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Schauspielerin Carola Braunbock in ihrer Rolle als Tante in „Fräulein Schmetterling“.

© DEFA-Stiftung/Hartkopf Rambow

Filmfestival „Prenzlauerberginale“: Mit versteckter Kamera in der DDR

Das „kiezigste Festival“ Berlins zeigt ein vielseitiges Programm mit unzensierten Dokumentationen aus der DDR, geheimen Aufnahmen, Filmschnipseln und Kultfilmen. Alles Original Ost-Berlin.

Von Jan Schroeder

| Update:

Die Prenzlauerberginale präsentiert an diesem Dienstag einen Film, den es eigentlich nicht gibt. Denn „Fräulein Schmetterling“ wurde 1966 im Rohschnitt vom Zentralkomitee der SED verboten. Das Experiment, halb Spiel-, halb Dokumentarfilm, entspreche nicht der DDR-Wirklichkeit und dem sozialistischen Menschenbild, urteilten die Funktionäre damals.

2021 wurde der Film anhand des Drehbuchs rekonstruiert. Nun wird er am Dienstag beim dritten Termin des Festivals im Filmtheater am Friedrichshain in endmontierter Fassung seine „Berlin-Premiere“ haben, wie Stefan Müller, der Organisator des Festivals, sagt. Die DEFA-Stiftung hat für die Rekonstruktion die Film-Fragmente synchronisiert, fertig montiert und eine Filmmusik komponieren lassen.

Einige Dialogszenen wurden damals mit versteckter Kamera in einer Markthalle gedreht und bieten Zuschauern so einen unverstellten Einblick in den DDR-Alltag. „Es ist ein neuer Film, in dem das kriegszerstörte Berlin die Kulisse gibt. Sehr eindrücklich sind die Filmszenen vom Gendarmenmarkt, der 1965 noch fast so aussah wie 1945“, sagt Müller.

Das Festival bewirbt sich selbst als das „kiezigstes Festival“ Berlins und zeigt dem Motto getreu Filme mit hohem Wiedererkennungs-Faktor. Alle Filme spielen in Ost-Berlin und bilden die vielseitige Geschichte seiner Bewohner und Orte ab.

Sie handeln von Menschen, wie dem auffällig bescheidenen Fotografen Gerd Danigel, der noch heute jedes Wochenende auf dem Flohmarkt am Boxhagener Platz seine Aufnahmen aus der untergehenden DDR der 80er-Jahre verkauft oder dem letzten Kohlenhändler des Prenzlauer Bergs, Arnd Teiche. Dazwischen sind Kurz- und Spielfilme mit bekannteren Darstellern wie der Schauspielerin Katrin Sass zu sehen.

Diesen Dienstag wird der Regisseur Heiner Sylvester seine dokumentarische Aufnahmen vom Helmholtz- und Kollwitzkiez aus 1983 sowie 1999 zeigen. Beide Aufnahmen aus unterschiedlichen Jahrzehnten werden zeitgleich auf großer Leinwand nebeneinander ausgestrahlt. Der DDR-Dissident Sylvester wird anschließend ebenso für ein Publikumsgespräch vor Ort sein wie die Produzentin Maria Wischnewski. Ihr Kurzfilm „Vom Sockel denken“ wird ebenfalls zu sehen sein.

Inzwischen sind die beiden letzten Termine des Festivals vollständig ausverkauft. „Das hatten wir noch nie“, sagt Organisator Müller. Interessierte können die gezeigten Filme allerdings als DVD über die Webseite des Festivals www.prenzlauerberginale.berlin erwerben. Die hohe Nachfrage hat die Veranstalter außerdem dazu bewogen, im kommenden Jahr doch noch eine siebte Prenzlauerberginale zu veranstalten. Eigentlich sollte nach der diesjährigen Ausgabe Schluss sein.

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