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Berlins Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin.

© Ralf Hirschberger/dpa

Berlins Ex-Finanzsenator: Thilo Sarrazin: „Die SPD soll mein Buch erst einmal lesen“

Wegen seines neuen Buches versucht die SPD erneut, Berlins Ex-Finanzsenator aus der Partei auszuschließen. Doch Sarrazin will bleiben.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

„Ich empfehle dringend, mein neues Buch doch erst einmal zu lesen.“ Der frühere Finanzsenator Thilo Sarrazin sitzt in seinem Ferienhaus auf Usedom und findet es komisch, dass sozialdemokratische Parteifreunde mal wieder versuchen, ihn aus der SPD zu entfernen. Es geht um sein neues Werk: „Feindliche Übernahme – Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“, das Ende August erscheint. Grund genug für den SPD-Bundesvize Ralf Stegner, in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zu fordern, ein weiteres Ausschlussverfahren gegen Sarrazin zu prüfen.

Ex-Parteichef Sigmar Gabriel sieht das ähnlich und der Regierende Bürgermeister und Berliner SPD-Chef Michael Müller sagt: „Formal ist es bisher nicht gelungen, Sarrazin die SPD-Mitgliedschaft zu entziehen. Inhaltlich und verbal hat er sich aber schon lange von der SPD und ihren Werten verabschiedet“. Sarrazin gehöre nicht in die Partei. Der ungeliebte Genosse konterte kühl. Das zweite Parteiordnungsverfahren gegen ihn, das 2011 trotz Beteiligung des SPD-Bundesvorstands gescheitert war, habe sich auf sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ gestützt. Ihm wurde Rassismus und Islamfeindlichkeit vorgeworfen. „Wer damals nichts fand, das meinen Parteiausschluss gerechtfertigt hätte, wird auch im neuen Buch nichts finden“, sagte Sarrazin dem Tagesspiegel.

In SPD-Ortsverband ließ er sich nicht mehr sehen

Er werde im innerparteilichen Machtkampf, der momentan tobe, nur „instrumentell benutzt“, mutmaßt der 73-jährige Pensionär, der seit 45 Jahren SPD-Mitglied ist und resümiert: „Seit meinem Parteieintritt hat sich an meinen politischen Einstellungen nichts geändert“. Was sich verändert habe, sei die SPD. Er sei 1973 wegen der Ost- und Friedenspolitik Willy Brandts und wegen der Finanz- und Wirtschaftspolitik Helmut Schmidts in die SPD eingetreten. „Und wegen der Forderung nach einem starken Sozialstaat.“ Auch Peter von Oertzen, damals linker Vordenker der bundesdeutschen Sozialdemokratie und Chef der SPD-Programmdiskussion, sei ein Vorbild gewesen.

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Im SPD-Ortsverband Neu-Westend, dem er seit vielen Jahren angehört, hat sich Sarrazin allerdings nicht mehr sehen lassen, seitdem ihn die Genossen aus der Partei ausschließen wollten. „Wenn er am Wochenende am Steubenplatz seine Brötchen kauft, schaut er an unserem Infostand demonstrativ vorbei“, berichtet ein Parteifreund. Die Beziehung zwischen Sarrazin und seiner Partei scheint heillos zerrüttet, trotzdem reichte es bis heute nicht zur Scheidung.

Das erste Parteiordnungsverfahren war 2009

Das erste Parteiordnungsverfahren handelte sich der promovierte Volkswirt im September 2009 mit einem Interview in der Zeitschrift „Lettre International“ ein. Der SPD-Kreisverband Spandau und der Ortsverband Alt-Pankow warfen ihm rassistische Äußerungen vor und forderten erfolglos den Ausschluss aus der SPD. Und nach der Veröffentlichung des Bestsellers „Deutschland schafft sich ab“ verlor Sarrazin zwar den Vorstandsposten bei der Bundesbank, aber er behielt sein SPD-Parteibuch.

Denn im April 2011 kam es zu einem sonderbaren Vergleich: Die Ausschlussanträge wurden zurückgezogen und im Gegenzug bekannte sich Sarrazin zu den Grundsätzen der Sozialdemokratie. Ob er mit seinem neuen Buch, das in zwei Wochen auf den Markt kommt, gegen diese persönliche Erklärung verstößt, wollen vor allem SPD-Linke jetzt offenbar prüfen.

Christian Gaebler, SPD-Kreischef in Charlottenburg-Wilmersdorf, wo Sarrazin organisiert ist, warnt jedoch vor „unbedachten Schnellschüssen“. Satzung und Schiedsordnung der SPD seien kein politisches, sondern ein juristisches Instrument. „Wir wären gut beraten, erst einmal das Buch zu lesen.“ Anschließend könnte in aller Ruhe eine hieb- und stichfeste Argumentation vorbereitet werden, die den strengen Anforderungen eines Parteiordnungsverfahrens genüge, so Gaebler. Alle Ebenen, vom Bundes- über den Landesvorstand bis zum zuständigen SPD-Kreisverband, sollten dabei kooperieren.

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