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Türme mit unterschiedlichen Nutzungsprofilen wünschen sich Absolventen der Beuth-Hochschule.

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Hochhaus-Visionen in Berlin: Lebendig gestapelt im „vertikalen Kiez“

Nicht nur am Charlottenburger Hardenbergplatz gibt es die Vision von „vertikalen Kiezen“. Dabei wird die Berliner Mischung aus Wohnen, Arbeiten und Ausgehen einfach übereinander gelegt.

Berlin ist eine Flächenstadt, die ihren Luftraum vernachlässigt. Hochhäuser geraten meist nur halbhoch. Zu sehen am Potsdamer Platz. Oder in der Kantstraße. Das KapHag-Hochhaus mit dem markanten Segel in der Kantstraße misst 54 Meter. Höher durfte Architekt Kleihues 1992 nicht bauen. Am Alexanderplatz sind ein paar Türme mit maximal 150 Meter geplant, die architektonische Vision der AG City auf dem Hardenbergplatz misst nun immerhin 209 Meter. Im internationalen Maßstab sind das aber Wolkenkratzer-Peanuts.

Zwei frisch examinierte Architekten der Beuth-Hochschule wollen den Berlinern ihre Schwindelängste nehmen und schlagen vor, die Stadt endlich konsequent in die Höhe zu bauen. „Vertikale Kieze“ nennt sich ihr Konzept, das sie für ihren Masterabschluss entworfen haben. Die Hochhausfrevel der Vergangenheit, die Entwicklung standardisierter Schlafstadt-Blöcke, wollen sie dabei selbstverständlich vermeiden.

Thomas Nurna, Vasilios Tsitiridis und ihr betreuender Professor Gerd Sedelies.
Thomas Nurna, Vasilios Tsitiridis und ihr betreuender Professor Gerd Sedelies.

© Thilo Rückeis

Vertikale Kieze bedeutet, die gepriesene Berliner Mischung aus Wohnen, Gewerbe, Läden, Arztpraxen und öffentlichen Gebäuden nicht wie üblich nebeneinander zu bauen, sondern übereinander. Die schlanken Hochhäuser sollen aus einzelnen Baukörpern bestehen, die wie Bauklötze übereinander gestapelt werden. „Module“ nennen die Architekten die Baukörper, nicht der klassischen Etagenstruktur folgend, sondern dem Raumbedarf ihrer Nutzer.

Wege werden in Höhenmetern gemessen

So könnte in Türmen, die für Familien geeignet sind, neben großzügigen Wohnungen auch Supermarkt, Bäcker, Kindergarten, Büroarbeitsplätze und Fitnessstudio untergebracht werden. Auch Gärten und Grünanlagen könne man auf hochgelegenen Terrassen ansiedeln. Das käme dem Senatskonzept der „Stadt der kurzen Wege“ extrem entgegen. Die Wege würden künftig nur noch in Höhenmetern gemessen. Der vertikale Kiez müsste im Alltag gar nicht mehr verlassen werden.

Und wie hoch sollte das Hochhaus der Zukunft sein? 300 Meter könnten es schon werden, finden Thomas Nurna und Vasilios Tsitiridis. So hoch ist der neue Renzo-Piano-Turm in London. Die Mischung dort ist allerdings noch ausbaufähig: Neben sündhaft teuren Wohnungen gibt es ein Fünfsternehotel, Büros und ein Einkaufcenter. Für Berlin streben Nurna und Tsitiridis dagegen günstige Mietwohnungen und bezahlbare Gewerberäume an.

209 Meter hoch ist die Vision des Architekten Christoph Langhof. Gebaut werden soll sie mitten auf dem Hardenbergplatz.
209 Meter hoch ist die Vision des Architekten Christoph Langhof. Gebaut werden soll sie mitten auf dem Hardenbergplatz.

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Berlin kommt im Hochhaus-Ranking nur auf Platz 34

Die Modulbauweise und geringe Grundstückskosten würden das Budget niedrig halten. „Eines Tages könnte das realistisch sein“, glaubt Gerd Sedelies, ihr betreuender Professor. Mutige Ideenstudien für die Zukunft Berlins sind rar geworden. Die Senatsbaudirektorin Regula Lüscher will sich um die Urbanität der „Draußenstadt“ kümmern, also die Aufwertung der autogerechten Stadtperipherie. Bislang gibt es dazu aber nur Diskussionsbeiträge. Eine geplante Internationale Bauausstellung (IBA) wurde aus Kostengründen abgesagt. Die Vorschläge der Beuth-Absolventen hätten sich dafür empfohlen.

Auf einer Liste der höchsten Häuser Deutschlands kommt Berlin erst auf Platz 34. Das mehr als 40 Jahre alte Park Inn-Hotel ist mit 125 Metern das höchste Gebäude der Hauptstadt (Der Fernsehturm gilt als Bauwerk, zählt also nicht). Bislang ist das 90 Meter hohe Ideal-Haus in Gropiusstadt das höchste Wohnhaus Berlins. Der neue umstrittene Wohnturm an der East Side Gallery ist nur 63 Meter hoch.

Fragt man Fachleute, warum es nicht mehr Hochhäuser in Berlin gibt, fällt schnell der Satz: „Das hat hier keine Tradition“. Tradition hat dagegen die Traufhöhe von 22 Metern. Auch Senatsbaudirektorin Regula Lüscher hält Wolkenkratzer in Berlin für entbehrlich.

Nurna und Tsitiridis haben mit ihrer Masterarbeit die Bestnote 1,0 eingefahren und sich erfolgreich in einem Berliner Architekturbüro beworben. Dort bauen sie vor allem in die Breite, aber das kann sich ja bald ändern.

- Der Artikel erscheint auf dem Ku'damm-Blog, dem Online-Magazin für die westliche Innenstadt.

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