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Regina Jonas wurde 1935 die erste Rabbinerin der Welt. Sie engagierte sich im „Jüdischen Frauenbund“ für Geschlechtergerechtigkeit.

© Wikipedia/OgreBot

Eine Straße in Berlin für erste Rabbinerin: Kohlfurter Straße und Admiralbrücke sind Anwohner-Favoriten für Umbenennung

In Kreuzberg soll eine Straße nach Regina Jonas benannt werden. Jetzt haben mehr als 1000 Menschen zu vier Vorschlägen abgestimmt.

Die Frage, ob eine Straße in Kreuzberg nach Regina Jonas (1902-1944) – der ersten Frau, die 1935 als Rabbinerin ordiniert wurde – umbenannt wird, hat die Bezirkspolitik bereits 2021 entschieden. Noch nicht entschieden ist, welche Straße es werden soll. Im Gespräch sind die Admiralbrücke, die Kohlfurter Straße, das Paul-Lincke-Ufer und das Planufer.

Diesen Donnerstagabend rückte die Umbenennung einen Schritt näher: Bei einer Veranstaltung im Friedrichshain-Kreuzberg-Museum (FHXB-Museum) wurde das Ergebnis der Anwohnerbeteiligung verkündet. Bis zum 10. Februar konnten Anwohnende votieren, mehr als 1000 Menschen nahmen an der Postkartenabstimmung teil. Auch die etwa 40 Gäste vor Ort wählten mit.

Als Favorit stellte sich die Kohlfurter Straße (352 Stimmen) heraus, dicht gefolgt von der Admiralbrücke (304 Stimmen). Für das Planufer hatten 265 Menschen votiert, für das Paul-Lincke-Ufer nur 98. Lediglich zehn Prozent (110 Stimmen) der Befragten sind gegen eine Umbenennung („keine der Optionen“).

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Diese Ergebnisse sollen der Bezirksverordnetenversammlung zur Entscheidung vorgelegt werden. Stéphane Bauer, Leiter des Fachbereiches Kultur und Geschichte, rechnet damit, dass die Umbenennung in etwa einem Jahr stattfinden kann. Zuvor seien noch einige Verwaltungsschritte wie ein Bezirksamtsbeschluss und die Veröffentlichung im Amtsblatt nötig.

Regina Jonas als Vorbild für die Gleichberechtigung

Obwohl Regina Jonas nach ihrer Ordination offiziell nur in der Seelsorge tätig sein durfte, arbeitete sie ab 1938 verstärkt als Rabbinerin – zum Beispiel in der Fraenkelufer Synagoge, die sich in der Nähe der vorgeschlagenen Straßen befindet. Im November 1942 wurde sie nach Theresienstadt deportiert. Dort predigte sie weiter. Im Oktober 1944 wurde sie nach Auschwitz-Birkenau deportiert und ermordet.

„Sie ist für viele jüdische Frauen ein Vorbild. Es ist uns ein Anliegen, ihr im öffentlichen Raum zu gedenken und sie nicht als Opfer, sondern ihr Schaffen in den Vordergrund zu stellen“, sagte Lara Dämmig, Mitbegründerin von Bet Debora, einem europäischen Netzwerk jüdischer Frauen. Auf Initiative von Bet Debora wurde 2001 eine Gedenktafel für Regina Jonas in der Krausnickstraße 6 in Berlin-Mitte angebracht. Unter dieser Adresse lebte Regina Jonas, bis sie gezwungen wurde, in ein sogenanntes Berliner „Judenhaus“ zu ziehen.

Schon im Studium setzte sich Regina Jonas in ihrer Abschlussarbeit („Kann die Frau das rabbinische Amt bekleiden?“) mit dem weiblichen Rabbinertum auseinander. Sie habe einen entscheidenden Beitrag für die Gleichberechtigung von Frauen in Synagogen geleistet. Dämmig hofft, dass die lange in Vergessenheit geratene Regina Jonas mit der Straße noch bekannter wird.

Bezirk will mehr Frauen im Straßenbild

Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) freut es, dass Regina Jonas einen festen Platz im Straßenbild erhalten wird. Aktuell zeige sich, „dass wir mehr Frauen – vor allem jüdischen Frauen – mehr Platz einräumen müssen“. Die Ehrung von Regina Jonas mache die Geschichte einer bedeutsamen Frau sichtbar und setze ein Zeichen gegen Antisemitismus und für Geschlechtergerechtigkeit.

Zur Admiralbrücke erwähnte Herrmann den Vorteil, dass dort im Falle einer Umbenennung keine Adressänderung nötig wäre, da es keine Anwohnenden gibt. „Allerdings entstünde wohl Verwirrung, weil es ein schöner Ort ist, der in vielen Reiseführern vorkommt“, sagte sie. Die Brücke ist benannt nach Prinz Heinrich Wilhelm Adalbert von Preußen (1811-1873), der auch Namensgeber der sich nördlich anschließenden Adalbertstraße ist. Er war Admiral der preußischen Marine während des Deutsch-Dänischen Krieges.

Die Admiralbrücke ist ein beliebter Treffpunkt und über Kreuzberg hinaus bei Tourist:innen bekannt.
Die Admiralbrücke ist ein beliebter Treffpunkt und über Kreuzberg hinaus bei Tourist:innen bekannt.

© dpa

Den Berliner Komponisten Paul Lincke (1866-1946) kennen die meisten Berliner:innen wohl durch das Operetten-Lied „Das ist die Berliner Luft“. Im FHXB-Museum wurde allerdings auch Kritik geübt: „Lincke stand dem NS-Regime nah, obwohl er kein Mitglied der NSDAP war“, sagte Herrmann. 1937 erhielt Lincke den Ehrenbürgerbrief der Stadt Berlin – überreicht von Reichsminister Joseph Goebbels.

Ich finde, dass wir über Paul Lincke sprechen müssen.

Clara Herrmann (Grüne), Bezirksbürgermeisterin

„Ich finde, dass wir über Paul Lincke sprechen müssen“, sagte die Bezirksbürgermeisterin. Er sei vor allem Profiteur des Regimes gewesen. Bei der Abstimmung im Museum landete das Paul-Lincke-Ufer auf Platz zwei, anders als beim Gesamtergebnis.

Die Kohlfurter Straße wurde 1949 nach der niederschlesischen Stadt Kohlfurt benannt, die heute Węgliniec heißt und zu Polen gehört. Beim Wiederaufbau der Synagoge könnte eine Umbenennung der Straße insofern eine Rolle spielen, als dass das Grundstück vom Fraenkelufer und der Regina-Jonas-Straße umschlossen würde.

Die vier Straßenvorschläge wurden laut Bezirksamt in Zusammenarbeit mit dem Verein Freunde der Synagoge Fraenkelufer und der Gedenktafelkommission des Bezirks zusammengetragen. Da jüdische Gemeinden nach den Straßen, in denen sie sich befinden, benannt werden, sei das Fraenkelufer nicht in die Auswahl aufgenommen worden.

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