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Noch ohne Boote: Die „nackte“ Schwimmplattform, von der behinderte Sportler:innen in die Boote ein- und aussteigen können.

© Boris Buchholz TSP

Ende des Streits am Berliner Wannsee?: Die barrierefreie Plattform für inklusives Segeln wird bleiben

Erst sollte die an der Havel einmalige Schwimmplattform nach den Special Olympics wieder abgerissen werden. Doch jetzt mehren sich die Zeichen, dass sie für 20 Jahre genehmigt wird.

200 Quadratmeter – so groß ist der Stein des Anstoßes. In diesem Fall schwimmt der Stein allerdings, er ist eine schwimmende Holzplattform im Hafen des Vereins Seglerhaus am Wannsee (VSaW). Mit Blick auf die Special Olympics World Games, die in diesem Juni in Berlin ausgetragen werden, hatte der Verein die Plattform errichtet; die Segelwettbewerbe der Special Olympics werden hier ausgetragen.

Der Clou am neuen Bauwerk: Es ist auch mit dem Rollstuhl leicht zu erreichen – und dadurch, dass die Segelboote an der Konstruktion aus Holz längsseits anlegen, können auch behinderte Sportlerinnen und Sportler bequem in die wackeligen Sportgeräte einsteigen. Ein Geländer beim Übergang auf die Plattform sorgt für Sicherheit; wer zu schnell die letzte Rampe hinabrollt, wird von einem weiteren Schutzgeländer aufgehalten.

Auch der etwa 70 Meter lange Steg zur Plattform ist rollstuhlgerecht gebaut. Seitenleisten verhindern, dass der rollende Aktive vom Weg abkommt. Die Rampe zum Festland ist so konstruiert, dass sie auch beim niedrigsten Wasserstand ein maximales Gefälle von acht Grad aufweist – für Rollifahrerinnen und -fahrer gut zu meistern.

Die Stege sind für 20 Jahre genehmigt, die Plattform für zwei

Die Schwimmplattform und auch die sonstigen frisch erneuerten und ebenfalls berollbaren Stege, insgesamt sind es im Hafen fünf Stück, sind solide gebaut, sie halten viele Jahrzehnte. Doch die Genehmigung, die das Umweltamt Steglitz-Zehlendorf erteilte, erlaubt bisher nur, dass die Plattform zwei Jahre bestehen kann: Ende 2023 soll sie wieder abgebaut werden. Das ist das, was dem Verein bis heute schwarz auf weiß vorliegt. Die fünf Stege um die Plattform herum sind übrigens für 20 Jahre genehmigt – im VSaW schütteln die Mitglieder die Köpfe.

Der 83-jährige Rolf Bähr ist Profi-Segler und Ehrenvorsitzender des Berliner Segler-Verbandes.
Der 83-jährige Rolf Bähr ist Profi-Segler und Ehrenvorsitzender des Berliner Segler-Verbandes.

© Boris Buchholz TSP

Einer von ihnen ist der 83-jährige Rolf Bähr. Er ist Segelprofi, Jurist, Autor, wandelndes Archiv des Vereins. Zugleich ist er Ehrenvorsitzender des Berliner Segler-Verbandes. Ende Januar war er als Experte in den Sportausschuss des Abgeordnetenhauses geladen: Die CDU-Fraktion hatte eine Anhörung zum „Aktuellen Stand bei der Genehmigung von Steganlagen“ auf die Tagesordnung setzen lassen.

Vor dem Ausschuss sprach Rolf Bähr auch die zu kurze Genehmigungsdauer der Schwimmplattform an, er sprach von der „allerneusten Attacke des Bezirksamts Steglitz-Zehlendorfs gegen den VSaW“, so steht es in seinem Redemanuskript. „Solche Schwimmplattformen werden bei Ruder- und Paddelvereinen ständig genehmigt, aber im Segelverein für nicht genehmigungsfähig angesehen“, argumentierte er. Dabei sei das seitliche An- und Ablegen der Boote für den Ein- und Ausstieg beim inklusiven Segelsport unbedingt erforderlich.

Sportstaatssekretärin stellt Genehmigung in Aussicht

Beim Gespräch mit dem Tagesspiegel am Wannseeufer hat Rolf Bähr im ersten Stock des Vereinshauses am Besprechungstisch im mit Holz getäfelten Otto-Protzen-Zimmer Platz genommen. Er zwinkert und ist sichtlich zufrieden, als er von seinem Auftritt im Abgeordnetenhaus erzählt. Denn er hatte das Parlamentsgebäude mit einer Zusage verlassen: Sportstaatssekretärin Nicola Böcker-Giannini (SPD) habe in der Ausschusssitzung in Aussicht gestellt, dass es im Februar eine Genehmigung der Schwimmplattform für 20 Jahre geben solle.

