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Bashir Zakharia (in Janker und rotem Pulli) wirbt unter den Flüchtlingen dafür, das Angebot des Senats anzunehmen. Am Dienstag schauten sie sich das neue Heim in der Gürtelstraße an.

© dpa

Flüchtlinge am Oranienplatz in Berlin: Kreuzberg und die Wahrheiten auf dem Platz

Am Oranienplatz wohnen weiterhin Flüchtlinge. Die Stimmung ist angespannt, viele von ihnen fürchten eine Abschiebung. Offenbar haben vermeintliche Unterstützer die Flüchtlinge auch mit falschen Informationen versorgt.

Von Fatina Keilani

In der RBB-Sendung „Klartext“ gab es am Mittwochabend in Minute neun eine Schlüsselszene. Bashir Zaharia, einer der Flüchtlinge vom Oranienplatz, redet sich in Rage, als ein Unterstützer den Flüchtlingen rät, die Vereinbarung mit dem Senat abzulehnen, weil sie keine konkreten Zusagen enthalte. „Hör zu“, ruft Zaharia, „wir wollen hier nicht länger wie Esel leben, wir brauchen eine Veränderung! Wir sind in Deutschland, weil wir Hilfe brauchen, und nicht, um Politikspiele zu spielen! Warum wollt ihr das Camp hier erhalten? Wir wollen es nicht! Wir akzeptieren die Vereinbarung!“ Dann Schnitt.

Ein verständlicher Gefühlsausbruch

Der Unterstützer, dem er das zuruft, heißt Dirk Stegemann und ist ein bekannter Linker. Den Vorwurf Zaharias, die Unterstützer machten auf Kosten der Flüchtlinge ihre eigene Politik, weist er zurück. „Ich verstehe den Ausbruch gut. Die Menschen im Camp stehen emotional stark unter Druck und sind ziemlich fertig“, sagte Stegemann dem Tagesspiegel. „Aber eine linksextremistische Instrumentalisierung ist gar nicht möglich. Die Geschichten und Interessen der Flüchtlinge sind genauso heterogen wie in der Gesellschaft.“ Auch die Unterstützerszene sei nicht einheitlich.

Stegemann bestätigt, dass er von der Unterzeichnung des Senatspapiers abgeraten habe. „Das ist meine Meinung. Was in dem Papier steht, ist kein Entgegenkommen, sondern die Regel im deutschen Recht“, sagt Stegemann. Eine Einzelfallprüfung sei keine besondere Gabe, sondern stehe ohnehin jedem zu. Doch immerhin gibt sie den Flüchtlingen ein vorläufiges Aufenthaltsrecht bis zum Ende der Einzelfallprüfung – ist das nicht auch schon was? „Dann ist eben nach einem halben Jahr Schluss. Uns geht es um langfristige und nachhaltige Forderungen.“ Das wiederum hilft den Flüchtlingen konkret nicht.

Wem soll man trauen?

Aus den Verhandlungen von Integrationssenatorin Dilek Kolat ist zu hören, man habe immer wieder viel Zeit für das Erklären der Rechtslage benötigt. Offenbar hatten vermeintliche Unterstützer die Flüchtlinge auch mit falschen Informationen versorgt, so dass diese dem Staat und seinen Politikern nicht gleich trauten – dass man den Herrschenden nicht trauen kann, kennen sie von zu Hause, und die Informanten aus der linken Szene schüren offenbar nicht das Vertrauen in die deutschen Behörden.

Unter den Flüchtlingen kursieren auch Gerüchte – etwa jenes, die Namenslisten seien in Wahrheit „Deportationslisten“. Deswegen wollen viele ihre Namen nicht sagen und sich nicht fotografieren lassen. Andere, die schon in Bayern rechtskräftig abgelehnt wurden, fürchten zu Recht die Abschiebung, wenn sie ihre Namen vorlegen. Sie blockieren so aber zugleich den Fortschritt für alle anderen, denn ohne die gültige Namensliste fängt das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) nicht mit den Umzügen an. Die etwa 70 Personen vom Oranienplatz müssen auf der Liste der 467 stehen, die wohl immer noch beim Anwalt liegt.

Das Lageso ist pragmatisch: Es müssen nicht alle zugleich umziehen. „Das geht auch in Etappen“, sagt Lageso-Sprecherin Silvia Kostner. „Wer seinen Namen sagt und sich fotografieren lässt, kann umziehen.“ Für die geplanten Asylverfahren sei es ohnehin nötig zu wissen, wen man vor sich habe.

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