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Schlechte Gewohnheit. Praktisch, aber nicht umweltfreundlich: Plastiktüten. Die gibt’s auch auf dem Markt.

© Kai-Uwe Heinrich

Ökologisch einkaufen, geht das?: Volle Packung im Kreuzberger Ökokiez

Leinentasche statt Plastiktüte - wie kann das funktionieren, einkaufen ohne viel Drumherum? Diese Frage stellt sich neu, denn bald soll Berlins erster Supermarkt ohne Verpackungen eröffnen. Wir waren auf Einkaufstour im Kreuzberger Ökokiez.

„Darf ich mal probieren?“, fragt der Junge den Mann am Stand. Aber gerne doch. Schließlich steht Mateuß Wawrzyniak mit seiner Leinenbaskenmütze ja auf dem Ökomarkt am Chamissoplatz, um seinen „Fresh handmade Organic Tofu made in Berlin“ anzupreisen. Vier Leute sind sie in der Manufaktur „Soy rebels“, und ihren Bohnenkäse liefern sie per Fahrrad und ohne Plastikverpackung. Jetzt kaut der Junge. „Wie sagt man?“, stupst der Papa seinen Sohnemann an. Jetzt kommt es, das fällige „Danke“.

Der Laden "Original unverpackt" braucht noch Geld

Der sonnabendliche Wochenmarkt in Kreuzberg gehört zu den Orten in der Stadt mit der höchsten Dichte an Jutetüten, Transporttupperdosen und geflochtenen Einkaufskörben. Selbst das Mangolassi wird im dichten, wiederverwendbaren Plastikbecher verkauft. Ganz auf Plastik wollen die angehenden Unternehmerinnen Sara Wolf und Milena Glimbovski verzichten, sie möchten im Sommer den Laden „Original unverpackt“ mit 600 Lebens- und Hausmitteln ohne Verpackung eröffnen, die Crowdfunding-Spendenkampagne läuft. Der Gedanke hinter ihrem Geschäftskonzept nennt sich „Precycling“, Verpackungsmüll soll von vornherein vermieden werden. Die beiden Frauen erfahren für ihre Idee viel Aufmerksamkeit – kein Wunder, schließlich ist der Berg von Plastikmüll ein im wahrsten Sinne des Wortes wachsendes Problem.

Sechs Milliarden neue Plastiktüten im Handel - jedes Jahr allein in Deutschland

Allein der Pro-Kopf-Verbrauch von Plastiktragetaschen liegt in Deutschland derzeit bei 76 Stück pro Jahr; EU-weit sind es durchschnittlich 198. Macht zuletzt allein in Deutschland zusammen jährlich rund sechs Milliarden neue verkaufte Plastiktüten. „Im Urlaub in Mallorca habe ich die gerade in den Badebuchten treiben sehen“, sagt Petra Kuprat aus Kreuzberg.

Mateuß Wawrzyniak, Ökounternehmer. „Probieren Sie mal – biozertifizierter Tofu, aus deutschen Sojabohnen, hergestellt von unserem Vierer-Kollektiv am Ostkreuz. Die Plastikverpackung sparen wir uns.“
Mateuß Wawrzyniak, Ökounternehmer. „Probieren Sie mal – biozertifizierter Tofu, aus deutschen Sojabohnen, hergestellt von unserem Vierer-Kollektiv am Ostkreuz. Die Plastikverpackung sparen wir uns.“

© Annette Kögel

In anderen Ländern schon verboten

Auf dem Ökomarkt ist sie mit Stoffbeuteln, auch Eierkartons verwendet die 49-Jährige wieder. Ihr kann es nur recht sein, dass die EU-Kommission über nationale Verbote von Plastiktüten nachdenkt – wie es Mexiko-Stadt, Bangladesch, Hawaii und die US-Metropole Portland, Ruanda oder auch Teile Chinas schon vormachen. Weil an dem Treibgut Meerestiere ersticken und der fein zerriebene Kunststoff mit Weichmachern samt Mikroplastikkügelchen aus Peelings oder Zahnpasta über die Fische in den Nahrungskreislauf des Menschen zurückkehrt. „In einem Laden, der Plastikverpackungen erst gar nicht anbietet, würde ich sofort einkaufen“, sagt Wochenmarkt-Kundin Kuprat. „Ich brauche ja nicht immer gleich 150 Gramm Haferflocken, manchmal reicht ein Löffel voll.“

Petra Kuprat, Kundin aus Kreuzberg. „Ich bin gern hier auf dem Ökomarkt. Plastiktüten sind ja nicht billig, und zu Hause stapeln sie sich nur. Ich nehme lieber Leinentaschen, denke so an mich – und die Umwelt.“
Petra Kuprat, Kundin aus Kreuzberg. „Ich bin gern hier auf dem Ökomarkt. Plastiktüten sind ja nicht billig, und zu Hause stapeln sie sich nur. Ich nehme lieber Leinentaschen, denke so an mich – und die Umwelt.“

© Annette Kögel

150 Millionen Tonnen Plastikmüll im Meer

Im nahen LPG-Biomarkt gibt es recycelte Rapunzel-Einkaufstüten mit peppigem Bullymotiv für ’nen Euro, Brotbeutel aus Leinen für 3,90 Euro sowie ungebleichte Brotpapiertüten und Obsttüten aus abbaubarem Biokunststoff. Fast alle Kunden packen ihre Einkäufe in mitgebrachte Stoffbeutel. „Wenn ich mal eine Plastiktüte kaufe, dann nehme ich die hinterher als Müllbeutel“, sagt eine Mutter.

Weil laut Umweltorganisationen die Weltmeere rund 150 Millionen Tonnen Plastikmüll bergen, schlägt der BUND auch für Berlin Einkaufswagen mit Transportfächern für Obst und Gemüse vor. An der Kasse könne man alles wiegen und in ein mitgebrachtes Gefäß packen. Dann bräuchte man nicht für jede Obstsorte eine eigene Plastiktüte.

So weit der Ökokiez. Die Shoppingtour führt weiter durch Kreuzberg, wo „Original unverpackt“ gern aufmachen möchte. Über die Bergmannstraße laufen viele Touristen und Berliner – alle dick bepackt mit Plastikeinkaufstüten.

Und was sagt ein Abfallexperte zu der Problematik? Lesen Sie hier ein Interview.

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