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Peter Georgi, bekanntester Weihnachtsmann Berlins in seinem Wohnzimmer in Berlin-Wilmersdorf.

© Thilo Rückeis

Heiligabend: Besuch bei Berlins bekanntestem Weihnachtsmann

Weißer Rauschebart, Lachfältchen, ein Draht zu Kindern: Das ist Peter Georgi als Weihnachtsmann. Zu seinem Job kam er über glamouröse Umwege.

Klar, dieser Posten ist nichts für junge Kerle. Voraussetzung: mindesten Sechzig oder viel besser – längst im Ruhestand.

Das passt schon mal gut bei Peter Georgi (75). Aber nicht nur das. Der Mann ist überhaupt der Richtige, einfach rundherum. Gäbe es einen Bewerbungsbogen für sein Saisongeschäft, das er mit Leib und Seele ausfüllt, er könnte alle Kästchen perfekt ankreuzen: Gebotener Bauchumfang? Fältchen rund um die Augen vom Schmunzeln und Lachen? Humor und Neugier im Blick? Alles vorhanden. Doch sein stärkstes Markenzeichen ist der schneeweiße Kaiser-Franz-Josef-Bart, von dem noch später die Rede sein wird. Eine Wucht. Kurz, Peter Georgi hat seine Lebensrolle gefunden. Er ist Berlins bekanntester Weihnachtsmann. Oder, wie manche Kinder sagen, wenn sie vor ihm stehen und staunen: „Du bist der echte Weihnachtsmann!“ Andere, na ja, „die haben doch nur 'nen angeklebten Bart.“

"Himmelpfort" kennt er nur aus der Zeitung

Obwohl, es gibt auch ein paar Mankos. Peter Georgi lebt nicht am Nordpol. Er sammelt die Geschenke nicht auf einer Weihnachtswiese ein, wie sein Namensvetter in „Peterchens Mondfahrt“. Er kommt auch nicht „draus vom Walde her“, wie Theodor Strom einst reimte. Er kommt aus dem lauschigen Wilmersdorfer Kiez. Und das märkische Dörfchen „Himmelpfort“, wo angeblich ein Kollege von ihm im Postauftrag Wunschzettel beantwortet, kennt er nur aus der Zeitung.

Alles viel zu abgefahren für Peter Georgi. Der echte Weihnachtsmann ist in einem gut bürgerlichen, pastellgrünen Mietshaus aus den Zwanzigern daheim, Nähe U-Bahnhof Bundesplatz. An der Haustür ein großes Klingelbrett, aha, da steht's: Peter Georgi. Jetzt weiter durchs Treppenhaus, vorbei an den Briefkästen. Der Weihnachtsmann wohnt im Hinterhof, Seitenflügel links, Parterre.

Logisch, dass er im Hinterhof ohne Rentiere auskommen muss

Der Hof ist ziemlich schattig und ein bisschen eng. Logisch, dass er hier ohne Rentiere klarkommen muss. Aber jetzt steht „der Peter“, wie er sich selbst gerne nennt, im Türrahmen, groß und kräftig, buschige Augenbrauen, die langen schlohweißen Haare mit einer Klammer hochgesteckt. Losgelassen, das demonstriert er später, fallen sie ihm engelsgleich über die Schultern hinweg. Jetzt macht er aber erstmal eine einladende Handbewegung und ein freundliches Gesicht, wie man es vom klassischen „Santa Claus“ der Coca-Cola-Company kennt – diesem netten älteren Herrn, der 1931 als weihnachtlichen Werbefigur des Getränke-Konzerns erschaffen wurde.

„Hallo, meine Sonne!“ grüßt Georgi überschwänglich, dann führt er in den Flur. „Bitte Schuhe ausziehen.“ Nun ja, der Weihnachtsmann hat auch im Alltag eine gewisse Theatralik und ist etwas pingelig. Außerdem mag er Kakteen und Kunstblumen über alles, das sieht man gleich. Am Küchenfenster entfaltet ein Weihnachtskaktus seine Schönheit, im kleinen Salon herrscht ewiger Frühling, Rosen, Lilien und Amaryllen blühen üppig in Porzellanvasen. Rundherum alles schön plüschig, Antikmöbel, ein kunterbunter Teppich, viel Nippes. Man möchte beim Weihnachtsmann nicht abstauben.

