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DasEichhörnchen war das  Emblem des Kinderheims. Ehemalige Bewohner und Erzieher haben den Verein „Königsheider Eichhörnchen e.V.“ gegründet.

© Kitty Kleist-Heinrich

Auf der Suche nach der Kindheit: Das Berliner IBZ Königsheide widmet sich früheren Heimkindern

Das Kinderheim Königsheide in Berlin-Johannisthal war einst die größte und modernste Einrichtung der DDR. Viele Ehemalige haben sich in einem Verein zusammengeschlossen.

Von Simone Jacobius

Die Eichhörnchen waren einst das Emblem des ehemals größten Kinderheims der DDR. Und die sprunghaften Tierchen sind auch Namensgeber des Vereins Königsheider Eichhörnchen, deren Vorstandsvorsitzende Sabrina Knüppel ist. In dem Verein haben sich im Jahr 2008 ehemalige Heimbewohner des Kinderheims in Treptow-Köpenick zusammengeschlossen.

Ende September 2018 wurde auf dem heute als Wohnpark genutzten früheren Heimgelände das Informations- und Begegnungszentrum (IBZ) Königsheide vom Verein Königsheider Eichhörnchen und der Gründungsinitiative Stiftung Königsheide e.V. mit einem großen Festakt eröffnet. Jetzt feierte es seinen fünften Geburtstag.

Wichtiger Ort der DDR-Geschichte

„Es ist ein wichtiger Ort der DDR-Geschichte, den wir erhalten wollten. Zu viele Erinnerungen sehr vieler Menschen sind damit verbunden. Doch wir als Verein hätten das aus finanziellen Gründen nicht alleine stemmen können“, erzählt Sabrina Knüppel, die im Verein die Vorstandsvorsitzende und in der Stiftung die stellvertretende Vorsitzende ist.

Rund 25.000 Jungen und Mädchen, vom Säugling bis zum 18. Lebensjahr, sind zwischen Oktober 1953 und Ende 1997 in dem Kinderheim Makarenko an der Südostallee in Johannisthal aufgewachsen. Hinzu kommt der immens große Stab an Mitarbeitern. „Sie alle haben die jeweilige Lebenssituation vor Ort geprägt und sie wurden alle durch diese geprägt. Viele – zum Teil höchst tragische – Schicksale sind damit verbunden, die zugleich Auftrag geben, sich um eine profunde Aufarbeitung der Geschichte des ehemaligen Kinderheimes zu bemühen“, weiß die Vorsitzende.

Bis zu 600 Kinder lebten zeitgleich in den vier Wohnhäusern des damals größten und modernsten Kinderheims. Es gab eine Schule, eine Säuglingsstation, ein Ambulatorium und Einrichtungen für die Bewirtschaftung.

Sabrina Knüppel

© Alex Grimm

Die Königsheider Eichhörnchen sind eher durch Zufall gegründet worden. Denn auch in der Familie von Sabrina Knüppel spielte die Fremdunterbringung des Vaters eine Rolle. „Das hatte Auswirkungen auf meine Kindheit“, erzählt sie. Als Erwachsene begann sie damit, ein bisschen Ahnenforschung zu betreiben. Davon sprach sie beim Geburtstag einer Freundin. „Eine Frau, die dort zu Gast war, erzählte, dass sie im Heim Königsheide aufgewachsen ist. Sie bat mich, ihr bei der Recherche nach ihrer Familie zu helfen. Das war ganz dramatisch, hatte sie doch noch drei Geschwister“, sagt Sabrina Knüppel. Sie fand heraus, dass es bereits einen Zusammenschluss Betroffener gab und stellte den Kontakt her.

Vereinssitz auf historischem Gelände

Als der Runde Tisch Heimunterbringung die Entschädigungsansprüche von Betroffenen publik machte, musste der Verein her, um bei der Antragstellung unterstützen zu können. Das erste Büro entstand in Friedrichshain, jetzt sitzen sie in einem der Pförtnerhäuschen des ehemaligen Kinderheims. Der Investor, der das Areal kaufte, hatte sich bereit erklärt, es ihnen zur Verfügung zu stellen. Denn es bestand der Wunsch, am historischen Ort an seine Geschichte und die damit verbundenen Schicksale zu erinnern. Ein entsprechender Beschluss der BVV Treptow-Köpenick wurde gefasst. Während 2016 schon die ersten Mieter in den neuen Wohnpark einziehen konnten, wurde ihre neue Vereinsstätte erst 2018 bezugsfertig.

Es ist eine herausfordernde Suche, die teilweise Jahre dauert

Sabrina Knüppel

Viele ehemalige Bewohner kommen jetzt ins IBZ, manche engagieren sich im Verein, der für sie eine Ersatzfamilie geworden ist. Andere kommen mit konkreten Suchaufträgen nach Familienangehörigen, andere haben nur den Wunsch, ein Kindheitsfoto zu haben, um es ihren Enkeln zeigen zu können. „Es ist eine herausfordernde Arbeit, die teilweise Jahre dauert. Die Fotosuche ist da noch das einfachste, dank unseres großen Fotoarchivs“, erklärt Sabrina Knüppel. Viele Unterlagen wurden mit dem Fall der Mauer vernichtet. Doch es gibt auch Erfolgserlebnisse und die seien dann total motivierend.

Die untergebrachten Kinder spiegeln die jeweilige Zeit wider. Während es bei der Eröffnung vor allem Kriegswaisen und Kinder von Funktionären waren, die keine Zeit hatten, waren es in den 60er-Jahren viele Mauerkinder, also von Flüchtlingen, die ihren Nachwuchs zurückließen. 1989 waren es dann die Wendekinder. Aber viele stammten auch aus asozialen Verhältnissen, „wobei der Begriff damals sehr eng gefasst war“, wie die Vorsitzende heute weiß. Dennoch war es nicht für alle Kinder eine Strafe, in das Heim zu kommen, sondern für manche auch die Rettung, ist sie überzeugt.

20
Stunden Vereinsarbeit zusätzlich zum Vollzeitjob

Das IBZ lebt von der Arbeit der Vereinsmitglieder – und von Spenden. Ein Stamm von 15 Leuten arbeitet regelmäßig mit, zehn bis zwölf decken die Öffnungszeiten im neuen Stammhaus ab, das bis zu vier Tage die Woche geöffnet ist. Eine ganz schöne Herausforderung für jemanden wie Sabrina Knüppel, die einen Vollzeitjob als Dozentin im Bundesverwaltungsamt hat und zudem Familie. Etwa 20 Stunden die Woche arbeitet sie noch zusätzlich in der Königsheide. Dort werden auch Zeitzeugengespräche und regelmäßige Führungen angeboten, die nächste am 4. November.

Neben dem fünfjährigen Bestehen des IBZ steht auch der nächste Geburtstag an. Am 2. Dezember 1953 haben Herbert Fechner (von 1953 bis 1961 stellvertretender Oberbürgermeister von Ost-Berlin) und Friedrich Ebert junior (von 1948 bis 1967 Oberbürgermeister von Ost-Berlin) das neu erbaute Hauptkinderheim Ostberlins seiner Bestimmung übergeben. Daher wird es eine Festveranstaltung, ebenfalls vom IBZ Königsheide organisiert, am Samstag, dem 2. Dezember ab 14 Uhr im Kiezklub im Rathaus Johannisthal geben.

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