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Schinkelplatz 1 in Mitte. Die Bundesstiftung Bauakademie hat den Auftrag, die Bauakademie neu erstehen zu lassen. Eine Musterecke steht schon. Aber was ist zeitgemäß?

© Davids/Sven Darmer

Schinkelsche Bauakademie: Wiedererrichten, jetzt!

Ein Zwischenruf aus Technischer Universität und Architekten- und Ingenieurverein

Von
  • Hans-Dieter Nägelke
  • Nicole Parlow

Vier Jahre nach ihrer Gründung nimmt die neue Bauakademie mit künftigem Sitz am Schinkelplatz Nr. 1 allmählich Fahrt auf. Vom Bund als „zentrale Dialogplattform auf nationaler Ebene mit internationaler Ausstrahlung“ gestiftet, hat sie inzwischen einen Direktor, ein wachsendes Team und eine Homepage, die uns über ihre Ziele und Aktivitäten informiert - und rätseln lässt.

Über das „Gebäude“ lesen wir dort nämlich, „die Bauakademie wird das Gebäude der zerstörten Schinkelschen Bauakademie neu errichten“, aber über diesen „Neubau“ erfahren wir zugleich, mit ihm entstünde ein „Demonstrationsvorhaben dafür, was innovatives, zukunftsorientiertes und nachhaltiges Bauen heute bedeutet“.

Weil aber „Rekonstruktion, Nachhaltigkeit und Innovationskraft“ für Gründungsdirektor Guido Spars nicht gut zusammen passen („divergierende Ansprüche“) und auch ein von ihm berufener „Thinktank“ sich nur zur „Transparentmachung eines Zielkonflikts“ vorarbeiten konnte, nicht aber zu seiner Lösung, wird es nun Sache des (politisch besetzten) Stiftungsrates, über den weiteren Weg zu entscheiden.

Freilich geht der Befund „Zielkonflikt“ an der Sache vorbei. Nicht nur das Land Berlin wollte sein Grundstück am Schinkelplatz nie mit etwas anderem denn mit einer Rekonstruktion bebaut sehen, auch der Deutsche Bundestag formulierte 2016 eindeutig: 62 Millionen für die „Wiedererrichtung des [nicht: eines] Gebäudes der Bauakademie“.

Es folgten 2017 drei Dialogforen mit breiter öffentlicher Beteiligung und 2018 ein Programmwettbewerb mit 78 Einsendungen. Erst danach, also nach der sorgfältigen Analyse sowohl der partizipatorischen Foren als auch der von Kurator*innen und Architekt*innen eingereichten und von einer Fachjury bewerteten Programmbeiträge wurden Anfang 2019 die Bundesstiftung Bauakademie gegründet und ihr Stiftungszweck festgeschrieben: inhaltlich als besagte „Dialogplattform“, baulich als „Wiedererrichtung der von Karl Friedrich Schinkel erbauten Bauakademie“.

Diesen unmissverständlichen, auf einem Bundestagsbeschluss und einem zweistufigen Beteiligungsverfahren gründenden Auftrag jetzt zu einem wolkigen „Anknüpfen an die Innovationskraft Schinkels“ (Spars) umzudeuten, erfordert ein ziemliches Vertrauen der Stiftungsorgane in die Dehnbarkeit von Parlamentswillen und eigener Satzung.

Dabei sind spätestens seit der Stiftungsgründung am 24. Januar 2019 die Aufgaben definiert und das Verfahren vorgezeichnet. Erstens: Anhand der ersten Leitplanke der Satzung (§ 2, „Ausstellungen und andere Veranstaltungen in den Bereichen Bauwesen, Stadtentwicklung, Wohnen und Baukultur“) modelliert der Gründungsdirektor den Raumbedarf.

Die Bauakademie vor der Zerstörung im Jahr 1932. Die Wiederherstellung des kriegsbeschädigten Gebäudes wurde im Dezember 1951 von Walter Ulbricht verkündet und nach Entwürfen von Richard Paulick im Sommer 1952 begonnen. Die Fertigstellung war für 1955 geplant. Nach dem Richtfest 1953 ging es dann nicht weiter, erstens weil Geld fehlte, zweitens weil die Institution „Bauakademie der DDR“ inzwischen zu groß geworden war, um in das alte Gebäude hineinzupassen. 
Die Bauakademie vor der Zerstörung im Jahr 1932. Die Wiederherstellung des kriegsbeschädigten Gebäudes wurde im Dezember 1951 von Walter Ulbricht verkündet und nach Entwürfen von Richard Paulick im Sommer 1952 begonnen. Die Fertigstellung war für 1955 geplant. Nach dem Richtfest 1953 ging es dann nicht weiter, erstens weil Geld fehlte, zweitens weil die Institution „Bauakademie der DDR“ inzwischen zu groß geworden war, um in das alte Gebäude hineinzupassen. 