Hier lebt Peter Georgi seit vielen Jahren bewusst alleine. „Das Schönste ist, wenn ich heimkomme und keiner sabbelt mir die Ohren voll“, sagt er. Mitten im Raum stehen zwei gewichtige, rote Samtsessel. In einem macht sich's der Weihnachtsmann jetzt zum Interview bequem und zupft, voller Lust zu Plaudern, an seinem kunstvoll gestalteten Rauschebart.

Peter Georgi als Weihnachtsmann im Kaufhaus des Westens.
Peter Georgi als Weihnachtsmann im Kaufhaus des Westens.

© DPA

Dieser Bart und Berlins populärstes Kaufhaus – das KaDeWe am Wittenbergplatz – haben ihn berühmt gemacht. „Im Kaufhaus des Westens bin ich als Weihnachtsmann groß geworden“, erzählt Georgi. Dort war er dreizehn Jahre lang, von 2000 bis 2013, der „Santa Superstar“, wie ihn die Medien nannten. Wenn er im Foyer aus seinem großen Sack die Kinder bescherte, war er voll in seinem Element. Alljährlich steckte ihn das Kaufhaus in ein extravagantes Haute-Couture-Kostüm. Mal orientalisch prachtvoll bestickt, mal blütenweiß von der Mütze bis zum Stiefel, aber niemals der rot-weiße Nikolaus-Klassiker. Das hatte Klasse, sogar ein Chanson verherrlichte ihn: „Du schöner Mann, so rein wie Schnee, Dich trifft man nur im KaDeWe.“

Fünfzehn Familien beschert er am Heiligen Abend

Alle liebten ihn, keine Frage, ein Weihnachtsmann weiß, wie man mit Menschen umgehen muss und hat einen guten Draht zu Kindern. Zahlreiche Promis lernte er in diesem Job kennen. Bis ihn das KaDeWe im Herbst 2014 nicht mehr haben wollte und überraschend in die Zwangsrente schickte. obwohl er gerne geblieben wäre. Ein Proteststurm brach los, sogar eine Online-Petition wurde gestartet, 1800 kleine und große Fans unterschrieben. Es herrschte Empörung statt Besinnlichkeit. Aber das KaDeWe blieb hart. Und Peter Georgi fand neue Wirkungsstätten. Erst engagierte ihn das Einkaufszentrum „Potsdamer Platz Arkaden“ vom Fleck weg, dann wechselte er zur Galeria Kaufhof am Alex. Dort war er auch in den vergangenen Wochen im Einsatz, gestern zum letzten Mal in dieser Saison.

Doch heute geht er als Weihnachtsmann nochmal voll auf Tour. Fünfzehn Familien mit Kindern haben ihn gebucht, darunter etliche Prominente, die sein Talent noch aus KaDeWe-Zeiten schätzen. Soulsängerin Sarah Connor mit ihren vier Sprösslingen zum Beispiel. „Da bin ich jedes Jahr“, sagt Georgi. Von 10 Uhr bis spätabends ist er unterwegs, wird von Eltern kreuz und quer durch die Stadt kutschiert, von Auftritt zu Auftritt.

Ein umtriebiger Schauspieler

Gäbe es in Berlin eine Schule für Weihnachtsmänner, welche Tipps würde der Peter Anfänger ans Herz legen? „Sei charmant“, sagt er. „Hab’ immer einen flotten Spruch parat. Und rede mit den Kindern auf Augenhöhe.“ Die Rute? „Furchtbar“ Der autoritäre Weihnachtsmann ist nicht sein Ding. Alle sollen später sagen, „der war ulkig und nett“. Also kommt er mit „Ho, Ho, Ho!“ rein und fragt nicht: Wart ihr schön brav? Hat eines der Jüngsten gerade in die Windeln gemacht, nimmt er es trotzdem auf den Schoß. Und wenn der Weihnachtsmann sein dickes, goldenes Buch aufschlägt und studiert, was über die Kinder so alles drinnen steht, beispielsweise, dass Ronja beim Schlafengehen immer Zirkus macht, dann wird er nicht böse und hat auch keinen familientherapeutischen Ansatz. Georgi springt auf. Er spielt am liebsten vor, was er erzählt: „Stimmt das, mein Engelchen?“ – „Ja, Herr Weihnachtsmann“ – „Na, dann lass uns mal überlegen, wie wir das ändern können.“

