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Berlin: Bezirke wollen ihre Kultur vorm Finanzsenator retten

Bürgermeister leisten Widerstand gegen Sarrazins Kürzungspläne: Senat soll stattdessen auf Landesebene nach Sparmöglichkeiten suchen

Bei den geplanten Kürzungen der Bezirkszuweisungen muss der Senat sich auf erheblichen Widerstand einstellen. Sowohl aus den Bezirken als auch den Fraktionen im Abgeordnetenhaus kamen gestern empörte Reaktionen. Alice Ströver von den Grünen sprach von einem „Sarrazinschen Amoklauf“. Die Bürgermeister der zwölf Bezirke haben hinter den Kulissen bereits den Kampf gegen die drastischen Sparmaßnahmen aufgenommen.

Die neuerlichen Kürzungen begründet die Finanzverwaltung einmal mehr mit der Verfassungswidrigkeit des Doppelhaushalts für dieses und das nächste Jahr. Deshalb soll vor allem in der Kultur alles gestrichen werden, was über den gesetzlichen Auftrag hinausgeht. Der Tenor war gestern einhellig: „Das ist das Ende der Kulturarbeit in den Bezirken“, sagte die kulturpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Dagegen müsse man irgendwie vorgehen.

Das hat der Rat der Bezirksbürgermeister, der sich regelmäßig zu informellen Runden trifft, bereits getan. Vergangene Woche waren die geplanten Kürzungen hier Thema, sagte Ekkehard Band (SPD), Bürgermeister von Tempelhof-Schöneberg, dem Tagesspiegel. „Seitdem haben wir schon Gespräche mit einigen Abgeordneten im Hauptausschuss geführt.“ Der muss die Kürzungen absegnen.

Kultursenator Thomas Flierl (PDS) hatte erst vergangene Woche hatte er im Kulturausschuss die Arbeit der Bezirke gelobt. Alice Ströver fragte gestern: „Findet Flierl im Senat überhaupt noch Gehör für seine Anliegen?“ Der Kulturstadtrat von Tempelhof-Schöneberg, Dieter Hapel (CDU), forderte von Flierl ein Gipfeltreffen mit den Kollegen aus den Bezirken. Flierl hörte gestern erstmals von den Plänen. In einer ersten Reaktion aus seiner Pressestelle hieß es, er wolle das im Senat noch einmal „zum Thema machen“.

Das Beispiel von Charlottenburg-Wilmersdorf zeigt, wie wenig Spielraum noch bleibt: 231000 Euro müsste der Bezirk in diesem Jahr bei den freiwilligen Leistungen einsparen, davon knapp 100000 Euro in der Kultur. Laut Bürgermeisterin Monika Thiemen (SPD) waren für die Bezirkseinrichtungen gerade einmal 20000 Euro eingeplant. Also müsse man versuchen, beim Personal zu sparen. Da die Einsparsummen mit jedem Jahr deutlich steigen, müsse man ab dem kommenden Jahr mit Schließungen rechnen.

Der Kulturstadtrat von Reinickendorf, Thomas Gaudszun (SPD), schätzt, dass schon im nächsten Jahr 50 Prozent der kulturellen Einrichtungen werden schließen müssen. Sein Vorschlag: „Der Senat sollte auf Landesebene nach Einsparpotenzial suchen.“ Die 2,6 Millionen Euro, die das Vorhaben einbringe, seien wenig im Vergleich zu den zwölf Millionen, die der Senat ohne ein Wimpernzucken dem Tempodrom zuschiebe.

Neben der Kultur auch ist die Bürgerberatung von den Kürzungen betroffen. Wer zum Beispiel einen Bauantrag stellen will, kann sich vorher Rat in den Bezirksämtern holen. Hier würden sich die Wartezeiten spürbar verlängern, schätzt Bürgermeisterin Monika Thiemen. In den Sozialämtern konnten viele Stadträte die Folgen auf die Arbeit gestern noch nicht absehen. Offenbar war manchen nicht bewusst, was sie da in Händen halten, als der Senat sie im Dezember informierte. „Die konnten das vielleicht einfach nicht glauben“, vermutet Brigitte Lange von der SPD.

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