© Errichtungsstiftung Bauakademie

Zweitens: Das zuständige Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung konkretisiert diesen Bedarf zu einem Raumprogramm und entwickelt daraus und aus der zweiten, gestalterischen Leitplanke (§ 4, „Wiedererrichtung des Bauakademiegebäudes“) die Wettbewerbsausschreibung.

Drittens: Der Wettbewerb bringt diejenige Lösung hervor, die nach gründlicher Prüfung durch eine kompetente Jury die ideale Übereinstimmung beider Aspekte erfüllt – und aller Vorgaben des Baurechts und der Klimaziele und dessen, was Fachleute und Öffentlichkeit aktuell vom „Geiste Schinkels“ zu spüren meinen. Keiner der drei Schritte ist trivial. Alle erfordern ein hohes Maß an Kompetenz und Respekt gegenüber den Zukunftszielen der Bundesstiftung und ihrem Auftrag, diese Ziele im Resonanzraum ihrer berühmten Namensgeberin zu verwirklichen.

In ihrer Zeit war die Bauakademie revolutionär

Süßliche Stadtbildnostalgie wird der Bauakademie ebenso wenig gerecht wie ihre giftige Ablehnung als „alter Ziegelbau“. Ihre Zeit waren die 1830er Jahre und niemand würde sie ernsthaft kopieren wollen, um damit die Bauwende mustergültig in den Griff zu kriegen.

Aber darum geht es nicht. In ihrer Zeit war die Bauakademie revolutionär. Inmitten des von ihm selbst geprägten, König und Staat prachtvoll repräsentierenden Berlin pflanzte Schinkel einen Fremdkörper, der nur in Dimensionen und Stellung auf seine Umgebung Bezug nahm, ansonsten aber mit allen Konventionen klassizistischer Repräsentationsarchitektur brach. Von allen Seiten gleich, in allen Achsen gleich, eine fortwährende Wiederholung der immer gleichen Formsteine und Ornamente.

Schinkels Bauakademie 1959. Die Nord-Fassade von der Schlossfreiheit aus gesehen. Die Luftschutzvermauerung der Eingangsportale ist noch vorhanden.
Schinkels Bauakademie 1959. Die Nord-Fassade von der Schlossfreiheit aus gesehen. Die Luftschutzvermauerung der Eingangsportale ist noch vorhanden.

© Helmut Maier

Vis-à-vis dem Schloss wählte Schinkel Ziegel und Terrakotta statt edlem Sandstein und prächtigem Putz. Mit Fassaden, die die innere Struktur außen veredelt sichtbar machten. Mit Grundrissen, die variabel ihrem Zweck folgten. Mit einer Bauweise, die robust genug war, vielfach wechselnde Nutzungen in sich aufzunehmen und die selbst nach über 100 Jahren und schweren Bombenschäden noch eine Restaurierung zuließ: Nachhaltigkeit weit jenseits aller Gewährleistungsfristen und Abschreibungszyklen. Ressourceneffizienz, so wie sie heute an der Technischen Universität gelehrt wird, war für ihre Vorgängerinstitution eine selbstverständliche Praxis.

Die Bauakademie bekannte sich als Lehranstalt und mit ihrem Gebäude zu Aufklärung und Vernunft. Heute gehört zu dieser Vernunft selbstverständlich auch eine positive Klimabilanz, die aber gerade innerhalb ihrer massiven Mauern unschwer zu erreichen sein wird.

Die Nord-West-Ecke, vom Werderschen Markt in Richtung Dom gesehen. 1957 war mit den neuen Plänen zur sozialistischen Umgestaltung der Innenstadt der Abriss beschlossen, der allerdings ab 1961 eher als Abtragung durchgeführt wurde, weil ein Wiederaufbau an anderer Stelle erwogen wurde. Brüstungs-Reliefplatten wurden geborgen.
Die Nord-West-Ecke, vom Werderschen Markt in Richtung Dom gesehen. 1957 war mit den neuen Plänen zur sozialistischen Umgestaltung der Innenstadt der Abriss beschlossen, der allerdings ab 1961 eher als Abtragung durchgeführt wurde, weil ein Wiederaufbau an anderer Stelle erwogen wurde. Brüstungs-Reliefplatten wurden geborgen.

© Helmut Maier

Die Bauakademie war das Ergebnis Schinkels langer Suche nach einer neuen, von bürgerlicher Rationalität bestimmten Baukunst. Seine Fixsterne waren weder Konventionen noch Tagesmoden, sondern die Grundlagen des Bauens: Konstruktion, Material, Sparsamkeit und (weil damit allein „etwas Trockenes, Starres“ entstünde) auch das „Historische und das Poetische“.

