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Hausprojekt Wönnich

© Robert Klages/TSP

Öko-Hausprojekt in Berlin-Lichtenberg: Fleisch ja, Elmex-Zahnpasta nein

Im Hausprojekt „Wönnich 103“ leben 20 Menschen gemeinschaftlich und ökologisch. Eine neue Bewohnerin erzählt, wie aufwändig der Bewerbungsprozess ist und wie es sich dort lebt.

Das Öko-Hausprojekt „Wönnich 03“ in Berlin-Lichtenberg hat einen gemütlichen Hof, mit Teich samt Holzbrücke, Himbeersträuchern, Birnen- und Apfelbäumen sowie einem großen Gemüsehaus. Christina Martin (Name geändert) zupft Minzblätter und streut sie in eine Karaffe mit Wasser. Sie ist neu in dem Hausprojekt, in dem 20 Personen nachhaltig und gemeinschaftlich wohnen. So dürfen in der Wönnichstraße 103 zum Beispiel keine Duschgels verwendet werden, die nicht biologisch abbaubar sind.

In der Gemeinschaftsküche ist Fleisch untersagt. Das Gemüse wird aus solidarischer Landwirtschaft im Oderbruch geliefert. An den allabendlichen gemeinsamen Essen teilzunehmen ist keine Pflicht, an den wöchentlichen Plena hingegen schon. Da alle Entscheidungen gemeinsam getroffen werden, seien die Prozesse oftmals etwas zäh, sagt Martin, aber dadurch seien sie auch nachhaltiger.

Wir müssen genau schauen, ob es mit allen harmonisiert

Ein Mitgründer des Hausprojekts

Bis Martin und ihre zwei Kinder ins Haus ziehen konnten, mussten sie ein aufwändiges Aufnahmeverfahren durchlaufen: Nach mehreren Kennenlerntreffen folgte ein einmonatiges Probewohnen – dann ein temporärer Einzug für ein halbes Jahr. „Mit 18 verschiedenartigen, fremden Menschen abends zusammen essen, das war natürlich erstmal ungewohnt“, beschreibt sie ihren Einstieg ins Hausleben.

Der Garten des Hausprojekts. 

© Robert Klages/TSP

Es sei am Anfang abenteuerlich gewesen, so wie campen. „Man muss sich auf jede neue Person einlassen und mit mancher auch einen Termin zum Kennenlernen machen, da man ihr sonst gar nicht über den Weg läuft.“ Alle 18 Parteien haben eigene Zimmer auf den sechs Etagen, dazu gibt es Gemeinschaftsräume wie die Küche und eine Bibliothek.

Vor 23 Jahren begann des Projekt

„Das Ankommen dauert lange“, sagt Martin. Alle anderen Hausbewohner:innen mussten ihrem Einzug zustimmen. Aber es sei wunderbar im Haus und wichtig, dass es auch wirklich passt. Neben ihr sitzt Georg Basel (Name geändert), einer der Gründer des im Jahre 2000 gestarteten Hausprojekts.

„Wir müssen genau schauen, ob es mit allen harmonisiert“, gibt er zu bedenken. In den letzten 20 Jahren hat es allerdings nur zwei Mal nicht gepasst – und das bei rund 120 Menschen, die hier in dieser Zeit gewohnt haben. Manche bleiben länger, andere nicht. Die Gründe seien vielfältig und hätten selten etwas mit dem Hausprojekt zu tun, sagt Basel.

Von außen sieht das Haus in der Wönnichstraße nicht ungewöhnlich aus. 

© Robert Klages/TSP

„Manche von uns sind laut, impulsiv, queer, cis-hetero, nichtbinär, leise, diskussionsfreudig, diskussionsmüde, queerfeministisch und vieles mehr“, beschreibt Basel. „Wir üben uns darin, gemeinsam Diskriminierungs- und Ausgrenzungsmechanismen zu erkennen und zu vermeiden.“ Alle seien natürlich Antikapitalist:innen und an einer ökologischen Lebensweise interessiert. „Wir wollen inspirierend sein in Sachen Ökologie für andere“, so Basel weiter

Pflanzenkläranlage im Keller

Das Dusch-, Küchen- und Waschmaschinenwasser wird hausintern aufbereitet und wiederverwendet. Eine Pflanzenkläranlage im Keller und im Garten reinigt das sogenannte Grauwasser. Getrunken wird dieses jedoch nicht – das Haus verfügt über zusätzliche Trinkwasseranschlüsse. Hinzu kommen Solaranlagen auf dem Dach sowie Komposttoiletten.

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Im Jahr 2000 haben drei Architekten das Grundstück samt Haus gekauft – „da war die Gegend noch Sanierungsgebiet und überall gab es freie Flächen“, erinnert sich Basel. Heute werde jede noch so kleine Fläche bebaut, wie vom Dach des Hausprojekts auch gut zu sehen ist. „Damals wollte hier kaum jemand wohnen, heute kommen die Leute aus Friedrichshain rüber, weil es dort nichts mehr gibt und die Mieten steigen.“

Solar-Anlagen auf dem Dach versorgen das Haus mit Energie. 

© Robert Klages/TSP

Gekauft oder verdrängt werden kann die „Wönnich 103“ wohl nicht. Die Hausgemeinschaft hat das Grundstück verkauft an die „Bürgerstiftung Trias – Wem gehört der Boden“. Diese hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Weiterverkauf von Grundstücken zu verhindern. „Trias ist unsere Sicherungsinstanz“, sagt Basel. Sowohl das Grundstück als auch das Haus könnten nur mit der Zustimmung des jeweiligen Vertragspartners verkauft werden – also der Hausgemeinschaft und Trias.

Beide haben ein Vorkaufsrecht. „Und Trias wird nicht verkaufen, denn das wäre gegen ihren Stiftungszweck. An diesen ist sie gebunden“, erklärt Basel weiter. So ist ebenfalls gesichert, dass Bewohner:innen das Haus nicht verkaufen können – es soll für mehrere Generationen gesichert sein. Denn nach Erbbaurecht müsse Trias zustimmen, wenn das Haus veräußert werden soll.

Die Stiftung wiederum würde bei einem Verkauf des Bodens die Zustimmung der Hausbewohner benötigen. Und so gärtnert und werkelt man in der Wönnichstraße 103 vor sich hin, während nebenan die Großwohneinheiten hochgebaut werden.

Das Hausprojekt öffnet sich auch gern für Nachbar:innen. Der „Schaufensterraum“ zur Straße hin wird für Treffen, Kochabende, Versammlungen und Besprechungen genutzt. Neuerdings gibt es jeden letzten Sonntag im Monat ein Repaircafé, in dem alte Geräte oder Klamotten ganz ökologisch wieder fit gemacht werden. Garten und Haus müssen natürlich gepflegt werden, wozu Arbeitsgruppen gebildet werden – und selbstverständlich gibt es einen Putzplan.

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