Ganz der rot-weiße Klassiker - im Advent 2017 in der Galeria Kaufhof am Alex
Ganz der rot-weiße Klassiker - im Advent 2017 in der Galeria Kaufhof am Alex

© Christoph Stollowsky

Zu manchen Kindern entwickelt sich eine dauerhafte Freundschaft. Im KaDeWe stand einst Felix vor ihm, „tip-top angezogen, Brille und Scheitel“, ein lustiger kleiner Kerl. „Felix, was wünschst Du Dir?“ – „Eine Bohrmaschine.“ – „Warum?“ – „Um zu Hause alle Möbel anzubohren.“ Das beeindruckte den Weihnachtsmann. Felix kam alle Jahre wieder, zuletzt mit Tränen in den Augen. Die Familie zog nach Australien. Seither schreiben die zwei sich Briefe. Doch Peter Georgi kommt längst nicht nur bei den Jüngsten gut an. Vor ein paar Jahren brachte ihn die BVG als Nikolaus auf Großplakate in allen U-Bahnhöfen. Und im Musikvideo zum Song „Amerika“ der Rockband „Rammstein“ spielte er 2015 den Santa Claus. Die Musiker dankten begeistert: „Du bist der geilste Weihnachtsmann der Welt.“

Entdeckt wurde der Peter von Inge Meysel

Dabei ist Peter Georgi ein echter Quereinsteiger. Mehr als vier Jahrzehnte lang machte er erstmal in Hamburg auf ganz andere Weise Karriere. An der Elbe ist er aufgewachsen, dort avancierte er vom Einzelhandelslehrling bei „Peek & Cloppenburg“ zum Zentraleinkäufer in der Chefetage des Kaufhauses. Doch mit knapp 50 stellte er sein Leben auf den Kopf. Was nicht zuletzt ein Verdienst von Schauspielerin Inge Meysel war. Auf dem Weg zur Arbeit kam er Ende der 80er Jahre am S-Bahnhof an einem Dreh mit der Meysel vorbei. „Tag Frau Meysel, wie geht’s?“ rief er. „Was erlauben Sie sich, mich anzusprechen!“ konterte sie. „Aber Frau Meysel, Sie sind doch ein großer Star.“ Das begütigte sie. Man kam ins Gespräch, sie bemerkte sein schauspielerisches Talent und fand, er sei überhaupt eine außergewöhnliche Erscheinung mit seinem Bart wie zu Kaisers Zeiten und der langen Haarpracht. Beides gehörte schon damals zu seiner persönlichen Note. „Die Inge“, erzählt er, „vermittelte mir erste Komparsen- und Kleindarstellerjobs“. Er stellte fest: „Das ist mein Ding, Schauspielern ist das Allerschönste.“ Besser als im P&C-Auftrag durch die Welt zu jetten. Georgi kündigte und zog nach Berlin.

Bei "My Fair Lady" im Theater des Westens war er auch dabei

Wie’s weiterging, davon erzählt auch ein „My Fair Lady“-Plakat des Theaters des Westens im Salon. Jahrelang übernahm er während der Intendanz von Helmut Baumann auf der Bühne an der Kantstraße kleinere Rollen. In „My Fair Lady“ spielte er einen strammen Oberst. Auch im Filmgeschäft und in der Modebranche ging für ihn nun die Post ab.

