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Leben mit Aussicht. Maria de la Mar Ruizminambré lässt ihre Heimat Spanien hinter sich, um in Potsdam eine Ausbildung als Köchin zu absolvieren.

© Manfred Thomas

Bewerbermangel in der Gastronomie: Azubis aus Spanien braten in Brandenburg die Schnitzel

Brandenburg sucht dringend Lehrlinge, vor allem in der Gastronomie. Deutsche Bewerber gibt es kaum, dafür kommen immer mehr Spanier. Auch Maria de la Mar Ruizminambré hat ihre Heimat verlassen, um in Potsdam Köchin zu werden.

Von Matthias Matern

Zwei Jahre lang hat sie in Barcelona vergeblich nach einem besser bezahlten Job gesucht, jetzt steht Maria de la Mar Ruizminambré mit Karin Bethke von der Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK) vor einem der aufgepeppten Plattenbauten an der Galileistraße im Stadtteil Am Stern. Dort haben sie sich verabredet mit der Vormieterin einer Dreiraumwohnung im vierten Stock. Ruizminambré braucht noch dringend eine Bleibe. Am nächsten Tag will die 25-Jährige eine dreijährige Ausbildung als Köchin im Potsdamer Restaurant „Loft“ beginnen. „Zuletzt habe ich in Barcelona als Gärtnerin gearbeitet, dabei aber zu wenig verdient. Ich freue mich, dass es morgen endlich los geht – wirklich. Ich koche einfach gerne“, erzählt die junge Spanierin in einem Gemisch aus Deutsch und ihrer Muttersprache, während Bethke per Handy mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft die letzten Details abspricht – Ruizminambré will die Wohnung haben.

Die IHK Potsdam hat im Frühjahr 27 spanische Jugendliche zu einem Praktikum nach Brandenburg geholt

Bethke hat die Tage viel zu tun. Wenn sie nicht Wohnungen besichtigt, kümmert sie sich um freie Kitaplätze oder besorgt Formulare für Wohnberechtigungsscheine. Um insgesamt 25 Spanier muss sich die Mobilitätsberaterin der Kammer kümmern. Wegen des wachsenden Azubi- und Fachkräftemangels im brandenburgischen Hotel- und Gaststättengewerbe hat die IHK Potsdam im Frühjahr 27 spanische Jugendliche ohne Job oder Ausbildungsplatz zu einem mehrmonatigen Praktikum samt Sprachkurs nach Brandenburg eingeladen. Andere aus der Gruppe gehen etwa nach Perleberg oder nach Kloster Zinna.

Karin Bethke hat aber durchaus Verständnis, wenn einer der jungen Spanier „kalte Füße“ bekommt – so weit weg von zu Hause. „Entweder gehört viel Mut oder viel Verzweiflung dazu“, glaubt Bethke. Allerdings könne jeder der spanischen Azubis jederzeit die Lehre abbrechen, verspricht sie. Erst vor kurzem hatten zwei Spanierinnen, die in der neurologischen Rehabilitationsklinik in Beelitz (Potsdam-Mittelmark) arbeiten und wieder in ihre Heimat wollen, über Knebelverträge geklagt. Sie sollen ihrem Arbeitgeber jeweils rund 7000 Euro zahlen – eine Art Wiedergutmachung. Schließlich seien beide anfangs für einen Sprachkursus freigestellt worden. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi berichtet sogar in solchen Fällen von Kündigungsgebühren in Höhe von bis zu 10.000 Euro. Bethke aber schüttelt den Kopf: „Unserer Verträge sind sauber.“

Maria will im September ihren kleinen Sohn nachholen

Mit ihren knallrot gefärbten Haaren, auf einer Seite rasiert, den stark geschminkten Augen und den Lippenpiercings macht Maria de la Mar Ruizminambré ohnehin nicht den Eindruck, als wenn sie aus Heimweh schnell das Handtuch werfen würde. „Nein, Bedenken oder Angst hab ich von Anfang an keine gehabt. Ich war schon davor öfter in Deutschland, habe da viele Freunde.“ Nur einen kurzen Moment offenbart Ruiz eine gewisse Empfindsamkeit – und zwar, wenn man sie nach ihrem sechsjährigen Sohn fragt. „Ich vermisse ihn. Im September will ich ihn herholen.“

Unter anderem diese Einstellung, für ein Ziel auch Unangenehmes in Kauf zunehmen, hat Ruizminambrés künftigen Chef Thomas Schulze überzeugt. „Maria hat Biss, die will. Wenn junge Leute sich 2000 Kilometer ans Bein binden, um eine Ausbildung zu machen, dann sind sie motiviert. Warum soll ich da meine Energie an Leute verballern, die keine Lust haben?“, meint der Inhaber vom Restaurant Loft. Wie viele seiner Kollegen hat er zunehmend Schwierigkeiten, geeignete deutsche Bewerber für eine Lehrstelle zu bekommen. Der IHK zufolge werden im Kammerbezirk Potsdam kurz vor Ausbildungsbeginn im September nach wie vor 137 Koch-Azubis gesucht.

Die Arbeitgeber klagen über schlecht ausgebildete Lehrstellenbewerber

Überdies bricht laut Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn allein bei den Köchen in Brandenburg mehr als die Hälfte der Lehrlinge ihre Ausbildung vorzeitig ab, und die Zahl der unbesetzten Stellen im Hotel- und Gaststättengewerbe landesweit lag im Juli nach Angaben der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit bei 1083 Stellen. Über die aus seiner Sicht mangelhafte Einstellung und ungenügende schulische Vorbildung viele deutscher Lehrstellenbewerber kann sich Loft-Chef Schulze richtig in Rage reden. „Die können nicht lesen, nicht schreiben und nicht rechnen. Ich frage mich manchmal, warum hat man die überhaupt zehn Jahre auf die Schule gehen lassen. Vielleicht muss man erst mal im Dreck liegen, ums raus zu wollen“, schimpft er.

Ruizminambré schwärmt derweil, „die Arbeit macht Spaß, die Kollegen sind nett, der Chef auch“. Gerade war sie noch mal zum Abschied in Spanien. Natürlich sei sie über Deutschland ausgefragt worden. „Vor allem das Essen und das Wetter waren Themen.“ Viele Spanien meinen, die Deutschen trinken viel Bier und essen am liebsten Kartoffeln und Wurst. Und sie selbst? „Mir schmeckt Schnitzel am besten.“

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