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In einem BVG-Bus in der City West (Symbolfoto) fiel der Touristin der Verlust ihrer Brieftasche auf.

© dpa

Von Tag zu Tag: Ein Verlust mit Happy End

Eine Seniorin aus Bremen vermisst in Charlottenburg plötzlich ihre wertvolle Brieftasche – und erlebt dann große Hilfsbereitschaft.

„Moment, ich muss gerade noch eine Nachricht abschicken“, sagt die Frau, die hier einfach nur Erica genannt werden möchte, bevor sie dem Anruf ihre Aufmerksamkeit schenkt. Ein kleines Osterwunder habe sie erlebt, erzählt sie. An dessen Ende steht eine neue WhatsApp-Gruppe mit dem Namen „Portemonnaie“. Rührend, verrückt, überraschend, wundersam nennt die Bremerin in den nächsten Minuten ihre Erlebnisse in Berlin. Was hat die Stadt mit ihr gemacht, dass sich diese Frau beim Erzählen fast überschlägt?

Schreck im Bus

An den Ostertagen besucht sie Verwandte in Berlin. Eines Abends isst die 77-Jährige bei einem Japaner in der Kantstraße. Sie bezahlt mit ihrer EC-Karte, verlässt das Restaurant und steigt in den Bus am Ku’damm. Es stinkt ganz furchtbar, sie holt deshalb ihren Schal aus der Tasche, hält ihn sich vor die Nase. Als sie ein paar Haltestellen weiter wieder aussteigt und ihren Schal wieder verstauen will, fällt ihr auf: Die Brieftasche ist weg. Ein 1500 Euro teures Designerstück – samt Pass, Führerschein, Kreditkarten und Visitenkarte. Diebstahl? Nein, daran denkt Erica nicht.

Gemeinsame Suche im Restaurant

Sie läuft zurück zum Restaurant, in der Hoffnung es dort vergessen zu haben. Eine Gruppe Libanesen sitzt inzwischen an ihrem Tisch. Gemeinsam suchen sie das Portemonnaie. Vergeblich. Panisch, aufgebracht sei sie gewesen. „Aber die jungen Menschen waren so toll zu mir.“ Sie helfen ihr, das Konto zu sperren, rufen die Polizei.

„Vermissen Sie was?“

Kann man an einem Abend so viel verlieren und trotzdem gewinnen? Kann man, wie sich herausstellt, als ihr Handy klingelt. „Vermissen Sie was?“, fragt die Frau am Ende der Leitung. Ein bulgarisches Pärchen hat ihr Portemonnaie im Bus zwischen zwei Sitzen gefunden. Also doch im Bus! „Wir fahren dich hin!“, beschließt die libanesische Gruppe sofort. „Rührend, oder?“, Erica kann es immer noch nicht glauben. Später am Abend fällt sie dem Studentenpaar aus Bulgarien in die Arme. Die beiden hätten ihr Portemonnaie verkaufen, mit den Kreditkarten einkaufen gehen können. Haben sie aber nicht. Zum Dank will sie ihnen ein Essen bezahlen. Die Studenten aber bestehen darauf, mit ihr essen zu gehen. Abgemacht!

Waren es an diesem Abend mehrere glückliche Zufälle? Erica weiß es nicht. „So etwas Großartiges habe ich noch nie erlebt.“ Libanesen, Bulgaren, die kannte sie zuvor nur als Polizeinachrichten. „Ich glaube, da müssen wir unsere Einstellung auch mal ändern", sagt sie noch und muss dann auflegen. Neue Nachricht im Posteingang. Von den Freunden aus Berlin.

Julia Bernewasser

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