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Berlin: Bezirk für Bezirk: Da bleibt keine Praxis offen

Ärzte wollen jeweils eine Woche lang dichtmachen – weite Wege für Patienten während der Proteste

Die Berliner Kassenärzte wollen sich mit flächendeckenden Praxisschließungen an den bundesweiten Protesten gegen die Gesundheitspolitik der Bundesregierung beteiligen. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) hat nach Tagesspiegel-Informationen Dienstpläne erarbeitet, nach denen alle Arztpraxen in einem kompletten Bezirk jeweils für eine Woche schließen. Dies ist eine Verschärfung der schon im Dezember angekündigten Aktion, nach der im wechselnden Rhythmus rund 1000 der 6200 Berliner Praxen einen Tag lang keine Patienten annehmen sollen. Für die Patienten bedeutete dies wesentlich längere Wege, da sie auf einen Mediziner im Nachbarbezirk ausweichen müssten, und längere Wartezeiten in übervollen Praxen. Die Aktion soll am 27. Januar starten und fünf Wochen dauern. „Wir müssen diesen Dienstplan erarbeiten, damit trotz der Proteste die Patientenversorgung gesichert ist“, sagt KV-Geschäftsführer Dusan Tesic.

Die Medizinerproteste wurden von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung initiiert. Hintergrund: Die Gesundheitsministerin will im nächsten Jahr eine Nullrunde bei den Arzthonoraren, die einen Reallohnverlust von acht Prozent bedeute, so Ärztevertreter. Mit dem Protest erfülle man genau das, was die Politik wünsche, eine „ausreichende“ Versorgung, sagt der Berliner Ärztekammerpräsident Günter Jonitz. „In Schulnoten ausgedrückt bedeutet das eine Vier.“

Am kommenden Mittwoch will die Berliner KV ihre Dienstpläne auf einer Vollversammlung den Ärzten vorstellen. Dazu erwartet sie rund 700 niedergelassene Mediziner. Nicht alle stehen hinter den Aktionen. Während es bei den Fachärzten viel Zustimmung gibt, sind die Allgemeinmediziner kritischer. „Viele meinen, dass die Gesundheitsreform ihnen zugute käme“, sagt Angelika Prehn, stellvertretende Vorsitzende des Berliner Hausärzteverbandes. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt plant, die Allgemeinmediziner gegenüber den Fachärzten zu stärken, zum Beispiel dadurch, dass die Patienten erst einen Allgemeinarzt aufsuchen müssen, der sie dann bei Bedarf an einen Fachkollegen überweist. Doch Prehn geht davon aus, dass sich auch unter den Allgemeinärzten eine Mehrheit für den Protest findet. „Wegen der Solidarität, schließlich kämpfen wir für das Gleiche.“

Der Berliner Gesundheitsstaatssekretär Hermann Schulte-Sasse kritisiert die Proteste und kündigt Konsequenzen an. Die Schmerzgrenze, ab der die Senatsgesundheitsverwaltung als Aufsichtsbehörde eingreifen müsse, sei erreicht, wenn einem Kranken in zumutbarer Nähe und in zumutbarer Wartezeit keine ärztliche Hilfe geleistet werde. „Wenn die Ärzte tatsächlich alle Praxen in einem ganzen Bezirk schließen, dann ist diese Grenze überschritten.“ Auch die Krankenkassen drohen mit Folgen. „Das wäre ein eklatanter Bruch der Vertragspflichten als Kassenarzt“, sagt Rolf D. Müller, Chef der Berliner AOK. Die Mediziner müssten dann mit Konsequenzen, wie gekürzten Honoraren und dem Entzug der Kassenzulassung rechnen.

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