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Wachdienste: Sicheres Geschäft mit niedrigen Löhnen

Wachschutz ist gefragt, aber schlecht bezahlt. Bereits der derzeitige Tarif war nach Gewerkschaftsangaben umkämpft. Jetzt fürchtet die Branche Billig-Konkurrenz aus Osteuropa.

Es ist reine Routine, dass neben Sicherheitsleuten der Deutschen Bahn derzeit auch zwei Wachmänner eines privaten Berliner Securitydienstes im Hauptbahnhof aufpassen: Mit den Bundespolizisten, die angesichts der aktuellen Terrorwarnungen mit Maschinenpistolen patrouillieren, haben die Privatsheriffs nichts zu tun. Sie schützen nur die Läden und deren Adventsdekoration im Trubel des Weihnachtsgeschäfts. Auftraggeber der AMZ Wach- und Veranstaltungsservice GmbH ist die Werbegemeinschaft der Händler im Hauptbahnhof.

Die Umsätze seiner Firma seien „befriedigend bis gut“, sagt AMZ-Chef Maximilian Mohrs. Vor allem bei Veranstaltungen sei die Nachfrage nach Sicherheitspersonal seit längerem „stark ansteigend“. Die Warnungen der Bundesregierung vor Terroristen spielten dagegen kaum eine Rolle: „Das ist nicht feststellbar.“ Diesen Eindruck hat auch Sabine Gehrig, die bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin als Bereichsleiterin unter anderem für die Prüfungen im Sicherheitsgewerbe zuständig ist. Es gebe „seit Jahren einen Aufwärtstrend“. Die Branche profitiert vor allem davon, dass Unternehmen immer mehr Empfangs- und Pförtnerdienste externen Dienstleistern übertragen. Ein neues Tätigkeitsfeld kam mit der Bewachung von Schulen im Auftrag des Bezirksamts Neukölln hinzu.

„Nur im Einzelfall“ hätten Kunden wegen der Terrorwarnungen mehr Sicherheitsleute bestellt, sagt die Sprecherin der Dussmann-Gruppe, Michaela Mehls. Das Kerngeschäft der zur „Dussmann Service“ gehörenden Sicherheitsdienste sei „klassischer Wachschutz“: Die Mitarbeiter behüten zum Beispiel Exponate in den Staatlichen Museen zu Berlin und sind in Parkanlagen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten unterwegs. Die Dussmann-Sprecherin bestätigt eine allgemein „steigende Nachfrage“ .

Ein Streitthema bleibt dennoch die überwiegend schlechte Bezahlung des Personals. Die regionale Sicherheitsbranche hatte der nationalen Entscheidung um einen Mindestlohn vorgegriffen: Bereits seit Jahresbeginn erhalten Beschäftigte im Berliner Wach- und Sicherheitsgewerbe laut Tarif 6,25 Euro pro Stunde; in Brandenburg sind es derzeit sechs Euro pro Stunde. Zuvor waren in Berlin als Stundenlohn lediglich 5,50 Euro gezahlt worden und in Brandenburg sogar nur fünf Euro.

Bei Ausschreibungen der öffentlichen Verwaltungen in Berlin gilt schon ein Mindeststundenlohn von 7,50 Euro, bei anderen Aufträgen ist dieser dagegen noch nicht die Regel. Die Diskussionen werden hauptsächlich überregional geführt: Der Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS) und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hatten im Frühjahr einen Mindestlohntarif für alle 170 000 Beschäftigten im deutschen Sicherheitsgewerbe unterzeichnet. Doch der Tarifausschuss beim Bundesarbeitsministerium will erst im kommenden Januar entscheiden, ob der Mindestlohn durch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung in Kraft tritt.

Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) bedauert die „geringe Durchsetzungskraft“ der Arbeitnehmerseite: Bisher sei es nicht gelungen, „existenzsichernde Löhne tariflich zu vereinbaren“. Um Lohndumping zu unterbinden, „brauchen wir bundesweit einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn“.

Laut Andreas Splanemann, Sprecher der Gewerkschaft Verdi in Berlin, gab es schon um den jetzigen Tariflohn von 6,25 je Stunde „einen heftigen Kampf“. Wichtig sei es, „Schlupflöcher“ zu schließen. In den vorigen Jahren hätten in Berlin sogar staatliche Einrichtungen wie der Bundestag mitunter Wachleute von Firmen aus den östlichen Bundesländern engagiert. Der Auftraggeber spare in diesen Fällen Geld, weil noch immer „im Osten weniger Lohn gezahlt wird als in Berlin“.

Nun allerdings sieht sich die Branche vor einer neuen Herausforderung: Ab Mai 2011 gilt für Arbeitnehmer aus östlichen EU-Beitrittsstaaten die unbeschränkte Freizügigkeit. Damit könnten zum Beispiel polnische Sicherheitsunternehmen in Berlin aktiv werden und die Preise der hiesigen Firmen unterbieten. Auch deshalb fordert der deutsche Branchenverband den Mindestlohn: „Wir wollen verbindliche Lohnuntergrenzen, um fairen Wettbewerb zu ermöglichen“, sagt Manfred Buhl, Vizepräsident des BDWS und Vorsitzender der Geschäftsführung beim Securitas-Konzern. Ansonsten könnten Unternehmen aus den neuen mittel- und osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten die üblichen Löhne und Preise „unterlaufen und Sicherheitsleistungen in fragwürdiger Qualität erbringen“. Der Verband fordert auch „höhere Zugangshürden und strengere Qualitätsvorgaben“. Bisher sei es „fast nirgendwo in der EU so einfach, Sicherheitsunternehmen zu gründen“.

AMZ-Geschäftsführer Mohrs wünscht sich ebenfalls den Mindestlohn als Mittel gegen Billiganbieter mit geringen Qualitätsstandards. Seine mehr als 400 Mitarbeiter sind unter anderem auch für die Betreuung von Besuchern im Reichstagsgebäude zuständig und bewachen die Ausstellungsräume des Bröhan-Museums in Charlottenburg. Steigende Löhne bedeuteten aber auch steigende Preise, betont Mohrs – die Branche habe geringe Gewinnmargen und müsse Kostensteigerungen sofort an die Kunden weitergeben.

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