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Blick in den neuen „Berlin Hub“ des Mobilitätsanbieters Bolt.

© Bolt

Mobilitätsanbieter Bolt: Gründer will von Berlin aus Deutschland aufrollen

Der Uber-Konkurrent Bolt war bisher vor allem mit Scootern und Taxis im Straßenbild deutscher Großstädte präsent. Nun will Firma aus Estland in Berlin weitere Dienste ausprobieren.

Markus Villig setzt auf Berlin. Aus der Hauptstadt heraus will der Gründer aus Estland sein milliardenschweres Mobilitätsunternehmen Bolt in Deutschland zur „Super-App“ für Mobilitätsangebote entwickeln, über die Menschen ihre Wege planen und buchen können. „Wir wollen die Stadt verändern, indem wir den Privat-Pkw durch Sharing-Angebote ersetzen“, sagt der 29-Jährige im Interview mit dem Tagesspiegel im Büro im 15. Stock im Pressehaus am Alexanderplatz. Das neue „Technologie-Hub“ wurde vor wenigen Tagen offiziell eröffnet.

120 Mitarbeiter:innen arbeiten in der Hauptstadt für den Anbieter, die Hälfte davon beschäftigt sich mit Technologiethemen, weitere sollen im Laufe des Jahres hinzukommen. Dass viele Arbeitgeber um die besten Köpfe buhlen, sieht Villig gelassen. Er setzt auf Sichtbarkeit. „Wir entwickeln ein Produkt, das täglich von Millionen Menschen genutzt wird.“

Markus Villig (29) ist der Gründer und Geschäftsführer des Fahrdienstvermittlers Bolt.

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Erst im Frühsommer 2021 ist Villig mit seinem E-Scooter-Verleih in Deutschland gestartet, zwei Jahre später als die Pioniere in diesem Bereich. Inzwischen können die grünen E-Scooter und E-Bikes in 62 deutschen Städten ausgeliehen werden. Kurze Zeit später brachte Villig auch seinen Fahrdienst nach Deutschland, eine Alternative zu Taxifahrten, mit denen er Uber und dem deutschen Pendant Free Now Konkurrenz macht. In sieben Städten – Berlin, München Köln, Düsseldorf sowie Frankfurt am Main und Umgebung – vermittelt das Unternehmen pro Monat nach eigenen Angaben rund eine Million Fahrten mit Mietwagen und Taxis. „Es läuft gut“, sagt Villig knapp.

Wie hart der Kampf um Kundinnen und Fahrer ist, zeigt die Reaktion der Konkurrenz. Der US-Anbieter Uber hat seinen Fahrerinnen und Fahrern Berichten zufolge zeitweise sogar verboten, sich bei dem Wettbewerber zu registrieren. Free-Now-President Alexander Mönch hofft, dass die Städte dem Preiskampf ein Ende bereiten. Für Taxis und Mietwagen sollte ein gemeinsamer staatlicher Preiskorridor festgelegt werden, findet Mönch. Villigs Strategie könnte das empfindlich stören.

Vorstoß in den Markt für stationsloses Carsharing

Villig will mit Bolt in diesem Jahr ein weiteres Segment erobern. „Wir werden auch Carsharing in Deutschland anbieten“, kündigt er an. Der Zeitpunkt ist günstig. Zuletzt sind einige Anbieter von stationslosem Carsharing in Deutschland wieder vom Markt verschwunden. Bleibt Villig seiner Linie treu, wird er auch in diesem Bereich seine Wettbewerber mit Kampfpreisen unter Druck setzen. „Der Preis spielt neben der Verfügbarkeit bei der Entscheidung für ein Mobilitätsangebot die entscheidende Rolle“, sagt er.

Markus Villig gilt mit seinen 29 Jahren als einer der jüngsten Selfmade-Milliardäre Europas.

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Ob Berlin zu den ersten Städten gehören wird, in der sich über die Bolt-App auch Carsharingautos buchen lassen, ist noch nicht ausgemacht. In der Hauptstadt fallen für die Verleiher hohe Kosten an. Miles, der größte Anbieter in Berlin, bezahlt nach eigenen Angaben für seine Flotte mehr als zehn Millionen Euro Parkgebühren pro Jahr. Villig findet das absurd. „Geteilte Autos dürfen gegenüber dem Privat-Pkw nicht länger benachteiligt werden“, fordert er.

Günstiger als in Berlin sind die Bedingungen beispielsweise in Stuttgart. Dort hat die Stadt Parkgebühren für geteilte Fahrzeuge ganz abgeschafft. In Hamburg und München parken E-Autos kostenlos. Villig hofft, dass sich die Regierung in Berlin daran ein Beispiel nimmt.

Bei der Wahl in Berlin spielte das Thema Mobilität eine wichtige Rolle. Als ungelöst gilt nach wie vor das Tretroller-Chaos auf den Bürgersteigen. Zwar hat der Berliner Senat im vergangenen Herbst neue Regeln für das Aufstellen von E-Scootern und Leihrädern beschlossen. Trotzdem bleibt das Problem der die Gehwege blockierenden Fahrzeuge bestehen, beklagt der Verband Fuss e.V.

Villig lobt Berlins Regeln, die in Paris lehnt er ab

Nach dessen Analyse aus dem Oktober vergangenen Jahres standen auch nach Inkrafttreten der neuen Vorgaben noch mehr als zwei Drittel der Fahrzeuge „behindernd, gefährdend, rechts- oder regelwidrig“ herum. Der Verpflichtung, falsch abgestellte Fahrzeuge nach einer Störmeldung über eine dafür eingerichtete Hotline innerhalb weniger Stunden umzuparken, kämen die Anbieter nicht nach, beklagt Verbands-Vorstand Roland Stimpel und beruft sich dabei auf eigens durchgeführte Tests. Auch die hohen Unfallzahlen seien ein Problem.

Villig weiß um die Vorbehalte. Klare Vorgaben der Städte und Technik könnten die Probleme schnell lösen, glaubt er. Die von Berlin eingeführten Regeln begrüßt er, vor allem die Einrichtung fester Parkzonen findet er gut. „Können die Fahrzeuge alle 50 bis 150 Meter an einer Station abgestellt werden, wird die Zahl falsch geparkter Fahrzeuge drastisch sinken“, ist der Gründer überzeugt. Die Verkehrsverwaltung in Berlin hat versprochen, in diesem Jahr etwa 150 davon einzurichten.

Blick in das neue Bolt-Büro in Berlin.

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Ausschreibungen, wie sie Paris eingeführt hat und wie sie der Fußgängerverband und einige Wettbewerber wie Voi für deutsche Städte fordern, lehnt Villig entscheiden ab. Er hält nichts davon, die Anzahl der Anbieter und Fahrzeuge durch die Vergabe von Konzessionen zu beschränken. „Im freien Wettbewerb wird sich der beste Anbieter durchsetzen.“ Bolt sieht er dabei gut aufgestellt. In den nächsten zwei Jahren will er sein Unternehmen in die schwarzen Zahlen führen.

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