Allerdings ist für die Genehmigung nicht der Senat, sondern der Bezirk zuständig. Schon bei einem Vorort-Termin aller politisch Beteiligten im November hatte der zuständige Umweltstadtrat Urban Aykal (Grüne) seine Unterstützung für die Verlängerung der Genehmigung signalisiert. Konfrontiert mit der konkreten Aussage der Staatssekretärin sagte er dem Tagesspiegel: „Für mich ist es wichtig, die Plattform zu erhalten.“ Er sei „sehr dafür, dass wir im Bezirk künftig insgesamt mehr Sportangebote für Menschen mit Behinderungen oder auch Seniorinnen und Senioren machen“.

Sicheres Segeln: Der Weg zu den Booten ist barrierefrei gestaltet; Sicherheitsgeländer, sanfte Rampen und Rettungsmittel sind vorhanden.
Sicheres Segeln: Der Weg zu den Booten ist barrierefrei gestaltet; Sicherheitsgeländer, sanfte Rampen und Rettungsmittel sind vorhanden.

© Boris Buchholz TSP

Und wann ist mit einer veränderten Genehmigung zu rechnen? „In den nächsten Wochen oder Monaten wird es eine schriftliche Zusicherung geben.“ Er gehe davon aus, dass die Genehmigungsdauer an die Frist für die übrigen Steganlagen angepasst werde, das wären 20 Jahre. Und er fügt hinzu: „Die Frist bedeutet natürlich nicht, dass dann Schluss ist, sondern der Weiterbetrieb entsprechend einer Folgegenehmigung fortgesetzt werden kann.“

200.000 Euro hat der Verein in die Plattform investiert

Auch wenn die in amtliche Worte gepresste offizielle Fristverlängerung dem Verein noch nicht vorliegt – die Schwimmplattform scheint vom Eise befreit zu sein. Wenn der Brief des Bezirksamts Am Großen Wannsee 22 dann endlich im Briefkasten liegt, wird die Erleichterung bei den Segler:innen groß sein. 200.000 Euro hatten die Mitglieder in das Modul für inklusives Segeln investiert.

VSaW-Mitglied Rolf Bähr erläutert das inklusive Sportkonzept.
VSaW-Mitglied Rolf Bähr erläutert das inklusive Sportkonzept.

© Boris Buchholz TSP

Rolf Bähr: „Das ist alles eigenes Geld, sagt der Schatzmeister.“ Kein einziger Cent Steuergeld sei für den Bau der Plattform geflossen. Mit etwas Glück könnte sich noch die Aktion Mensch an den Kosten beteiligen: Der Verein hat 65.000 Euro Zuschuss beantragt, noch ist über den Antrag nicht entschieden.

Im VSaW wird schon länger inklusiv gesegelt. Der Verein verfügt, das berichtet Rolf Bähr stolz, über zwei 2.4mR-Einhand-Boote sowie zwei behindertengerechte Laser Bahia, auf denen bis zu drei Personen segeln können. 2020 wurde die Arbeitsgruppe „Inklusion und adaptives Segeln“ ins Leben gerufen. Der Verein ist der einzige an der Havel, der barrierefrei ausgerichtet ist.

Jetzt entstehen auch barrierefreie Sanitärräume

Wobei das nicht ganz stimmt, zumindest noch nicht. Denn aktuell gibt es im ehrwürdigen Vereinshaus noch keine barrierefreien Sanitärräume. Das soll sich in diesem Frühjahr ändern: Für 280.000 Euro würden die Wasch- und Toilettenräume umgebaut werden, sagt VSaW-Geschäftsführer Frank Butzmann. „20 Prozent der Kosten gibt der Senat als Zuschuss, 40 Prozent zahlen wir und den Rest stottern wir über 20 Jahre ab“, erklärt er das Finanzierungsmodell. Bis Ende Februar würden die Bauaufträge vergeben sein, im März werde gebaut und pünktlich zum Saisonbeginn nach Ostern seien die neuen Toiletten für alle fertig. Das sei der Plan.

Und der passt: Die Special Olympics World Games beginnen am 17. Juni. Der Verein Seglerhaus am Wannsee wird bereit sein und die Athletinnen und Athleten im Südwesten in einer würdigen Wettkampfumgebung empfangen.

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