
© Santiago Rodriguez
Protest gegen Baumfällungen: „Der Beschluss straft den Berliner Senat Lügen“
Auf dem Tempelhofer Damm sollen für eine Baustelle 60 Bäume gefällt werden. Heinrich Strößenreuther vom „Volksentscheid Baum“ hält das für unnötig und spricht im Interview über Alternativen und das Wichtige am Stadtgrün.
Stand:
Herr Strößenreuther, die Verkehrsverwaltung sagt, dass mit dem Fällen der Bäume auf dem T-Damm letztendlich 30.000 Tonnen CO₂ eingespart werden, weil die Autos während der Bauarbeiten dann nicht umgeleitet werden müssen.
Das ist nur eine Behauptung, und ich gehe sogar einen Schritt weiter und würde sagen: Fake News! Ich habe die Pressesprecherin am Freitag gebeten, die Berechnungsgrundlagen genau darzustellen. Bisher ist noch nichts eingetroffen. Es gibt Alternativen für die Planung der Baustelle, die keine Fällung der Bäume beinhalten.
Welche zum Beispiel?
Erst einmal könnte massiv dafür geworben werden, auf den Rad- und Busverkehr umzusteigen, und unter dem Tempelhofer Damm fährt ohnehin eine U-Bahn. Während der Bauarbeiten könnte man Sondertickets für die Strecke anbieten. Dann gibt es flexible Lösungen, dass man eine Fahrspur tageszeitlich unterschiedlich schaltet in Nord-Süd- oder Süd-Nord-Richtung, je nachdem, wann gerade der große Verkehr unterwegs ist.
Es gibt Studien, die belegen, dass der Verkehr sich verringert, wenn die Geschwindigkeit und die Kapazität einer Straße sinken. Nicht komplett, aber um 20 bis 30 Prozent. Das heißt, man müsste gar keine hundertprozentige Umleitung des Verkehrs planen.
Mit diesen Optionen könnten die Bäume erhalten bleiben?
Es geht um 70 Bäume, die gefällt werden sollen. Zehn davon müssen tatsächlich weg, weil es keine andere Möglichkeit gibt. Direkt darunter verläuft beispielsweise eine Leitung. Aber die anderen 60 Bäume können erhalten bleiben, wenn man anders plant.
Warum sind Bäume gut für die Stadt?
Bäume kühlen, sie spenden Schatten und reinigen uns die Luft. Und zum Schluss sind sie noch wichtig für die Seele. Es gibt Studien, die belegen, dass sich die psychische Gesundheit verbessert, wenn man in der Stadt grüne Bäume um sich herum hat.
Wie kühlen die Bäume die Stadt?
Ein Baum schafft 2 bis 7 Grad Kühlung im direkten Umfeld, je nach Untergrund. Der Schatten ist gerade für alte Leute, die langsam oder mit dem Rollator unterwegs sind, wichtig, weil sie durch die Bäume von Schatten zu Schatten gehen können. Straßen ohne Bäume werden für alte Menschen während der heißen Sommertage zur No-Go-Zone.
Wie kann Berlin sich in Zukunft klimagerechter aufstellen?
In das BäumePlus-Gesetz haben wir geschrieben, dass es bis 2040 eine Million Straßenbäume in der Stadt geben soll. Heute sind es 400.000. Außerdem wollen wir 1000 kleine Miniparks, wo die Leute sich wohnungsnah abends runterkühlen können.
In Berlin sind mindestens ein Drittel aller Kieze als thermisch hochbelastet eingestuft. In diesen Kiezen soll die Klimatemperatur durch Bäume, Grünflächen und entsiegelte Flächen um 2 Grad runtergekühlt werden.
Dann gibt es noch das Hochwasser- und Starkregenproblem. Der Regen muss besser im Boden versickern können, anstatt ungeklärt in Spree und Landwehrkanal eingeleitet zu werden. Dazu müssen 50 Prozent der Flächen im S-Bahn-Ring entsiegelt werden.
Eine Fällung der Bäume, wie sie der Senat anstrebt, ist demnach aus der Zeit gefallen?
Ja, ist sie. Der Beschluss straft den Senat Lügen, der behauptet, sich für eine klimaangepasste Stadt einzusetzen. Pro Jahrzehnt schafft ein Baum, fünf bis sieben Meter zu wachsen. Es würde mindestens eine ganze Generation dauern, bis die neuen Bäume so effektiv wären wie die, die der Senat jetzt fällen will.
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