Ständig fallen ihm Hochkarätige ein, mit denen er schon vor der Kamera stand. Mit Ben Becker spielte er im „Tatort“, mit Götz George im Psychothriller „Der Sandmann“, mit Action-Star Jackie Chan in der Komödie „In 80 Tagen um die Welt“, in der ZDF-Krimiserie „Rosa Roth“ mit Iris Berben und Christoph Waltz. In „Troja“ mit Brad Pitt schlägt er, mal ganz und gar nicht Weihnachtsmann-like, als Barbar seinen Gegner mit dem Schwert die Köpfe ab. Im Film „Die Eisprinzessin“ mit Katarina Witt drehte er in Babelsberg in der Marlene-Dietrich-Halle, in „Praxis Bülowbogen“ spielte er einen Penner. „Eine meiner Lieblingsrollen“, sagt Georgi. Zur Zeit stellt er in einer Serie „einen alten Knacker“ dar, der betagten Damen als Hochstapler die Köpfe verdreht.

"I love you" rief Modeschöpfer Jean-Paul Gaultier

Und wie kam der Tausendsassa Peter auf den Catwalk? Den Weg dorthin ebneten ihm Mitte der Neunziger ein paar Porträtbilder des Fotostudios „Urbschat“ am Ku'damm, auf denen er posierte. Die Fotos fielen der Agentur des französischen Modeschöpfers Jean-Paul Gaultier auf, Georgi wurde 1996 zum Casting ins Grand Hotel Berlin bestellt, „zusammen mit lauter schönen jungen Menschen", erinnert er sich. „Was soll ich alter Zausel da“, dachte er. Doch Gaultier mit seiner Vorliebe für schräge Modelle war wie verknallt in ihn. „Der rief ,I love you!’ und zupfte an meinem Bart – ,Is it real?’“ Wenig später lief Georgi über Gaultiers Laufsteg mit hohen Stiefeln, kurzem Rock und Kapitänsjacke. Seither ist er das älteste Gaultier-Modell der Welt, modelte mit Claudia Schiffer, Heidi Klum, Naomi Campbell und anderen Tops der Branche, fliegt jährlich nach Mailand und Paris, um die neuesten Kollektionen vorzustellen.

Zwei Stunden tägliche Bartpflege

Das alles dokumentieren hunderte Fotos in Peter Georgis Wohnung. Drei Zimmer, tapeziert mit Erinnerungen. Ein Bild zeigt ihn zusammen mit Harald Juhnke und Günter Pfitzmann. „Der Harald war ganz schön selbstverliebt“, sagt er. „Bekam beim Kaffee im Kempinski schlechte Laune, wenn ihn keiner als Star erkannte.“

Schauspieler, Fotoshootings. Eine männliche Diva ist er dadurch nicht geworden. Er kann noch herzlich über sich lachen. Aber das Showbusiness hat ihn perfekt auf seine Glanzrolle als Weihnachtsmann vorbereitet und ist für ihn neben seiner Rente „ein finanzielles Zubrot“. Logisch, ein Weihnachtsmann muss ja auch außerhalb der Saison zu Geld kommen. Wie? Das wollte schon Erich Kästner in seinem „Interview mit dem Weihnachtsmann“ brennend gerne erfahren. Aber zurück zu Peter. Wie bekam er eigentlich sein allererstes Engagement im Advent? Das war Ende der 90er. Ein Fremder auf der Straße hielt fasziniert vor ihm an . „Sie sehen aus wie der Weihnachtsmann!“ rief der. „Ihr Bart, toll. Kann man Sie buchen?“

Ach ja, der Bart. Seine morgendliche Zeremonie mit diesem Prachtstück führt Peter Georgi jetzt noch kurz vor. Gut zwei Stunden dauert die tägliche Bartpflege. Waschen, Föhnen, Festiger sprayen, mit Rundbürste und Lockenwickler das Ganze designmäßig in Form bringen. Es lohnt sich. Früh, beim Bäcker, wird er gefragt: Wie geht’s, Herr Weihnachtsmann? Und selbst im Urlaub in der Karibik grüßte ihn vor zwei Jahren der Hotelier: „Hallo, Santa Claus!“

Aber heute muss er erstmal bei seiner Rundreise zu 15 Familien heftig ackern. Und danach? Dann genießt er am Heiligen Abend daheim, allein im Sessel, nochmal „all die wunderschönen Erlebnisse“. Wer ihn anruft, muss sich mit dem Beantworter begnügen. „Alles Liebe, alles Gute. Immer Euer Peter. Tschüss.“

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