So wurde die Bauakademie zu einem Programmbau, der sich nicht in seinem engeren Zweck als Lehranstalt und Verwaltungssitz erschöpfte, sondern das Bauen an sich zum Thema nahm. Deshalb ist sie eines der ganz wenigen Gebäude, das wie das Bauhaus als Ikone und Meilenstein der Architektur bezeichnet werden darf.

Der Auftrag zur Rekonstruktion nach historischem Vorbild ist unmissverständlich

Ihre Wiedererrichtung wird – bei allen unvermeidlichen, notwendigen und gewünschten Brüchen einer Rekonstruktion – eine wichtige Wegmarke hin zu unserer Gegenwart wieder zum Sprechen bringen. Und ja: Ihrer Umgebung, die mit Platzgestalt und Neubauten ihre Rückkehr erwartet und auf sie Rücksicht genommen hat, wird sie guttun. Und auch: Ein wirklicher Blickfang wird sie wieder sein, auf ihre Art, fürs genaue Hinsehen und Nachdenken, bescheiden und von spröder Eleganz.

Hans-Dieter Nägelke ist Kunsthistoriker, Leiter des TU-Architekturmuseums und Beauftragter der Präsidentin der Technischen Universität für die Neue Bauakademie. Er ist Herr über mehr als 180.000 Objekte – Handzeichnungen, Modelle, Lichtpausen, Fotografien, Drucke, Skizzenbücher, Akten und Fotografien bedeutender Baumeister, Archäologen, Maler und Zeichner. Karl Friedrich Schinkel etwa ist darunter, Carl Gotthard Langhans, Friedrich August Stüler, Martin Gropius und Hans Scharoun.
Hans-Dieter Nägelke ist Kunsthistoriker, Leiter des TU-Architekturmuseums und Beauftragter der Präsidentin der Technischen Universität für die Neue Bauakademie. Er ist Herr über mehr als 180.000 Objekte – Handzeichnungen, Modelle, Lichtpausen, Fotografien, Drucke, Skizzenbücher, Akten und Fotografien bedeutender Baumeister, Archäologen, Maler und Zeichner. Karl Friedrich Schinkel etwa ist darunter, Carl Gotthard Langhans, Friedrich August Stüler, Martin Gropius und Hans Scharoun.

© TU Berlin

Wir gehen auf eine Zeit des Umbauens zu. Oder anders gesagt: Die katastrophalen Folgen unserer Hybris, alles besser zu wissen und deshalb neu zu machen, zwingen uns endlich dazu. Viel zu spät und noch zu langsam festigt sich die Erkenntnis, dass anstelle einer auf Abriss und Neubau gerichteten Wegwerf-Architektur das Vorhandene bewahrt, adaptiert und ertüchtigt werden muss. Nur lässt sich die Bauakademie nicht mehr umbauen, schließlich gibt es sie nicht mehr: Die in ihren Mauern gespeicherte graue Energie ist verloren.

Nicole Parlow ist Bauingenieurin und Tragwerksplanerin, Kuratorin und Vorstandsmitglied des Architekten- und Ingenieurvereins zu Berlin-Brandenburg.
Nicole Parlow ist Bauingenieurin und Tragwerksplanerin, Kuratorin und Vorstandsmitglied des Architekten- und Ingenieurvereins zu Berlin-Brandenburg.

© Sven Darmer

Was es aber gibt, ist die graue Energie anderswo entsorgter Ziegel und Baumaterialien, die hier wiederverwendet werden können. Und die verborgene Energie der Entwürfe, der Ideen und Diskussionen, die unzähligen Zeichnungen und Texten, in den vielen Spolien, in der Musterecke und im Mustersaal schlummert.

Der politisch gewollte Auftrag der Jahre 2016–2019 ist keine irrlichternde Stilentscheidung, sondern die logische Folge einer über Jahrzehnte gefestigten Gewissheit: Wir brauchen eine wiedererrichtete Bauakademie, die ihrer besonderen Wurzeln gewiss an einem magischen Ort Berlins die Zukunft des Bauens selbstbewusst mitgestaltet.

Nun also mögen die besten Ingenieur*innen und Architekten*innen endlich wetteifern, wie Schinkels Anspruch, „ein Gebrauchsfähiges, Nützliches, Zweckmäßiges schön zu machen“, hinter und in seinen roten Mauern erneuert und fortgeführt werden kann. Wer ein Herz für Architektur hat und dazu den Mut, den alten Mann mit ins Büro zu nehmen, wird geflutet werden von großartigen Ideen. Was für eine Herausforderung! Was für eine Chance.

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