutscheinen beworben.

Bekannte Showbühnen wie der Friedrichstadtpalast brächten viel mehr ein als sie kosteten, rechnet dessen Intendant Berndt Schmidt vor. Die jährliche Subvention des Hauses betrage sechs Millionen Euro. Auf der anderen Seite stünden Berechnungen der BTM, wonach ein Berlin-Besucher durchschnittlich 200 Euro in der Stadt lässt. Bei 244 000 in- und ausländischen Gästen im Friedrichstadtpalast kämen also Ausgaben in Höhe von 48,8 Millionen Euro zusammen. Der gesamtwirtschaftliche Nutzen bleibe auch dann beachtlich, wenn man nur die Zuschauer zähle, für die der Showbesuch „der alleinige Anlass oder einer der wichtigsten Gründe“ war, nach Berlin zu reisen. Laut den regelmäßigen Publikumsbefragungen gilt dies für jährlich 133 000 Revuegäste, die stadtweit etwa 26,6 Millionen Euro ausgeben dürften.

Den Rang als Musicalhauptstadt „wird Berlin der Stadt Hamburg wohl nicht ablaufen können“, glaubt Intendant Schmidt, doch sieht er darin keinen Nachteil. Berlin sei „nicht auf Musicals reduziert“ wie die Hansestadt, aber mit seinem breiten Angebot an Bühnen, Museen und Galerien eindeutig die „Kulturhauptstadt“. An den Erfolg von „Qi“ will der Friedrichstadtpalast mit der neuen „Winterträume“-Show anknüpfen, die bis zum 7. Februar läuft. Ende Februar kehrt „Qi“ zurück. Nicht nur die Touristen steigern den Optimismus des Bühnenchefs: „Erfreulicherweise kommen immer mehr jüngere Großstädter, und die Berliner sind wieder richtig stolz auf ,ihren Palast‘“. Ein Dauerbrenner ist die Doppelgängershow „Stars in Concert“ im Festival-Center des Neuköllner Hotels Estrel. Seit dem Start im September 1997 gab es mehr als 5200 Vorstellungen mit mehr als 3,5 Millionen Besuchern. Davon profitiert auch der Hotelbetrieb an der Sonnenallee – denn rund ein Viertel der Zuschauer übernachtet im Estrel. Aber auch unter den Besuchern, die nur die Show besuchen, stammt mehr als die Hälfte nicht aus Berlin und Brandenburg – die meisten Gäste kommen laut Sprecherin Miranda Meier aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bayern. Im Musicalbereich sei Hamburg der „ältere und etabliertere“ Ort, sagt Stephan Jaeckel vom Marktführer Stage Entertainment. Doch beim Touristenanteil lägen beide Städte gleichauf – und „weit vor allen anderen Musical-Städten“.

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